Globusprovisorium soll abgebrochen werden

«Sechzig Jahre sind genug!», findet der Zürcher Stadtrat und schlägt vor, das vielgescholtene Globusprovisorium an der Bahnhofbrücke abzubrechen. Der Coop soll in den Untergrund ziehen, an der Oberfläche gibt es ein Plätzchen mit Pavillon.

Adi Kälin
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So soll es dereinst bei der Bahnhofbrücke aussehen: Bäume, Park und Pavillons prägen das Bild. (Bild PD, Nightnurse Images)

So soll es dereinst bei der Bahnhofbrücke aussehen: Bäume, Park und Pavillons prägen das Bild. (Bild PD, Nightnurse Images)

Über kaum ein städtebauliches Thema ist in Zürich intensiver und länger debattiert worden als über das Globusprovisorium. 1960 ist es nach den Plänen des Architekten Karl Egender erbaut worden und diente ein paar Jahre dem Warenhaus Globus als Geschäftslokal – bis dessen Neubau an der Bahnhofstrasse 1967 eröffnet wurde. Danach konnte das Provisorium überhaupt nur stehenbleiben, weil die Stimmbürger 1968 ein früheres Bauverbot wieder aufhoben.

Gemeinderat setzt sich durch

Die NZZ freute sich damals über den Volksentscheid, warnte aber davor, das Provisorium allzu lange stehen zu lassen. Denn sonst werde der Goodwill der Stimmbürger für eine Neugestaltung des Limmatraums wohl wieder verscherzt. Seither sind wieder fünfzig Jahre vergangen, in denen zwar Pläne und Nutzungsideen entwickelt worden sind, letztlich aber nichts davon überzeugen konnte.

Das Globusprovisorium aus den 1960er-Jahren sollte eigentlich bereits vor langer Zeit abgerissen werden. Doch es steht und polarisiert bis heute. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
14 Bilder
Die Baugeschichte auf dem sogenannten Papierwerdareal ist lang und ereignisreich. Eines der ältesten Zeugnisse im Baugeschichtlichen Archiv ist dieser Stich von R. Dikenmann um 1890. (Bild: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
1892 wurde auf dem Areal, das damals noch eine Insel war, mit dem «Weber's Bazar» das erste grosse Warenhaus der Schweiz eröffnet. Eine Hauptattraktion sind die elektrisch beleuchteten Schaufenster. (Bild: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
Auch um 1910 ist die Limmat noch bebaut. Zu sehen sind der untere und der obere Mühlesteg sowie das Papierwerdareal mit dem gedeckten Brüggli, das die Insel mit dem Bahnhofquai verband. (Bild: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
Ab 1896 wurde für das moderne Kaufhaus der Firmenname «Globus» verwendet. Hier eine Aufnahme vom Mittagsverkehr im September 1930. (Bild: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
Aufgrund einer neuen Abflussregulierung des Zürichsees greifen die Behörden 1943 zu einer radikalen Lösung: Die Bauten des oberen Mühlestegs werden abgebrochen. (Bild: Wilhelm Gallas / Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
Sechs Jahre später folgt der Abbruch des unteren Mühlestegs. Im Hintergrund das alte Globus-Gebäude. (Bild: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
Ebenfalls 1949 legt Karl Egender ein Projekt für ein neues Warenhaus auf dem Papierwerdareal vor. Das Gebäude ist jedoch deutlich höher und länger als ein ursprünglich vorgelegtes Projekt. Das löst heftige Reaktionen aus und mündet in der Motion «Freie Limmat». (Bild: gta Archiv)
1950 wird der alte Globus abgebrochen. Das Warenhaus zieht ins Provisorium im Linthescher-Schulhaus an der Bahnhofstrasse. (Bild: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
Die Motion «Freie Limmat» wird in der Volksabstimmung 1951 tatsächlich angenommen. Die Stadt erwirbt daraufhin die Rechte am Baugrund, es darf jedoch nichts Dauerhaftes mehr gebaut werden. (Bild: PD)
Es kam jedoch bekanntlich anders: Das 1960 als Provisorium gebaute Gebäude diente Globus bis zum Bezug des Neubaus an der Bahnhofstrasse 1967 als Hauptsitz. Ein Jahr später wird in einer Volksabstimmung der Abbruch des Provisoriums verhindert. (Bild: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
Im Zuge der noch jungen 68er-Bewegung wird das Globusprovisorium zu einem Hauptschauplatz der Schweizer Jugendunruhen. In der Nacht vom 29. auf den 30. Juni 1968 kommt es vor dem ehemaligen Warenhaus zu schweren Strassenschlachten zwischen der Polizei und Demonstranten, die ein autonomes Jugendzentrum fordern. (Bild: Keystone Photopress-Archiv)
Danach bleibt es länger ruhig um das Papierwerdareal. Es gibt zwar immer wieder Projektwettbewerbe und städteplanerische Vorschläge, wie das Areal genutzt werden soll. Auch der spektakuläre Hochhaus-Entwurf des Chicagoer Architekturbüros Murphy/Jahn von 2004 verschwindet aber schnell wieder in der Schublade. (Bild: PD)
«60 Jahre sind genug», sagt nun der Stadtrat und präsentiert die neuesten Pläne für das Areal. Das Provisorium soll endgültig abgerissen werden und einem Park mit Pavillon und Bäumen weichen. Im ersten Untergeschoss ist ein Grossverteiler, im zweiten Untergeschoss ein Parkhaus geplant. (Bild PD, Nightnurse Images)

