Abriss des Globusprovisoriums entfacht bereits Diskussionen

Der Stadtrat hat am Donnerstag seine Pläne für die Zukunft des Papierwerdareals bekanntgegeben. Bei Partei-Vertretern geben Parkplätze und Verkehrsplanung indes mehr zu reden als der Abriss des Gebäudes von Architekt Karl Egender.

Nils Pfändler
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Das Globusprovisorium auf dem Papierwerdareal soll einem Park mit Pavillon weichen. (Bild: Simon Tanner / NZZ)

Das Globusprovisorium auf dem Papierwerdareal soll einem Park mit Pavillon weichen. (Bild: Simon Tanner / NZZ)

Die Reaktionen liessen nicht lange auf sich warten. Nachdem der Zürcher Stadtrat am Donnerstag seine Pläne für den Abriss des Globusprovisoriums bekanntgemacht hatte, reagierten die Grünen am schnellsten: Bereits zwei Stunden nach der Mitteilung des Stadtrats folgte ihre Antwort postwendend.

Die Partei betrachtet den Plan eines öffentlichen Platzes mitten im Zentrum zwar als «durchaus attraktiv», kritisiert die Verkehrsplanung aber harsch. «Der Stadtrat macht sich keinerlei Gedanken zur Lösung der Verkehrsprobleme», schreiben die Grünen. Besonders ärgerlich sei, dass an einem mit öffentlichen Verkehrsmitteln bestens erschlossenen Ort «im Stile der 1970er Jahre» ein Parkhaus errichtet werden soll. Es brauche eine grundsätzliche Interessenabwägung, sagt der grüne Gemeinderat Markus Knauss. Das Projekt müsse sorgfältig gegen den Abriss des «städtebaulich bedeutsamen Egender-Baus» abgewogen werden.

Vertreterinnen und Vertreter der anderen Parteien teilen diese Haltung in Bezug auf das Gebäude des Architekten Karl Egender nicht. «Das Provisorium muss weg», sagt Isabel Garcia von den Grünliberalen. Die GLP, deren Motion aus dem Jahr 2013 den Anstoss zu den gegenwärtigen Plänen gab, steht dem geplanten Stadtplatz auf dem Papierwerdareal durchwegs positiv gegenüber. «Das ist eine sehr gute Lösung», sagt Garcia und hebt den entstehenden Freiraum und den Blick auf die Limmat hervor. Das Egender-Gebäude möge zwar ein Zeitzeuge sein, im Gesamtbild sei es aber störend.

«Ich habe noch keinen Touristen gesehen, der dieses Gebäude fotografiert.»

Auch FDP-Stadtratskandidat Michael Baumer hat gegen einen Abriss nichts einzuwenden: «Ich habe noch keinen Touristen gesehen, der dieses Gebäude fotografiert.» Das Projekt des Stadtrats bezeichnet er als «sympathisch». Ein «Platzgewinn» an einem solch zentralen Ort sei nicht alltäglich. Weil in der Planung der Grossverteiler erhalten bleibt, ein neuer Platz mit Zugang zur Limmat entsteht und der Verkehr nicht eingeschränkt wird, seien viele verschiedene Bedürfnisse abgedeckt.

Patrick Hadi Huber von der SP würde dem «Providurium», wie er es nennt, nicht nachtrauern. Das Gebäude versperre die Sicht auf die Limmat, der neue Freiraum hätte grosses Potenzial. «Das Projekt wird das Gesicht der Stadt massiv verändern – im positiven Sinn», sagt der Gemeinderat. «Es ist unbestritten nicht das schönste Gebäude von Zürich», sagt auch der Zürcher SVP-Präsident und Nationalrat Mauro Tuena. Dennoch müsse man in der Planung aufpassen. Die Lösung mit den unterirdischen Parkplätzen sei genau zu prüfen, da das Parkieren nicht teurer werden soll. Der motorisierte Individualverkehr dürfe an diesem neuralgischen Punkt zudem auf keinen Fall drangsaliert werden. Ein Spurabbau komme nicht infrage.

