Das Architekturbüro OMA hat ein Regierungsgebäude in Den Haag umgebaut. Zum Glück nicht nur im Zeichen der Transparenz.
Wenn ein Sitzungssaal für Aussenminister und Botschafter aussieht wie der War Room aus Stanley Kubricks «Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben», sollte das zu denken geben.
Nicht dass die Niederlande, wo dieser Raum namens «Grote zaal» zu finden ist, ein furchteinflössendes Land wären. Nach sieben Monaten Koalitionsverhandlungen haben sich die nun Regierenden unter Ministerpräsident Mark Rutte auf ein Programm geeinigt, das den für seine fremdenfeindlichen Parolen über die Landesgrenzen hinweg bekannten Geert Wilders in die Opposition verweist. Dennoch muss es doch Auswirkungen auf Politiker haben, wenn sie sich in einer Kulisse einfinden, in der in den sechziger Jahren eine aufgeregte Krisensitzung zur atomaren Aufrüstung der Sowjetunion stattgefunden hat.
1964 erschien der «War Room» auf den Kinoleinwänden. Die Vereinigten Staaten leiteten von dort aus die atomare Apokalypse ein, die Kubrick so satirisch wie real inszenierte. Der Filmsetbauer Ken Adam entwarf den abgedunkelten Saal mit seinem verschwörerischen Tischkreis und einer Weltkarte als Wandpanorama. Nun taucht er in Den Haag wieder auf. Nur die Weltkarte wurde in eine supergeheimnisvoll beleuchtete Weltkugel verwandelt, auf die schwarz verkleideten Wände wurden statt ihrer Umrisse von Schiffen gedruckt. Und die Fensterlöcher sind verschwunden: Zum Schutz der Amtsträger muss dieser Raum abgeschirmt werden von der Aussenwelt – Scharfschützen identifizierten selbst Silhouetten, erklärt Ellen van Loon vom Rotterdamer Office of Metropolitan Architecture OMA, die das gesamte Gebäude für zwei Ministerien, darunter das Aussenministerium, und zwei Behörden umbaute.
Man sollte annehmen, dass diese Absicherung so ein Regierungsgebäude, das den seltsamen Namen seiner Adresse, Rijnstraat 8, trägt, gänzlich prägt. Als potenzielle Anschlagsziele von Terroristen gelten sie die Häuser von Politikern seit eh und je. Die Sicherheitsvorschriften verschärfen sich durch Anschläge wie jetzt wieder in New York City zusätzlich weltweit. Abgesehen vom «Grote zaal» ist davon an der Rijnstraat 8 jedoch kaum etwas zu spüren. Im Gegenteil.
Das Gebäude liegt direkt gegenüber dem Hauptbahnhof, täglich passieren Hunderte von Menschen, für sie räumte die Architektin den Weg sogar frei. Sie sorgte dafür, dass ein Teil des Bestandes im Erdgeschoss Platz macht für eine zweite Fussgängerunterführung. Die erste hatte bereits der Architekt des Gebäudes Jan Hoogstad vorgesehen. Aber seine 1992 gesetzten Standards hielten den Umweltrichtlinien und veränderten Arbeitsbedingungen nicht mehr stand, OMA sollte die engen Büros und Flure und das alte Belüftungssystem abschaffen.
Ellen van Loon setzte sich darüber hinaus noch für andere Umbauten ein. Anders als der neue Saal à la Kubrick wirken diese nur nicht wie Bausteine einer Verschwörungstheorie. Der alte Kopf des Gebäudes aus Beton wurde verglast, so gewinnt jeder auf den 16 Etagen einen Ausblick über das flache Land bis nach Rotterdam. Und die Architektin öffnete den Eingangsbereich. Theoretisch kann dort nun jeder neben merkwürdigen weissen Plasticgrashalmen verschnaufen. Dabei werden selbst die, die durch die Drehschleusen gehen dürfen, nicht von Sicherheitsbeamten abgetastet. Manche Ecken des Gebäudes, etwa jene hinter den Vorhängen von ineinander verschachtelten Konferenzkabinen aus Glas, vor schwarz bemalten Wänden oder zwischen in den Fussboden gepflanzten Bäumen, geben einem sogar das Gefühl, endlich einmal nicht unter Beobachtung zu stehen.
Für weitläufige Grossraumbüros, die auf die derzeit von allen Bauherren in Beschlag genommene Metapher «Transparenz» setzen, wirkt dieses fast schon wie eine Ausnahme. Gewinnt also damit der gläserne Angestellte das Recht auf Geheimnis zurück? Hoffentlich.