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Pritzker-Preis für Architektur geht an Balkrishna Doshi
Pritzker-Preis für Architektur geht an Balkrishna Doshi © courtesy of VSF
Der Standard

Mit seinen Wohn-, Kultur- und Bildungsbauten will der 90-jährige Inder nicht zuletzt den Ärmsten in der Gesellschaft dienen

8. März 2018 - Wojciech Czaja
Es war nur eine Frage der Zeit, bis der sogenannte „Nobelpreis der Architektur“, nachdem er 2012 an den chinesischen Architekten Wang Shu vergeben wurde, endlich auch einmal an das zweitbevölkerungsreichste Land der Welt gehen würde. Heuer ist es so weit: Der renommierte, mit 100.000 US-Dollar dotierte Pritzker-Preis 2018 geht an den indischen Architekten Balkrishna Vithaldas Doshi.

Doshi steht seit fast 70 Jahren im Beruf und arbeitete in den 1950er Jahren bereits mit Le Corbusier zusammen. Zahlreiche Fotos aus dieser Zeit – der Schweizer Meister mit Anzug, Hut und Rundbrille, an seiner Seite der noch junge Doshi – zeugen von der intensiven Kooperation. „Ich verdanke diese Auszeichnung nicht zuletzt Le Corbusier, der mich gelehrt hat, Identitäten zu hinterfragen und neue Ansätze für ein ganzheitliches, nachhaltiges Wohnen und Leben zu erarbeiten“, so der Architekt und Stadtplaner, der heute in Ahmedabad lebt.

Doshi ist bekannt für seine an die Moderne angelehnten, oft brutalistischen, in Ziegel und Sichtbeton errichteten öffentlichen Bauten wie Konzerthallen, Universitätsgebäude und Administrationsbauten. Zu seinen wichtigsten Werken zählen das Institut für Indologie (1962, siehe Foto), die Tagore Memorial Hall (1966), die CEPT University (1966), an der er fast 50 Jahre lang weitergebaut hat, die Premabhai Hall (1976), das in grauem Stein errichtete Indian Institute of Management in Bangalore (1977), sein eigenes, 1980 errichtetes Sangath-Studio sowie die unterirdische Kunstgalerie Amdavad Ni Gufa (1994).

Low-Cost-Housing

Gleichzeitig aber, als würden zwei Seelen in seiner Brust schlagen, setzt sich der 90-Jährige, ewig jung Gebliebene schon seit Anbeginn für die Ärmsten in der Gesellschaft ein und entwickelt einfache Konzepte für Low-Cost-Housing – darunter etwa eine Wohnsiedlung für Textilarbeiter in Ahmedabad (1960), eine soziale Wohnhausanlage für die Life Insurance Corporation (1973) sowie die wie ein fröhlicher Punschkrapfen gestrichene Aranya-Siedlung in Indore (1989). „In seinen über 100 realisierten Projekten vereint Doshi die Tradition der indischen Architektur mit lokaler Arbeit, mit Vorfertigung und mit einem Bewusstsein für Geschichte und Kultur“, heißt es im Jury-Statement.

„Meine Arbeit ist eine Art Verlängerung meiner Lebensphilosophie, meines eigenen Körpers, meiner insgeheimen Träume“, sagt Doshi, der von 2005 bis 2007 selbst schon Pritzker-Juror war und den Preis nun vor allem dazu nutzen möchte, die indische Regierung zum Nachdenken anzuregen. „Die Regierung, die Behörden, die Städte und die Entscheidungsträger werden sich nun damit auseinandersetzen müssen, dass es auch so etwas wie gute Architektur gibt.“ Und die, meint der Architekt, der sich selbst 1954 den Eid abgerungen hatte, seine Arbeit nicht nur, aber auch der niedrigsten Einkommensklasse zu widmen, sei essenziell wichtig: „Architektur verwandelt Hütten zu Häusern, Gebäude zu Gesellschaften, und Städte zu Magneten voller Möglichkeiten.“ Der Pritzker-Preis, der bereits seit 1979 jährlich vergeben wird, wird am 16. Mai im Aga Khan Museum in Toronto übergeben.

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