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db deutsche bauzeitung 2018|03
Tag und Nacht
db deutsche bauzeitung 2018|03

Alpenglühen

Talstation der Giggijochbahn in Sölden (A)

Ein Lichtblick im österreichischen Skiparadies Sölden: Im vielfarbig schillernden Umfeld touristischer Einrichtungen strahlt die Talstation der neuen Giggijochseilbahn in jeder Hinsicht große Ruhe aus. Blickfang des markanten Bauwerks ist ein dezent illuminiertes, tag- und nachtwirksames Alpenpanorama.

5. März 2018 - Klaus Meyer
In der Werbung inszeniert sich der österreichische Skiort Sölden als »Hotspot der Alpen« – und genau so sieht er auch aus. An die Zeiten, als die Gemeinde im Tiroler Ötztal ein bäuerlich geprägtes Straßendorf war, erinnert allenfalls noch die Straße. Einige Gebäude links und rechts der kilometerlangen Ortsdurchfahrt geben sich zwar nach wie vor als Kuhstall, Tenne oder Rodelhütte aus, aber die Namen verweisen heute auf Cafés, Après-Ski-Lokale und Nachtclubs. Hinzu kommen Hotels, Pensionen, Sportbedarfs- und Modegeschäfte sowie einige wenige kommunale Bauten wie etwa das angenehm schlichte Gemeindehaus. Geprägt wird das Straßenbild indes von einer eklektischen Showarchitektur, die gern das Urige mit dem Coolen mixt und selbst tagsüber teilweise von Leuchtreklamen überstrahlt wird. Nachts vermag solch ein »Hotspot« durchaus zu faszinieren – vorausgesetzt man sieht ihn mit den Augen eines vergnügungshungrigen Skiurlaubers, anderenfalls kommt man sich schnell wie ein Taliban auf der Reeperbahn vor.

Technotrack versus Alpensymphonie

Doch es gibt zwei Bauwerke in Sölden, die sich nicht in dieses eindimen­sionale und etwas maliziöse Bild fügen. Es handelt sich um die Talstationen der beiden Seilbahnen, die insofern das ökonomische Rückgrat des Orts ­bilden, als sie das riesige Söldener Skigebiet erschließen und damit den touristischen Betrieb überhaupt erst ermöglichen. Sowohl die 2010 fertiggestellte Gaislachkogelbahnstation am südlichen Ortsausgang als auch ihr Pendant im Norden, die 2016 errichtete Giggijochbahnstation, können sich sehen lassen – bei Tage, aber auch in der glitzernden Söldener Nacht. Dann präsentiert sich die auf einem massigen Sockel errichtete Glashalle der südlichen Station als großer, vielfarbig schillernder Leuchtkörper. Licht dient hier der spektakulären Inszenierung der exponierten Seilbahntechnik; es ist laut wie ein Technotrack und feiert das Leben als knallbunten Spaß. Ganz anders wirkt der von einem leuchtenden Band umkränzte Turm der Giggijochbahnstation. Das ­heruntergedimmte Licht dient hier der Illumination eines umlaufenden ­Alpenpanoramas. Es ist blau. Es ist leise. Und es unterstreicht auf dezente Weise die fast sakrale Anmutung des hohen Turmbaus.

Beide Anlagen sowie die jeweils zugehörigen Bergstationen entstanden nach Plänen des Architekturbüros Obermoser aus Innsbruck. In Sölden ist Johann Obermoser so etwas wie der Baumeister vom Dienst. Auf dem Gaislachkogl hat er das mondäne Bergrestaurant »Ice-Q« errichtet, in dem 2015 Teile des James-Bond-Streifens »Spectre« gedreht wurden; unweit davon entsteht derzeit mit der Bond-Erlebniswelt »Elements 007« ein weiteres Werk des Innsbruckers. Von ihm stammt außerdem der Entwurf des Shuttle-Aufzugs, der von der Ortsmitte aus die niedriger gelegenen Abfahrten erschließt.

Im Übrigen hat sich Obermoser weit über Sölden hinaus als Seilbahnexperte einen Namen gemacht. Die Giggijochbahn ist sein sechstes Projekt dieser Art – und ein ganz besonderes dazu: Dank der vom Unternehmen Doppelmayr bereitgestellten Technik gilt die Anlage als die leistungsfähigste Seilbahn der Welt. Bis zu 4 500 Wintersportler vermag sie pro Stunde auf den Gipfel ihrer Träume zu transportieren.

Starker Solist auf grosser Bühne

Das Bauwerk verkraftet den Ansturm ohne Weiteres. Selbst in der Hauptstoßzeit zwischen 8 und 10 Uhr morgens, wenn die Skifahrer zu Tausenden anrücken, bilden sich keine Warteschlangen auf dem Vorplatz. Fortlaufend sickern die Massen ins Gebäudeinnere ein, wo sie von Rolltreppen, Aufzügen, Passagen und Einstiegszonen aufgenommen und rasch weitergeleitet werden. »Früher gab es hier Schlangen ohne Ende«, sagt Christoph Neuner, der das Bauvorhaben als Projektleiter begleitet hat. »Aber nicht nur in logistischer Hinsicht ließ die Vorgängerstation zu wünschen übrig, sie hat auch viel zu viel Raum beansprucht.« Da die neue Station auf verhältnismäßig kleinem Grund steht, hält sie Distanz zu den umgebenden Hotels, Gaststätten und Parkhäusern. Wie ein Solist auf weiter Bühne zieht sie die Blicke des Publikums auf sich.

