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Wo Luxus Tradition hat
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Einst waren es die Architekten der Donaumonarchie, die an der Küste von Opatija bauten, dann folgte ein Bauboom unter Tito. Nach dem Jugoslawienkrieg sollte Qualität an erster Stelle stehen, doch gelang dieser Versuch nicht. Erst heute führt ein neuer Aufschwung die Geschichte von einst fort: Es wird spannend.

12. August 2017 - Iris Meder
In Regen auf den Semmering. Im Coupé Adolf Loos, über sein Haus am Michaelerplatz, die Angriffe, über Altenberg etc.“ Das waren noch Zeiten, als man, wie hier Arthur Schnitzler, im Zug einen Plausch mit Adolf Loos halten konnte. Dass der Semmering mit seiner ganzen Hotel- und Villenarchitektur ein rein auf Profit ausgerichtetes Investorenprojekt der Südbahngesellschaft war und architektonische Klasse zugunsten eines – bestenfalls – gefälligen Mainstreams kaum eine Chance hatte, tat seiner Beliebtheit auch bei versnobten Intellektuellen und Architekten wie Loos keinen Abbruch.

Als Ende 1879 die Steuerbefreiung der Südbahngesellschaft auszulaufen drohte, versprach ihr Direktor Friedrich Julius Schüler bei Verlängerung der Steuerbefreiung den Bau von Kur- und Hotelanlagen zur Attraktivierung der Gegend nach dem Vorbild von Toblach. Villengrundstücke wurden Bauern billig ab- und mit Gewinn verkauft, 1881 entstand das Südbahnhotel. Der von der Arbeitsgemeinschaft Wildhack & Morpurgo mehrmals erweiterte Hotelkasten ist mit seinen Anhäufungen pittoresker Motive ein ziemlich verhauter Komplex. Das Innere des leer stehenden Hotels, das gelegentlich für Theateraufführungen genutzt wird, beeindruckt aber immer noch mit seinen riesigen Sälen und der bis zu den Toilettenbereichen erhaltenen Einrichtung.

Während es bürgerliche Intellektuelle wie Schnitzler ins Südbahnhotel zog, dürfte sich Loos nach der gemeinsamen Zugfahrt eher ins Panhans begeben haben, das Hotel des früheren Südbahn-Restaurantpächters Vinzenz Panhans, von den Architekten Fellner & Helmer 1913 im Stil eines Schweizer Lungensanatoriums auf eine gigantomanische Länge von fast 300 Metern mit 400 Zimmern auf fünf Etagen erweitert.

Schnitzler hingegen blieb gelegentlich auch im Coupé sitzen und gelangte so nach Abbazia, heute Opatija, wo er wie sein Autorenkollege Richard Beer-Hofmann in der Villa Quisisana, dem heutigen Hotel Opatija, Quartier nahm. Wie das Südbahnhotel am Semmering war in Opatija das Quarnero der Brückenkopf der touristischen Entwicklung. Personal und Restaurantpächter kamen teils vom Semmering. Bald entstand ein zweites Südbahn-Hotel, das Kronprinzessin Stephanie (später Moskva, heute Imperial), das 1902 durch den Anbau des „Erzherzog-Ludwig-Viktor-Hallenbades“ attraktiviert wurde. Beide Hotels bauten Wildhack und Morpurgo, deren Bürogemeinschaft sich freilich baldnach der von massiven Kostenüberschreitungen geprägten Erweiterung des Hauses am Semmering auflöste.

