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db deutsche bauzeitung 2018|03
Tag und Nacht
db deutsche bauzeitung 2018|03

Stilvoll inszeniert

Erzbischöfliches Berufskolleg in Köln-Sülz

Was für ein Auftritt! Ein mehrfach geknicktes Gebäude schließt die Ecke zwischen Berrenrather und Universitätsstraße im (weiteren) Kölner Universitätsviertel ­ab und gibt der Straßeneinmündung in diesem von starkem Auto-Verkehr geprägten Areal endlich eine überzeugende Fassung. Herzstück des Projekts ist das organisch geformte Atrium, das gleichermaßen Verkehrsfläche, Begegnungsstätte, Aula und Lichtraum ist. Doch auch alle übrigen Bereiche des Gebäudes zeichnen sich durch eine sorgsame, differenzierte und wohlüberlegte Lichtplanung aus. Leider noch keine Selbstverständlichkeit.

5. März 2018 - Bernhard Schulz
Über Jahrzehnte zog sich die städtebauliche Ordnung dieses Areals ­hin. ­Bereits in den späten 60er Jahren entstand das Ensemble des Katholischen Studentenheims, das sich um ein wahres architektonisches Kleinod, die betonbrutalistische, skulpturale Kirche Hl. Johannes XXIII von dem Bildhauer Josef Rikus herum gruppiert. Nun schließt das Berufskolleg an diesen Komplex an und gibt ganz nebenbei auch der Kirche eine platzräumliche Fassung.

Auch farblich scheint das Kolleg auf die Kirche in rohem Sichtbeton antworten zu wollen. Der polygonal geknickte, von keinem Standort aus im Ganzen zu erfassende Bau nach einem Entwurf von 3pass Architekt/innen Stadtplaner/innen Kusch Mayerle BDA zeigt eine glatte Fassadenfläche, schließen doch die großen Fenster bündig mit der Fassade aus dänischen Klinkern ab. Aus der Fernsicht zeigen sich die Ziegel im Sonderformat von nur 4 x 22,5 cm der dänischen Firma »Petersen Tegl« als hellgraue Fläche, aus der Nahsicht hingegen farblich ungemein differenziert, von Hellgrau über verschiedene Grün-Grau-Töne bis zu dunklem Anthrazit abgestuft und selbstverständlich nach dem Zufallsprinzip über die Fassadenfläche verteilt.

Ein drei doppelte Flügeltüren breiter Haupteingang in dem schräg gegen die Straße und ihre Baufluchtlinie gestellten Bauteil lädt großzügig ins Innere ein. Sofort ist man im Hellen: Ein weitläufiges, gebäudehohes Atrium, gefasst durch die umlaufenden Galerien der drei Stockwerke, wird überwölbt von einer filigranen Stahlkonstruktion, die kein festes Dach, sondern eine semitransparente EFTE-Kunststoffhülle trägt. In der Untersicht scheint das insgesamt dreilagige Kunststoffgewebe abwechselnd konvex und konkav geschwungen, und zwar in nebeneinander liegenden Bahnen jeweils gegensinnig. Die drei Geschossgalerien sind organisch geformt, sie folgen ganz unterschiedlichen Kurvenverläufen, überlagern sich oder ziehen sich ­zurück. Der amöbenhaften Form der Öffnung gen Himmel folgt die Dachkonstruktion aus gegeneinander jeweils leicht schräg gestellten, segmentbogenförmigen stählernen Dachträgern unterschiedlicher Spannweite.

Differenziertes Lichtkonzept

Auffällig ist die Helligkeit im Gebäudeinnern. Das Tageslicht, so reichlich es durch die Kunststoffhülle einfällt oder besser -fließt, würde nicht ausreichen, um bis in die übereinanderliegenden, das Atrium umrundenden Balustraden und Verkehrsflächen zu gelangen. Das Konzept der Lichtplaner von Licht Kunst Licht sieht daher umlaufende Lichtbänder vor, die unmittelbar an den Rand der mit Holzwolle-Leichtbauplatten bekleideten Decken gesetzt sind. Sie zeichnen den Verlauf, die Kurvigkeit der Balustraden nach, sie verhindern, dass der Raum an den Rändern in unklare Dämmerung absinkt. Zugleich werden die Verkehrswege gleichmäßig von oben ausgeleuchtet. Die Anordnung der Lichtleisten in der Höhe bringt es mit sich, dass sie über die Türen aller Lehr- und Funktionsräume hinweggezogen werden können. Lediglich die »offenen Lernräume« bilden Aussparungen – Freiflächen, die durch großflächige Befensterung geradewegs nach außen, auf die viel befahrenen Straßen und die heterogene Stadtlandschaft dieses Areals schauen. Diese Zwischenzonen zwischen Lernen und geselligem Beisammensein sind zudem durch Parkett in dunklem Holz ausgezeichnet.