Was von der nahen Hauptstraße aus wie ein runder Turm wirkt, entpuppt sich in der Seitenansicht als lang gestrecktes Volumen mit U-förmigem Grundriss. Die gefräste und hydrophobierte Betonschale des Baus kontrastiert sehr schön mit der Metallhülle der umlaufenden Bahnsteigebene, auf der die 10-Personen-Gondeln eintreffen und abfahren. Die Plattform wurde auf 13 m angehoben, um den Fußabdruck des Gebäudes auf dem Grundstück zu minimieren. Aber nicht nur deshalb. Durch die erhöhte Lage verringert sich der Anstiegswinkel der Seilzüge, was den Bahnbetrieb erleichtert. Außerdem ermöglicht der hohe Bahnsteig eine direkte Verbindung zur Skipiste und zum angrenzenden Parkhaus.

Auch in anderen Bereichen folgt die Formgebung den vielfältigen funktionalen Anforderungen auf eine Weise, dass die Nutzung des Zweckbaus zu einem ästhetischen Vergnügen wird. Das ist etwa bei den exponierten Rolltreppen der Fall. Oder der mehrgeschossigen Kassenhalle. Oder dem einsehbaren, vom Hauptgebäude abgerückten Spannschacht, in dem superschwere Gewichte die Stahlseile stramm ziehen. Gestalterisches Highlight des Ganzen ist aber zweifellos die Einstiegsplattform mit der verspiegelten Unterseite und dem perforierten Aluminiumschirm.

Ganz ohne Spots und Strahler

Die Löcher im Metallband formieren sich zu einem Panorama der Ötztaler Alpen, das je nach Tageszeit und Lichtstimmung unterschiedlich wirkt. Tagsüber tritt das Bild manchmal nur als abstrakte Grafik in Erscheinung; nachts, wenn die Hülle von blauem LED-Licht hinterleuchtet wird, entfaltet das Gebirgsmotiv eine plastische Wirkung.

Bei der Gestaltung und Ausführung der Installation arbeiteten die Architekten eng mit den Lichtplanern der Firma Bartenbach aus Aldrans zusammen. Dabei einigten sich die Beteiligten ziemlich schnell auf das zugrundeliegende Fotomotiv. Die Herausforderungen der Lichtplanung beschreibt Christoph Gapp, Projektleiter bei Bartenbach, folgendermaßen: »Zuerst galt es, das richtige Material zu finden. Dann ging es um die exakte Abstimmung von Materialdicke, Lochgröße und Anordnung der Bohrungen.

Schließlich mussten wir uns um die Lichtfarbe und die Positionierung der Leuchten kümmern.« Der Designprozess umfasste eine ganze Reihe von Versuchen, die sowohl im Lichtlabor bei Bartenbach als auch vor Ort in Sölden durchgeführt wurden. In Aldrans arbeiteten die Lichtplaner v.a. mit Simulationen, doch um Wirkung aus größeren Distanzen zu testen, kamen auch 1:1-Modelle zum Einsatz, die etwa an der Gaislachkoglbahnstation montiert wurden.

Zur Illumination bedarf es keiner besonderen Spots oder Strahler. »Zum Einsatz kommen lediglich die LED-Deckenleuchten, die für die Grundbeleuchtung des Einstiegsbereichs sorgen«, sagt Christoph Gapp. Normalerweise spenden die Leuchten tagsüber weißes und nachts blaues Licht, doch für besondere Anlässe stehen auch andere Farbstimmungen zur Auswahl. Im Übrigen sind es die reflektierenden Oberflächen der Plattform wie etwa die helle Betoninnenwand und der teilweise mit weißen Fahrbahnmarkierungen bedeckte Fußboden, die wesentlich zur stimmungsvollen Beleuchtung beitragen. Die Gesamtwirkung schließlich resultiert aus dem harmonischen Zusammenspiel von illuminiertem Metallband und dezent angestrahltem Turm.

Mit einer vergleichbaren Lichtinszenierung kann die Bergstation nicht aufwarten. Doch in rund 2 280 m Höhe geht es ja auch nicht darum, ein mittelprächtiges Umfeld durch ein starkes architektonisches Zeichen aufzuwerten. Im Gegenteil sollte sich die Architektur hier der starken Landschaft unterordnen – was die Station auch tut: Über einem Betonsockel, der die notwendigen Funktionen aufnimmt, schwebt als Wetterschutz eine folienbespannte Stahlkonstruktion, die das Volumen luftig und leicht erscheinen lässt. Da die Gondel-Garage innerhalb der Konstruktion untergebracht wurde, erübrigten sich zusätzliche Kubaturen in den Bergen. Auch der Tunnel, der die Station mit dem 200 Meter entfernten Restaurant verbindet, trägt zur Minimierung des Landschaftsverbrauchs bei. Alles in allem bereichert die neue Giggijochbahn die Feriengemeinde Sölden um zwei Attraktionen. Die auf dem Berg fördert den Fremdenverkehr, die im Tal stärkt darüber hinaus das Ortsbild.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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