Amerikas Pressemuseum ist angezählt

Eines der berühmtesten, aber offenbar nicht erfolgreichen Museen der Stadt Washington könnte bald geschlossen werden. Das «Newseum» vermochte seinen ambitionierten Bau nicht mit Inhalten zu füllen.

Ronald D. Gerste, Washington
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Das Rudiment einer Antenne vom Dach des World Trade Center steht im Zentrum der «9/11 Gallery» im Newseum. (Bild: Maria Bryk / Newseum)

Das Rudiment einer Antenne vom Dach des World Trade Center steht im Zentrum der «9/11 Gallery» im Newseum. (Bild: Maria Bryk / Newseum)

Gegensätzlicher könnte die Einschätzung der Medien entlang der politisch symbolträchtigsten Strasse der USA kaum sein. An der Pennsylvania Avenue 555 ist das Newseum vor allem in den touristisch starken Sommermonaten das Ziel vieler Besucher der amerikanischen Hauptstadt. Mit zahlreichen, oft interaktiven Displays und einem «4-D-Kino» erzählt es von mutigen Journalisten, die den politisch Verantwortlichen auf die Finger schauen, von Zeitungen und Fernsehsendern als Wächtern der Demokratie: So spielte die Lokalmatadorin, die «Washington Post», eine führende investigative Rolle in der Watergate-Affäre und trug entscheidend dazu bei, dass Richard Nixon 1974 zurücktreten musste – als bisher einziger amerikanischer Präsident.

An der Fassade des 450 Millionen Dollar teuren Komplexes sind die Schriftzüge des ersten, die Pressefreiheit garantierenden Verfassungszusatzes angebracht, in Schaukästen entlang der Strassenfront werden tagtäglich druckfrische Titelseiten von Zeitungen aus aller Welt ausgestellt. Im Newseum wird das Hohelied einer freien, kritischen Presse gesungen, wird heldenhaften Vertretern der Zunft – etwa dem Kriegsreporter Ed Murrow oder dem in Pakistan von Terroristen ermordeten Daniel Pearl – Tribut gezollt. Einige Blocks weiter, Hausnummer 1600 auf der Pennsylvania Avenue, sieht man die Medien ganz anders. «Sick people», kranke Leute, nannte der derzeitige Bewohner des präsidialen Amtssitzes den journalistischen Berufsstand erst vor kurzem.

Zwanzig prekäre Jahre

Urplötzlich gewinnt nun das Wort Deadline für die Gralshüter der Saga von der vierten Gewalt im Staate eine ganz neue Bedeutung. Was die sommerlichen Besucherschlangen vor den Kassen kaum vermuten liessen: Das Haus macht Defizite, und die Trägerin – das Freedom Forum, früher als Gannett Foundation bekannt –, welche im Lauf der letzten zwanzig Jahre rund 500 Millionen Dollar in das Museum gepumpt hat, macht nicht länger mit. Das weitläufige Gebäude, zu dem Konferenzräume und ein Restaurant von Starkoch Wolfgang Puck gehören, soll verkauft werden.

Die Fassade des Newseum verrät die Ambitioniertheit des Projekts. (Bild: Sam Kittner / Newseum)

Die Fassade des Newseum verrät die Ambitioniertheit des Projekts. (Bild: Sam Kittner / Newseum)

Dass der neue Besitzer dieses Grundstücks in allerbester Hauptstadtlage das Newseum in seinen technologisch aufwendig ausgestatteten Hallen belassen wird, kann als ausgeschlossen gelten. Auch für dort beherbergte Exponate wie den Wachturm von der innerdeutschen Grenze und die zerquetschte Antenne vom Dach des New Yorker World Trade Center wird man eine neue Bleibe suchen müssen.

Die Institution, die Gegenwart und Geschichte primär amerikanischer Medien bis zurück in die Zeit vor der Amerikanischen Revolution beleuchtet, kann auf zwanzig Jahre einer manchmal prekären Existenz zurückblicken. 1997 wurde das erste Museum im nahe der Bundeshauptstadt gelegenen Arlington eröffnet, dessen Hauptattraktion der Nationalfriedhof ist. Dann ging man aufs Ganze: Im Jahr 2000 wurde der Umzug an die Pennsylvania Avenue verkündet, im April 2008 das in der Tat grandiose Gebäude eröffnet.

Die inhaltliche Arbeit entsprach dem ambitionierten Umfeld freilich nicht immer. Dass eine Ausstellung über die Hunde der Präsidenten das Verständnis von der Wächterfunktion der Medien beim Publikum schärft, darf guten Gewissens bezweifelt werden. Auch gegenwärtig scheinen die Planer eher planlos: Ab nächstem Monat wollte man anlässlich des 100. Geburtstags von John F. Kennedy erneut eine Ausstellung mit Bildern des Kennedy-Hoffotografen Jacques Lowe zeigen. Der Geburtstag war freilich schon im Mai, und die Ausstellung «Creating Camelot» hat jeder JFK-Fan im Umkreis von 100 Meilen um die Hauptstadt bereits 2013 gesehen, als der 50. Todestag des Präsidenten begangen wurde.

Zu eitel?

Solche Schwächen werden nun nach Bekanntgabe der Verkaufsabsicht von Washingtoner Medien fast genüsslich den doch recht üppigen Salären der Museumsleitung gegenübergestellt. Das Magazin «Politico» jubiliert geradezu, dass das Newseum, das viele vor allem als Emblem der Eitelkeit eines sich in den USA manchmal tatsächlich überschätzenden Berufsstandes sehen, endlich vor dem Exitus steht. 30 Millionen Dollar Verlust pro Jahr, so hört man, habe es gemacht.

Dazu mag mittelbar auch die Preispolitik des Hauses beigetragen haben: Entlang der Washingtoner Mall reihen sich Weltklassemuseen, bei denen der Eintritt ausnahmslos frei ist – das Air and Space Museum, das American History und das Natural History Museum sowie die Hirshhorn Gallery, die alle zur Smithsonian Institution gehören, dazu die National Gallery of Art. Angesichts solcher Konkurrenz lag in der Erwartung, Besucher würden leichten Herzens fast 25 Dollar ausgeben, um einem Berufsstand zu huldigen, der in Umfragen zu den am wenigsten angesehenen Professionen der USA gezählt wird, vielleicht schon der Keim des Untergangs.