Alfred Wildhack realisierte noch einige Villen in Opatija und am Semmering, während sich der aus einer Triestiner jüdischen Familie kommende Robert Morpurgo unter Zurücklassung seiner einer Südbahn-Investoren-Familie entstammenden Frau und eines großen Schuldenberges mit seiner Geliebten nach Amerika absetzte. Platzhirsch im Villenbau von Abbazia war Carl Seidl, ein Schüler Theophil Hansens. In Seidls pittoreskem mediterranem Zuckerguss-Historismus sitzt man auf der Caféterrasse des heutigen Hotels Milenj (Ex-Villa Hasslinger, Hotel Al Mare, Hotel Principe Umberto, Pension Hausner und Hotel Jadran) und in der Villa der Baronin Haas-Teichen, dem heutigen Hotel Ariston, auf dessen Sofas schon die Kennedys und Coco Chanel Platz nahmen. An der Villa entlang führt der vom „Abbazianer Verschönerungsverein“ angelegte zwölf Kilometer lange Lungomare zwischen Lovran im Westen und dem Fischerhafen Volosko, heute ein Agglomerat von Restaurants, im Osten, vorbei an der Villa Angiolina, die ebenfalls der Südbahngesellschaft gehörte und heute das Tourismus-Museum von Opatija beherbergt. Im Park begegnet Besuchern eine Büste des als Wohltäter des Ortes verehrten Südbahn-Developers Friedrich Julius Schüler.

Gegen ein Zuviel an schönbrunnergelber Mehlspeisen-Architektur sind in Opatija auch Kräutlein gewachsen – so steht in einem Palmenhain neben der Villa Quisisana das Erstlingswerk des slowenischen Otto-Wagner-Schülers Max Fabiani, das Kronprinzessin-Stephanie-Kurhaus für k. k. Staatsbeamte, heute Gesundheitszentrum. Sonst hatte die Moderne im frühen 20. Jahrhundert aber am Küstenland nicht mehr Chancen als am Semmering. Der Krieg machte der österreichischen Geschichte Opatijas ohnehin ein Ende. Abbazia wurde italienischund Italien sehr bald faschistisch. Diese Epoche hat im Ort kaum Spuren hinterlassen, anders als die Tito-Zeit, deren augenfälligstes Zeugnis das Hotel Ambasador ist.

Das Hochhaus an der Uferpromenade war ein ambitioniertes Projekt der 1960er-Jahre. Vom Museum moderner Kunst in Rijeka koordiniert, war der Bau des Architekten Zdravko Bregovac ein Gesamtkunstwerk mit Arbeiten der besten jugoslawischen Künstler ihrer Zeit: von Skulpturen von Dušan Džamonja und Wandgemälden von Edo Murtić über ein Grafikkonzept bis zu den Uniformen des Personals war das gesamte Erscheinungsbild durchdesignt. Nach einer durchgreifenden Sanierung ist davon praktisch nichts geblieben. Das Innere ist heute in jenem ubiquitären Hotelstil gehalten, den das Publikum offenbar goutiert. Ein weiterer Bau von Bregovac, das 1967 gebaute schlicht-elegante Hotel Paris, steht hingegen seit Jahren leer. Im benachbarten Ičići baute Bregovac das Ferienhaus von Ivo Robić, das sogar ein Plattencover des Sängers zierte. Robić vermachte das Haus der katholischen Kirche, die es zu einem Gotteshaus umbaute – im blauen Quader an der Hauptstraße wird heute die Messe gelesen.

Im Zeichen des Brutalismus steht das Hotel Adriatic, dessen sägezahnartig versetzte Zimmereinheiten den Blick auf Meer und Inseln inszenieren. Der Architekt Branko Žnidarec realisierte den Erweiterungstrakt mit Konferenzräumen 1970. Teils unsensibel umgebaut, lassen manche Bereiche des Inneren noch die räumliche Großzügigkeit des Entwurfs erkennen, der, Standard im damaligen Jugoslawien, weitläufig mit künstlerischen Arbeiten – hier spacigen Op-Art-Reliefs – ausgestattet wurde.

Nach dem Jugoslawienkrieg versuchte man in Opatija auf Qualität zu setzen. Einige Hotels wurden abgerissen, die Parzellen im Stadtzentrum bislang aber nicht neu bebaut. In manche der Villen und Pensionen zogen Sportwettencasinos. Aber vor wenigen Jahren hat der Architekt Idis Turato zwischen Volosko und Rijeka das Hotel Navis gebaut. Stylish, nicht billig, aber Luxus hat hier ja Tradition. Die Geschichte geht weiter.

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