So sieht die Raststätte der Zukunft aus

Wie werden wir bald schon tanken und verweilen? Unser Autor hat sich in Fürholzen West umgeschaut, der Tankstelle der Zukunft. Trotz nachhaltiger Ausstaffierung – einiges liegt noch im Argen.

Oliver Herwig
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So soll sie aussehen, die Tanke der Zukunft – wie der Entwurf der Raststätte Fürholzen West auf der A9 zwischen Nürnberg und München. (Bild: PD)

So soll sie aussehen, die Tanke der Zukunft – wie der Entwurf der Raststätte Fürholzen West auf der A9 zwischen Nürnberg und München. (Bild: PD)

Nachrichten gucken ist gerade ein grosses Vergnügen. Die Welt von gestern lehnt sich gegen die Folgen jener Veränderungen auf, die sie selbst ausgelöst hat. Zum Beispiel gegen den Klimawandel – indem sie ihn ignoriert. Der mächtigste Mann der Welt setzt weiterhin auf Kohle und kündigt das Umweltabkommen von Paris. Sofort verlässt Tesla-Boss Elon Musk das Beratergremium des US-Präsidenten. Elektromobilität und Grubenstaub vertragen sich eben nicht, auch wenn niemand wirklich weiss, ob der Saft aus den Autobatterien nicht vielleicht doch aus einem abgetakelten Braunkohlekraftwerk stammt.

Doch wie soll die glorreiche Elektromobilität eigentlich aussehen? Wie werden sich Tankstellen verändern, wenn trotz modernster Ladetechnik E-Fahrzeuge durchschnittlich 20 bis 30 Minuten brauchen, bis wir weiterfahren können? Dann wird jeder Tankstopp zu einer kleinen Rast. Und die Zapfsäule zu einem Ort für Smalltalk mit anderen Gestrandeten. Gibt es einen mobilen Espressostand? Oder spezielle Lounges für Premium-Tanker? Oder werden Zapfsäulen gestapelt wie Golfanlagen in Japan? Erste Konzepte sehen erstaunlich konventionell aus.

Die Tanke der nächsten Generation eröffnet

Im September soll es so weit sein. Dann wird an der Autobahn A9, zwischen Nürnberg und München, die Tanke der nächsten Generation eröffnet: Die Münchner Architekten Allmann Sattler Wappner entwarfen Fürholzen West für den Betreiber Tank und Rast. Schon von weitem soll sich die Raststätte der Zukunft von Anlagen der Vergangenheit unterscheiden. Dazu entstand ein weisses Superzeichen, ein mäandrierendes Dach, das sich wie eine Schlange über Restaurant und Tankstation zieht und schon von weitem signalisiert: alles im Fluss.

Fürholzen West dient als Versuchslabor für das, was uns in den nächsten Jahren flächendeckend erwarten könnte: Neben Benzin und Diesel (bäh!) werden verschiedenste Kraftstoffe um Kunden buhlen. Strom, Gas und Wasserstoff bilden die Trias der Treibstoffe, von denen keine weiss, wer sich wann durchsetzen wird. Also dürfte es bald Kombitankstellen aller Art geben. Fürholzen West ist nur ein Prototyp, er bietet neben fossilen Treibstoffen Wasserstoff und Strom an.

Schlauch raus, Stecker rein? Ganz so einfach wird es leider nicht. Es lohnt sich, die neue Terminologie schon einmal zu memorieren. Die Schnellladesäulen sind eigentlich Multi-Charger mit jeweils zwei Ladepunkten. Diese vereinen wiederum drei Ladeabgänge, zweimal DC (Gleichstrom) mit CHAdeMO («Ocha demo ikaga desuka?» – japanisch für «Wie wär's mit einer Tasse Tee?») und CCS-Steckern und einmal AC (Wechselstrom) mit Typ2-Steckern.

Tank und Rast, so etwas wie der Platzhirsch unter den Betreibern bundesdeutscher Autobahnraststätten, erklärt: «Als moderner Dienstleister ist das Angebot an Schnellladesäulen, die mit den aktuellen Ladestandards vollkompatibel sind, im Netzausbau sehr wichtig, um Kunden mit Elektroautos einen umfassenden Service auf deutschen Autobahnen bieten zu können.»

Kosten explodieren für Tankstellenbetreiber

Hinter solchem Marketingsprech verbirgt sich eine Erkenntnis: Leicht wird es in Zukunft nicht werden, allen Kunden und allen Technologien gerecht zu werden. Im Gegenteil. Wo grosse Vielfalt herrscht, explodieren die Kosten für Tankstellenbetreiber. Schon heute will niemand wissen, was sich alles unter dem Boden verbirgt an Leitungen und Tankanlagen. Wenn nun Wasserstoff (flüchtig, explosiv und extrem gekühlt) hinzukommt und Strom, wird es richtig spannend.