Das Globusprovisorium aus den 1960er-Jahren sollte eigentlich bereits vor langer Zeit abgerissen werden. Doch es steht und polarisiert bis heute. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
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Die Baugeschichte auf dem sogenannten Papierwerdareal ist lang und ereignisreich. Eines der ältesten Zeugnisse im Baugeschichtlichen Archiv ist dieser Stich von R. Dikenmann um 1890. (Bild: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
1892 wurde auf dem Areal, das damals noch eine Insel war, mit dem «Weber's Bazar» das erste grosse Warenhaus der Schweiz eröffnet. Eine Hauptattraktion sind die elektrisch beleuchteten Schaufenster. (Bild: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
Auch um 1910 ist die Limmat noch bebaut. Zu sehen sind der untere und der obere Mühlesteg sowie das Papierwerdareal mit dem gedeckten Brüggli, das die Insel mit dem Bahnhofquai verband. (Bild: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
Ab 1896 wurde für das moderne Kaufhaus der Firmenname «Globus» verwendet. Hier eine Aufnahme vom Mittagsverkehr im September 1930. (Bild: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
Aufgrund einer neuen Abflussregulierung des Zürichsees greifen die Behörden 1943 zu einer radikalen Lösung: Die Bauten des oberen Mühlestegs werden abgebrochen. (Bild: Wilhelm Gallas / Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
Sechs Jahre später folgt der Abbruch des unteren Mühlestegs. Im Hintergrund das alte Globus-Gebäude. (Bild: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
Ebenfalls 1949 legt Karl Egender ein Projekt für ein neues Warenhaus auf dem Papierwerdareal vor. Das Gebäude ist jedoch deutlich höher und länger als ein ursprünglich vorgelegtes Projekt. Das löst heftige Reaktionen aus und mündet in der Motion «Freie Limmat». (Bild: gta Archiv)
1950 wird der alte Globus abgebrochen. Das Warenhaus zieht ins Provisorium im Linthescher-Schulhaus an der Bahnhofstrasse. (Bild: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
Die Motion «Freie Limmat» wird in der Volksabstimmung 1951 tatsächlich angenommen. Die Stadt erwirbt daraufhin die Rechte am Baugrund, es darf jedoch nichts Dauerhaftes mehr gebaut werden. (Bild: PD)
Es kam jedoch bekanntlich anders: Das 1960 als Provisorium gebaute Gebäude diente Globus bis zum Bezug des Neubaus an der Bahnhofstrasse 1967 als Hauptsitz. Ein Jahr später wird in einer Volksabstimmung der Abbruch des Provisoriums verhindert. (Bild: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
Im Zuge der noch jungen 68er-Bewegung wird das Globusprovisorium zu einem Hauptschauplatz der Schweizer Jugendunruhen. In der Nacht vom 29. auf den 30. Juni 1968 kommt es vor dem ehemaligen Warenhaus zu schweren Strassenschlachten zwischen der Polizei und Demonstranten, die ein autonomes Jugendzentrum fordern. (Bild: Keystone Photopress-Archiv)
Danach bleibt es länger ruhig um das Papierwerdareal. Es gibt zwar immer wieder Projektwettbewerbe und städteplanerische Vorschläge, wie das Areal genutzt werden soll. Auch der spektakuläre Hochhaus-Entwurf des Chicagoer Architekturbüros Murphy/Jahn von 2004 verschwindet aber schnell wieder in der Schublade. (Bild: PD)
«60 Jahre sind genug», sagt nun der Stadtrat und präsentiert die neuesten Pläne für das Areal. Das Provisorium soll endgültig abgerissen werden und einem Park mit Pavillon und Bäumen weichen. Im ersten Untergeschoss ist ein Grossverteiler, im zweiten Untergeschoss ein Parkhaus geplant. (Bild PD, Nightnurse Images)

Das Globusprovisorium aus den 1960er-Jahren sollte eigentlich bereits vor langer Zeit abgerissen werden. Doch es steht und polarisiert bis heute. (Bild: Simon Tanner / NZZ)