Das Globusprovisorium aus den 1960er-Jahren sollte eigentlich bereits vor langer Zeit abgerissen werden. Doch es steht und polarisiert bis heute. (Bild: Simon Tanner / NZZ)

Den vorläufig letzten Anlauf zu einer neuen Nutzung machten vor einigen Jahren die Grünliberalen mit einer Motion im Gemeinderat, worin eine Neugestaltung des Papierwerdareals verlangt wird – des Areals also, auf dem das Provisorium steht. Der Stadtrat wollte nicht so recht und schlug die Umwandlung in ein weniger verbindliches Postulat vor. Aber der Gemeinderat liess sich nicht beirren und überwies die Motion trotzdem. Stadtrat Filippo Leutenegger musste also eine Lösung suchen, um die Motion umzusetzen. Gefragt war ein «Platz mit möglichst flexiblen, temporären Nutzungsmöglichkeiten» und ein aufgewerteter Zugang zur Limmat.

Plätzchen und Pavillon

Die Vorgaben waren klar, der Stadtrat deshalb auch sehr eingeschränkt bei der Neuplanung. Herausgekommen ist mehr oder weniger, was bestellt wurde. Man habe eine Machbarkeitsstudie und anschliessend eine Vertiefungsstudie gemacht, schreibt der Stadtrat in einer Mitteilung vom Donnerstag. Bei allen Varianten sei man aber davon ausgegangen, «dass das oberirdische Gebäude einem offenen Platz mit einem Pavillon weichen muss». Die Visualisierungen zeigen, wie es aussehen könnte: Bäume, Bänke und ein Pavillon prägen das Bild.

Blick vom geplanten Park zum Central. (Bild: PD / Nightnurse Images)

Blick vom geplanten Park zum Central. (Bild: PD / Nightnurse Images)

Eine überraschende Änderung gibt es allerdings: Der Stadtrat möchte im ersten Untergeschoss nach wie vor einen Grossverteiler unterbringen, im zweiten Untergeschoss dann ein Parkhaus. Damit könnten auch oberirdische Parkplätze in der Umgebung in den Untergrund verschoben werden. Eine Variante sieht vor, die bestehende Auto-Unterführung bis vor die Hauptwache Urania zu verlängern, damit mehr Platz für den neuen Park geschaffen würde. Der bestehende Mühlesteg soll zudem verlegt werden.

Um städtebaulich, raumplanerisch und verkehrsmässig gute Lösungen zu finden, will der Stadtrat nun einen Projektwettbewerb durchführen lassen. Er beantragt dem Gemeinderat einen Projektierungskredit von 4,1 Millionen Franken. Im Rahmen des Wettbewerbs sollen erneut verschiedene Varianten geprüft werden – mit und ohne Verlängerung der Unterführung. Der Stadtrat rechnet damit, dass 2021/22 ein Bauprojekt vorliegen, ein Jahr später dann mit dem Bau begonnen werden könnte.