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anthos 2017/03
Partizipation
anthos 2017/03
zur Zeitschrift: anthos
Herausgeber:in: BSLA

Breit angelegte Konsultation in der Stadt Neuenburg

Der erste Schritt der partizipativen Massnahme «Zentrum und Bahnhof: Mobilität und öffentliche Räume» in Neuenburg bestand aus einem öffentlichen Abend zur Einführung und Konsultation. Danach standen spezialisierten Akteuren fünf Workshops zur Verfügung, bevor die Ergebnisse im Rahmen eines weiteren öffentlichen Abends wiedergegeben wurden.

Die Idee zur Konsultation der Bevölkerung entstand 2013 nach der Volksbefragung, bei der über 60 Prozent der Befragten ihre Ablehnung eines Kredits zur Neugestaltung des Platzes Numa-Droz im Stadtzentrum von Neuenburg ausgedrückt hatten. Das führte zu vertieften Überlegungen seitens des Gemeinderats (Exekutive). Da nun die Notwendigkeit, die Bevölkerung besser an der Erarbeitung von Projekten zu beteiligen, offensichtlich geworden war, wurde im März 2014 eine erste partizipative Massnahme «Centre et Rives» (Zentrum und Ufer) eingeleitet. Im Herbst 2015 folgte darauf die Massnahme «Centre et Gare» (Zentrum und Bahnhof), in der es um die Zukunft von drei neuen Bereichen ging. Die breit angelegte Anhörung war die Antwort auf die wiederholte Aufforderung zur Entwicklung einer globalen und kohärenten Sicht auf die Mobilität sowie die Gestaltung ­öffentlicher Räume.

Vor- und Nachteile des Konsenses

Im Laufe des Einführungsabends für die Massnahme «Zentrum und Bahnhof» konnten die rund 150 anwesenden Personen nach einem informativen Teil ihre jeweiligen Erwartungen formulieren. In den fünf folgenden Workshops wurden die ungefähr dreissig Teilnehmer, die als VertreterInnen der unterschiedlichsten Vereinigungen und Organisationen im Zusammenhang mit Mobilität, Handel, den Bewohnern oder auch der Architektur erschienen, zuerst beauftragt, ihre Prinzipien der Mobilität und der ­Gestaltung öffentlicher Räume zu erstellen und dann einvernehmlich Vorschläge für die verschiedenen betroffenen Bereiche zu erarbeiten. Sie konnten ­dabei durchaus kreativ vorgehen, sollten zugleich jedoch die Vorschläge aus dem Einführungsabend sowie die Ziele des politischen Programms, der Charta für eine nachhaltige Mobilität in der Stadt und der Machbarkeitsstudien des Agglomerationsprogramms berücksichtigen. Um übernommen zu werden, mussten die Vorschläge die Zustimmung sämtlicher Anwesender erhalten (Konsensregel). Ein Team der Studien­gemeinschaft für Raumplanung (Communauté d’étude de l’aménagement du territoire CEAT) der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne EPFL moderierte die Veranstaltung und sorgte für methodische Kohärenz und einen Ablauf ohne Voreingenommenheit.

Die Methode der konsensgestützten Arbeit weist Vor- und Nachteile auf: Einerseits ermöglicht sie, eine Auswahl innerhalb der Vorschläge zu treffen, und den übernommenen Vorschlägen somit eine grosse Durchschlagskraft zu verleihen; andererseits beschränkt sie die Möglichkeiten, sich neuen Lösungen hinzuwenden, da es reicht, wenn ein einziger Teilnehmer sich einem Vorschlag entgegenstellt, damit dieser nicht übernommen wird.

Eine notwendige Hürde

Zum Abschluss der Workshops, während derer die Diskussionen lebhaft und zugleich respektvoll und konstruktiv waren, wurde dem Gemeinderat eine Zusammenfassung der Vorschläge übermittelt. Zur Fortsetzung der Untersuchungen verpflichtete er sich danach zu weiteren Schritten unter Berücksichtigung des partizipativen Ansatzes. Die Exekutive wollte die Einstellung der Bevölkerung kennenlernen, um ihre Vision auf deren Erwartungen zu stützen. Im Gegenzug drückten die Teilnehmer der Workshops mehrfach ihren Wunsch aus, die Vision des Gemeinderats in Bezug auf einige Themen kennenzulernen, da sie dazu gerne ihre Unterstützung oder ihre Ablehnung ausgedrückt hätten.

Der partizipative Ansatz «Zentrum und Bahnhof» bot den TeilnehmerInnen die Gelegenheit, die Vielfalt der Meinungen, die Komplexität der Projekte und die zahlreichen Zwänge wahrzunehmen, die bei der Erarbeitung von Entwürfen berücksichtigt werden müssen. Durch diesen Ansatz wurde ebenfalls eine bessere Wahrnehmung der Erwartungen der Bürger möglich – insbesondere in Bezug auf die gewünschte Verstärkung der Sicherheit und des Komforts für den Langsamverkehr sowie die Verbesserung der Qualität der öffentlichen Räume (Zusammenleben, Bepflanzung). Es konnte festgestellt werden, dass die Erwartungen der Bevölkerung mehrheitlich in Einklang standen mit den von der Stadtverwaltung durchgeführten Machbarkeitsstudien im Zusammenhang mit dem Agglomerationsprojekt.

Nun geht es darum, die Untersuchungen zu vertiefen und eine Strategie zur progressiven Durchführung für die angenommenen Massnahmen aufzustellen. Im Hinblick darauf wird dem Stadtrat (Legislative) im Lauf der kommenden Monate ein Bericht zum Antrag eines Projektierungskredits unterbreitet. Letztendlich wird das gesamte Gesicht von Neuenburg in zehn oder zwanzig Jahren neu gestaltet worden sein, und dieser partizipative Ansatz war sicherlich eine notwendige Hürde während dieses langen Prozesses.

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Für den Beitrag verantwortlich: anthos

Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haidd.haid[at]fischerprint.ch

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