Ein unterirdischer Prunkbau für Velofahrer beim Zürcher Hauptbahnhof

Für rund 14 Millionen Franken hat die Stadt Zürich bei der Sihlpost eine luxuriöse Velostation gebaut. Mit vielen Extras sollen Velofahrer dazu bewogen werden, ein Jahresabo für 180 Franken zu lösen.

Daniel Fritzsche
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Die Station bietet Abstellplätze für 1600 Velos. (Bild: Simon Tanner / NZZ)

Die Station bietet Abstellplätze für 1600 Velos. (Bild: Simon Tanner / NZZ)

Filippo Leutenegger ist im Element. Der FDP-Tiefbauvorsteher führt durch die neue Velostation Europaplatz, die seit Dienstag in Betrieb ist und Abstellplätze für 1600 Fahrräder bietet. «Willkommen in unserem Luxustempel», sagt er inmitten der grossen, unterirdischen Halle. Es ist angenehm warm, und alles ist hell beleuchtet. In durchbuchstabierten Reihen können die Fahrräder parkiert werden, ohne dass sie der Witterung ausgesetzt sind. Am Haupteingang grüssen Mitarbeiter von «Züri rollt», einem Integrationsprogramm der Asylorganisation Zürich. Sie passen auf die Velos auf und halten die Anlage in Schuss. «Dieser Komfort ist einmalig», schwärmt der Hausherr.

Über einen direkten Zugang erreicht man die SBB-Unterführung des Hauptbahnhofs und ist im Nu auf dem richtigen Perron. Für Spezialvelos wie zum Beispiel Lastenräder gibt es gesonderte Abstellplätze, genauso wie für E-Bikes, mit den dazugehörigen Ladestationen. Weiter im Angebot sind Schliessfächer, eine Pumpstation, eine Reparatur-Ecke, eine 24-Stunden-Videoüberwachung und ein automatisches Zutrittssystem.

Die neue Velostation beim Hauptbahnhof

All der Luxus hat seinen Preis. Rund 14 Millionen Franken liess sich die Stadt die prunkvolle Station kosten. Ein Teil davon wird aus dem Agglomerationsprogramm bezahlt. Der Bau geht auf eine Motion im Stadtparlament zurück. Der heutige Finanzvorsteher Daniel Leupi (gp.) reichte diese vor elf Jahren zusammen mit seinem Parteikollegen Bastien Girod ein. Tiefbauvorsteher Leutenegger bezeichnet die Investition heute als «wichtigen Meilenstein in der Veloförderung». Dies rechtfertige auch den hohen Preis. Schon heute führen viele «Velopendler» von ihrem Zuhause zu den Bahnhöfen, um dann mit dem öffentlichen Verkehr weiterzureisen. Mit komfortablen Velostationen wie dieser werde der Langsamverkehr weiter gefördert. Dies sei ganz im Sinne des Programms «Stadtverkehr 2025».

VCS ist skeptisch

Jetzt müssen nur noch die Velofahrer mitspielen. Die unterirdischen Parkplätze mit Rundumservice sind nämlich nicht gratis. Ein Tagesticket kostet pro Velo 2 Franken. Eine Monatskarte erhält man für 20 Franken und ein Jahresabo für 180 Franken. «Mit diesen Einnahmen möchten wir den Betrieb kostenneutral führen», sagt Leutenegger. Die Frage ist, ob die Zürcher das Angebot auch wirklich wahrnehmen werden. Bis jetzt parkieren sie ihre Räder gratis, wo es gerade passt. Ein Velo-Wildwuchs ist an vielen Stellen die Folge. Leutenegger dazu: «Ich denke, nach einer Weile werden viele merken, welche Vorteile die Station mit sich bringt.» Für einen kleinen Obolus erhalte man einen hervorragenden Service. Damit sich die Zürcherinnen und Zürcher davon überzeugen können, dürfen sie die Station bis Ende Oktober mit einem Probeabo kostenlos nutzen.

Ob dies reichen wird, um die Velofahrer zu überzeugen? Markus Knauss, grüner Stadtparlamentarier und VCS-Geschäftsführer, ist skeptisch. Zwar sei die neue Velostation tatsächlich «ein echter Gewinn». Damit das «wilde Parkieren» aber auch wirklich aufhöre, müsse ein Teil der neugeschaffenen Abstellplätze gratis zur Verfügung stehen, fordert er. Er spricht von etwa der Hälfte aller Plätze. An einem Treffen mit Stadtrat Leutenegger habe man sich darauf geeinigt, dass bis auf weiteres zumindest 350 oberirdische Gratisparkplätze entlang der Sihl erhalten bleiben sollen. Parallel dazu hat Knauss einen Vorstoss im Stadtparlament eingereicht.

Zum Wunsch, dass auch unterirdisch ein Teil der 1600 neuen Plätze kostenlos sein sollen, äussert sich Filippo Leutenegger auf Anfrage zurückhaltend. «Zumindest die Option sollten wir uns offenhalten», meint er. Beachten müsse man, dass sich zahlende Kunden gegenüber nichtzahlenden benachteiligt fühlen könnten.

Weitere Abstellplätze geplant

Langfristig werden in Zürich weitere grosszügige Velostationen entstehen – mit insgesamt 10 000 Abstellplätzen. Beim Stadelhofen sind 1000 unterirdische Plätze in Calatravas Architekturperle geplant; ähnliche Projekte sind bei den Bahnhöfen Altstetten und Hardbrücke vorgesehen. Weiter vorangetrieben wird auch der Velotunnel unter dem Hauptbahnhof hindurch. Dort sollen zusätzliche gedeckte Abstellplätze geschaffen werden. Insgesamt gibt es beim HB gemäss Leutenegger ein Potenzial von 5000 Stück.

Die Rampe die von der Seite der Sihlpost in den Tunnel führt, existiert bereits heute. Sie ist die Zufahrt der neueröffneten Luxus-Velostation. Bis die Velos unter dem HB durchflitzen können, wird es aber noch eine Weile dauern. Wegen hängiger Rekurse rechnet die Stadt mit einem Baubeginn erst im Jahr 2019.