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db deutsche bauzeitung 12|2017
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Geborgener Schatz

Sammlungs- und Forschungszentrum der Tiroler Landesmuseen in Hall in Tirol (A)

Bei einem Museumsbesuch konzentriert sich alles auf die Exponate. Dass diese aber auch gelagert, untersucht und restauriert werden müssen, bleibt dabei unbemerkt. Wie umfangreich und anspruchsvoll das Raumprogramm jedoch auch für diese Anforderungen ist, zeigt das neue Sammlungs- und Forschungszentrum (SFZ) der Tiroler Landesmuseen nahe Innsbruck.

1. Dezember 2017 - Anke Geldmacher
Der Neubau befindet sich auf dem Areal des ehemaligen Landesbauernhofs in Hall in Tirol – außerhalb von Naturgefahren, verkehrstechnisch gut angeschlossen und für alle Landesmuseen zentral gelegen. Bisher gab es elf verschiedene Depots an acht Standorten, die jetzt zusammengelegt wurden. ­Exponate müssen nun nicht mehr umständlich durch die Gegend gefahren werden und auch für die Mitarbeiter entfällt das Pendeln zwischen mehreren Standorten. Außerdem wird in den Landesmuseen so wertvolle Ausstellungsfläche frei. Zusätzlich zu den Lager-, Büro- und Forschungsräumen wurden auch moderne Werkstätten untergebracht, die sowohl für die Museen als auch für das Depot selbst arbeiten.

Der flache, dunkle Baukörper wurde in den Hang eingegraben. Man könnte sich aber ebenso gut vorstellen, dass hier eine Schatztruhe ausgegraben wurde, die nun entdeckt werden will. Wie bei der klassischen Schatztruhe geht es auch beim SFZ in erster Linie um den wertvollen Inhalt: Nicht weniger als der »Kunstschatz Tirols« wird hier aufbewahrt. Dabei handelt es sich nicht um ein opulentes Einzelstück, sondern um Millionen historischer Kostbarkeiten aus Tiroler Landesmuseen mit einem geschätzten Wert von über einer Milliarde Euro. Dazu gehören Gemälde, ein Fuß einer Mumie, Skulpturen, Möbel, Musikinstrumente sowie eine Million konservierter ­Alpenschmetterlinge. Dass man solch einen Schatz nicht im Pappkarton aufbewahrt, versteht sich von selbst, daher macht auch die »Verpackung« etwas her.

2013 lobte das Amt der Tiroler Landesregierung einen offenen Wettbewerb aus, den franz & sue aus Wien – damals noch Franz Architekten – für sich entscheiden konnten. »Hier konnten wir die Traumansicht eines Architekten zeichnen: Vier Linien sonst nichts, und es ist tatsächlich so geworden«, erinnert sich Erwin Stättner, einer der fünf Geschäftsführer des Architekturbüros. Denn nach außen präsentiert sich das SFZ ganz geschlossen mit seiner dunklen, an eine Rüstung erinnernden Fassade aus glasfaserverstärkten Beton­platten (FibreC). Für die Ausbuchtungen in einigen der Platten wurde ein XPS-Abdruck eines originalen Faustkeils erstellt. Der zähflüssige Beton läuft über diese Form und wird nach dem Trocknen in die richtige Plattengröße ­geschnitten. Nur der Eingang, die Anlieferung und die Schreinerei haben Öffnungen, und selbst diese sind nur zu Betriebszeiten bzw. bei Bedarf geöffnet. Tritt man durch das große, rote Eingangsportal, versteht man schnell das »Zwiebelprinzip«, nach dem einzelne Funktionen von außen nach innen angeordnet sind. Im äußersten Ring befinden sich die Depotflächen, danach folgt ein Erschließungsgang, im Kern befinden sich dann die Arbeits- und Atelierräume rund um ein begrüntes Atrium.

Natürliches Holz, Glas und viel Grün sorgen für eine freundliche, einladende Atmosphäre im Innenhof, der gern für eine Pause genutzt wird. Betrachtet man jeweils ein Foto von Innen und Außen, kommt man kaum darauf, dass es sich um ein und dasselbe ­Gebäude handelt. So gesehen sind nicht nur die Exponate, sondern auch das Atrium der Schatz, den man von außen nur erahnen kann.