Fürholzen West, die weisse Tanke mit ihrem Energie-Plus-Standard, dient als Flaggschiff, das beweisen soll, wie gut alles zusammenpasst. Erstaunlich, dass nur vier Schnellladesäulen für die wachsende Elektroflotte eingeplant wurden. Sie sind in einem separaten Pavillon untergebracht, auf dessen Dach Solarzellen aufblitzen.

Energie vom Himmel hoch
direkt in den Tank.

Die Symbolik ist mit Händen zu greifen: Energie vom Himmel hoch direkt in den Tank. Nun sagt Tank und Rast zu Recht, die gestalterische Herausforderung bestehe darin, «die Zukunft der Energien auch in einer architektonisch sichtbaren und spürbaren Weise umzusetzen und auch dem Ort gerecht zu werden». Daher entschied man sich für ein expressives Dach, das «einen fliessenden Übergang zwischen den Bereichen Tanken und Rasten» verdeutlicht. Das ist nachvollziehbar – aber etwas banal.

Um den Umbruch in Sachen Tankstellengestaltung zu begreifen, lohnt vielleicht ein Blick auf die ersten Tage der Tankstelle, die sich gegen ambulante Benzinhändler am Strassenrand und Bürgersteigpumpen durchsetzen musste. Das gelang ihr, da sie ein altes Prinzip übernahm, und zwar jenes des Tempels, dessen göttliche Energie direkt in den Tank transferiert werden musste. Die Angestellten trugen dazu Uniform und wiesen sich so als Priester einer neuen Sekte aus, während Säulen und Flugdächer die Stationen zugleich erdeten und seltsam abflugbereit erscheinen liessen.

Wer also die Genese der Elektrotankstelle erleben will, sollte noch etwas warten. Fürholzen West ist ein erster Schritt zu einer neuen Ästhetik. Und da die Architekten keine Statements zu ihrem Werk abgeben dürfen, hier Prosa des Auftraggebers: «Ziel der geschwungenen Grossform ist es, die Tankstelle, die Raststätte und den Shop unter ein gemeinsames dynamisches Dach zu bringen.»

Neue Autarkie

Das Erstaunlichste der neuen Anlage liegt in ihrer partiellen Autarkie. Sie soll mehr Energie sammeln, als der laufende Betrieb verschlingt. Das ist anspruchsvoll und verlangt, dass Photovoltaikanlagen herhalten mussten und ein eigenes Blockheizkraftwerk. Sonnenenergie wird teilweise in Wasserstoff umgewandelt und gespeichert. Für den Fall, dass nicht ausreichend «Wasserstoff aus Eigenproduktion zur Verfügung steht, kann das BHKW auch mit Erdgas betrieben werden».

Dass im Restaurant Massivholztische sowie Bänke und Stühle aus Holz stehen und sehr auf Nachhaltigkeit geachtet wurde – geschenkt. Fürholzen West unterscheidet sich da nicht gross von der Infrastruktur, wie wir sie aus Flughäfen und anderen Nicht-Orten kennen: hell und freundlich, effizient und abwischbar.

Wer Elektromobilität wirklich fördern will, muss in attraktive Tankstellen investieren.

Was also ist aus dieser einen Tank- und Rastanlage zu lernen? Wer Elektromobilität wirklich fördern will, muss in attraktive Tankstellen investieren. Und da ist noch Luft nach oben. Die deutsche Bundesregierung jedenfalls wird ihr selbstgestecktes Ziel, bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die Strassen zu bringen, deutlich verfehlen. Gründe dafür gibt es viele, und sie beginnen bei einer noch immer ziemlich erfolgreichen Industrie für Benziner und Dieselaggregate und enden bei der noch immer ziemlich desaströsen Lage der Ladestationen. Berlin ist nicht Oslo, über das Alexandra Felts auf «Zeit Online» berichtet, es komme ihr vor, «als würden Ladestationen so häufig wie Parkuhren bereitstehen».

Die Skandinavier machen offensichtlich einiges besser – Ölvorkommen sei Dank. Norwegens Finanzministerium bezuschusst E-Fahrzeuge grosszügig, deutsche Automobilisten hingegen halten die staatliche Kaufprämie von 2000 Euro in der Mehrzahl noch immer für einen Scherz. Es steht eben noch in den Sternen, ob Deutschland tatsächlich «auf einem guten Weg ist, Leitanbieter und Leitmarkt für Elektromobilität zu werden», wie der dritte Fortschrittsbericht zur «Nationalen Plattform Elektromobilität» behauptet.

Tatsache ist: Eine ganze Industrie wartet auf den richtigen Augenblick. Sie muss zumindest ihre Fähigkeit erhalten, die Produktion am Umschlagpunkt von fossilem zu elektrischem Antrieb schnell hochzufahren. Wie schnell dieser Augenblick verpasst ist, zeigen Beispiele wie Kodak und Nokia, beide lange Zeit gleichbedeutend mit Standards bei Fotografie und Mobilfunk. Dann kamen digitale Game-Changer, und alles war anders. Fortschritt ist manchmal doch keine Schnecke, wie Günter Grass schrieb, sondern ein Storch, der alle Schnecken von der Autobahn fegt.