Grundsätzlich ist das Holz im Hause aber hell: Kiefern-/Fichtenholzlaminat in sehr weißer Beizung. Es hebt sich kaum von den Betonwänden ab. Türrahmen, Brüstungen, Geländer, Handläufe sind in Holz gehalten. Nur die Sonderräume Cafeteria und Bibliothek haben von den Innenarchitekten Keggenhoff & Partner dunkles Holz bekommen, als Parkettboden sowie gefaltete ­Decken und Wandbekleidung. Dunkles Holz ist auch das ­Material der »Lichtplomben« – Aussparungen in den Betonbrüstungen, in ­denen sich Lichtleisten mit sechs nebeneinander angeordneten Downlights verbergen. Sie dienen der besonderen Ausleuchtung etwa des großen Atriums, über dem eine an der Bedachung befestigte Beleuchtung von vorneherein ausschied. Im Übrigen dient das Atrium nicht nur als Verkehrsfläche, sondern kann auch für Veranstaltungen genutzt werden. Die einläufig hinaufführende Treppe, die gegenüber dem Haupteingang beginnt und das Atrium gegen seinen schmaleren Fortgang in die Tiefe des Gebäudes hinein begrenzt, hat in ihrem unteren Teil, zwischen EG und 1. OG, neben den Treppenstufen auch solche mit doppeltem Höhenabstand zum darauf Sitzen. Über den schmaleren Teil des Atriums führen Brücken, je nach Stockwerk unterschiedlich angeordnet, sodass sich in diesem hinteren Teil reizvolle Verschränkungen von Bauteilen je nach Blickwinkel des Betrachters ergeben.

Die Materialität des Gebäudes ist hingegen sehr klar und übersichtlich. Die Fassaden werden von den Klinkern geprägt; im Innern dominiert Sichtbeton alle Wände. Er ist glatt, nicht schalungsrau wie bei der benachbarten Kirche, ohne jedoch seine »einfache« Herkunft und Herstellung zu leugnen. Dazu kommt das Holz in zwei Helligkeitsstufen und das Metall der Fensterrahmen. Die Betonwände werden innerhalb der Schülerschaft kontrovers bewertet, ­wie Architektin Judith Kusch berichtet, die auch nach der Fertigstellung des ­Gebäudes in engem Kontakt mit Bauherren und Nutzern steht. Sie hebt ­zugleich hervor, dass es bislang auch nicht die geringsten Anzeichen von ­Vandalismus gibt.

Die Bibliothek verdient besondere Erwähnung. Sie ist im Grundriss an ­herausragender Stelle angeordnet: an der Gebäudeecke, die von beiden kreuzenden, verkehrsreichen Straßen umflossen wird. Große Fensterflächen ­machen sie im Wortsinne zum Schaufenster. Die vom Eingang her fächerartig sich spreizenden Bücherregale geben den Blick in die ganze Raumtiefe frei. Lesetische hingegen sind unmittelbar an den Fenstern angeordnet. Holzboden und Holzdecke exakt in jener Fläche, die die Regale aufspannen, unterstreichen den noblen Charakter. Es ist, als wollte das Berufsbildungskolleg hier, in unmittelbarer Nähe der Universität und ihrer zahlreichen Institutsbauten, ihren Anspruch als Bildungsstätte subtil, aber doch erkennbar unterfüttern. – Ehe nun allerdings Bedenken hinsichtlich des traditionellen Bildungsträgers Buch aufkommen, sei erwähnt, dass die Klassenräume durchweg auf gängigem Stand der Technik mit Whiteboards und dergleichen ­ausgestattet sind. Überhaupt die Klassenräume: Sie folgen der unregelmäßigen Form des Gebäudegrundrisses und sind ebenfalls polygonal geknickt. Dies wiederum bilden die Lichtleisten in der Decke ab, jeweils drei an der Zahl, die den ganzen Raum blendfrei ausleuchten. Sie alle sind, wie Projektleiterin Stephanie Große-Brockhoff betont, sorgsam vor Ort gefertigt und auf Gehrung geschnitten, um auch nicht den kleinsten dunklen Rest-Winkel zu lassen. Und natürlich bündig in die Decken eingepasst.

Die durchgängige Helligkeit des Gebäudes – und nebenbei erwähnt, aber alles andere als nebensächlich: die erstaunliche Ruhe aufgrund sehr wirksamen Schallschutzes – lässt keinen Zweifel darüber aufkommen, dass dies ein Lernort durch und durch ist, ein Ort der Konzentration, der Zielorientiertheit; und wenn man, mit Blick auf den katholischen Träger der Einrichtung, ketzerisch sein wollte, könnte man sagen: ein Ort protestantischen Bildungseifers. Doch der ist, wie soziologische Untersuchungen belegen, längst konfessions­übergreifend verankert.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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