Aufgrund des wertvollen Inhalts ist das Gebäude nicht öffentlich zugänglich. Um die Exponate zu schützen, hat auch jedes Depot eine Schleuse mit ­Doppeltür – um unerlaubtes Betreten zu verhindern, aber auch um das Raumklima zu schützen. Gewünscht waren möglichst wenig Technik und geringe Betriebskosten. Gleichzeitig erfordern insbesondere die Lagerräume ein konstantes Klima – 19 °C Temperatur und 50 % Luftfeuchtigkeit. Ähnlich wie bei einem Weinkeller entstand die Idee, den Großteil des Gebäudes einzugraben und auf umfangreiche Klimatechnik zu verzichten – Basisklimatisierung durch Erdreich. Ganz ohne Klimatechnik kommt das Gebäude natürlich nicht aus: Ein 0,1-facher Luftwechsel sorgt für einen kontinuierlichen Luftaustausch in den Räumen. In den Depots wurde zudem ein feuchtigkeitsregulierender Kalkputz aufgebracht. Die vermeintlich einfachen Lösungen sind nicht immer die günstigsten: Der Aushub war mindestens genauso teuer wie eine technische Klimatisierung gewesen wäre. Auf lange Sicht ist diese Variante dann aber doch günstiger, da ja ein Großteil der Betriebskosten wegfällt. Außerdem ist diese Lösung quasi wartungsfrei.

Im Innenraum dominieren Sichtbetonwände, mineralischer Boden und Holzwolle-Deckenplatten. Aufgelockert wird die eher kühle Gestaltung durch rote Details wie die Sitzbank im Eingangsbereich, das Leitsystem an den Wänden und das markante Treppenauge. Alles an und in diesem Gebäude wirkt logisch und am rechten Platz.

Das liegt u. a. am festen Raumprogramm, da Lagergrößen, Technik, Labore und insbesondere die ­klimatischen Bedingungen nicht flexibel waren. Und genauso pragmatisch und konsequent machten sich die Architekten an die Bauaufgabe, immer in enger A­bstimmung mit dem Bauherrn: Da eine innenliegende Entwässerung zu ­große Risiken birgt, dass Feuchtigkeit ins Gebäude langt, wurde das vermeintliche Flachdach an allen Seiten um 2 ° nach innen geneigt, sodass zum Innenhof hin entwässert wird. Um die Trennung zwischen Laboren im inneren Ring und den Lagerflächen im äußeren zu verdeutlichen, war von Anfang an eine Deckenfuge geplant. Um auf Revisionsöffnungen in den Decken verzichten zu können, hat man alle Installationsleitungen an den Rand gelegt und aus der Fuge wurde ein 60 cm großer Abstand, der gleichzeitig als Revisionsgang dient. Auch die »runden Ecken« im Gang entstanden erst später: Zunächst waren sie »ganz klassisch« im 90 ° Winkel geplant. Im Laufe der Planung stellte man aber fest, dass ein bestimmter Schlitten aus dem Lager nicht um die Kurve kommt. Daraufhin wurden Schleppkurven gezeichnet und der nötige Radius ermittelt, damit der Schlitten vorbeipasst. »Im Nachhinein ­gefällt uns diese Lösung sogar besser als die eckige Variante«, so Stättner. Von einer Notlösung kann also nicht die Rede sein.

Eine Ausnahme im Gebäude bildet die Schreinerei: Hier fliegt Holzstaub durch die Gegend, es wird gebohrt und gesägt. Stöckelpflaster aus Eiche betont den handwerklichen Charakter und ist gleichzeitig sehr belastbar. Wegen der Anlieferung, aber auch wegen der Lärm- und Staubbelastung hat man sich dagegen entschieden, diesen Raum nach innen zu legen, nur weil er Öffnungen benötigt. Diese sind aber keine klassischen Fenster, stattdessen werden je nach Bedarf ein paar der Fassadenfelder aufgeklappt. Nach der Arbeit wird alles wieder geschlossen und nur ein sehr geschultes Auge erkennt, welche Felder geöffnet werden können. Und wenn man schon sucht, findet man vielleicht auch den kleinen roten Punkt, der die Stelle markiert, an die der Chip gehalten werden muss, um die Eingangstür aufzuklappen.

Ohne den Hilfspunkt müsste manch einer vielleicht mühevoll die Fassadentafeln abzählen, um Einlass zu erhalten. Aber eine Schatzkiste öffnet sich schließlich nicht einfach so.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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