Der Karikaturist ohne Zorn

Der Jubilar in seiner Ausstellung: Gustav Peichl vulgo Ironimus, geboren am 18. März 1928 in Wien.
Der Jubilar in seiner Ausstellung: Gustav Peichl vulgo Ironimus, geboren am 18. März 1928 in Wien.APA/HANS PUNZ
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Architekt und Zeichner Gustav Peichl wird 90. Die erste Feier fand in seinem Karikaturmuseum in Krems statt: Dort zeigt man nun seine Cartoons unter dem Motto „Jetzt mal keine Politik!“.

„Es ist gar nicht so gut, wenn man mit 90 so viel gelobt wird“, sagte Gustav Peichl, schalkhaft lächelnd, in eines der vielen ihm hingestreckten Mikrofone – und doch ertrug er das viele Lob mit Fassung und Würde.

Eine beeindruckende Menge von Menschen – darunter viele, die in Kultur, Medien und Politik eine Rolle gespielt haben oder spielen, von Karl Blecha bis Erhard Busek, von Helga Rabl-Stadler bis Kathrin Zechner – war ins Kremser Kunstviertel gekommen, um bei der ersten Station des Reigens anlässlich seines Geburtstags (am 18. März) dabei zu sein. Im von ihm selbst geplanten, keck bezipfelten Karikaturmuseum. Wo er als das gefeiert wurde, was er eigentlich immer nur nebenbei, aber stets mit ganzem Herzen war: als Karikaturist, als Ironimus.

Vor allem – 60 Jahre lang! – bei der „Presse“, für die er nun wieder journalistisch wirken wird: Er wird die „Presse am Sonntag“, die am 25. März neun Jahre alt wird, leiten. Er plant schon viel dafür, am Samstag in Krems kamen freilich Reminiszenzen dazwischen.


Was malt der Maler? „Ich habe elf Bundeskanzler gezeichnet“, sagte Peichl stolz. Keiner davon ist in der Ausstellung zu sehen, die sein Sohn Markus Peichl inspiriert kuratiert hat: „Jetzt mal keine Politik!“ heißt sie programmatisch, und, sieh da, die Politiker, ob mit Achterlglas (das er Fred Sinowatz zuzugesellen pflegte) oder ohne, gehen einem gar nicht so sehr ab. Einmal meint man ganz kurz, Bruno Kreisky auf einer Zeichnung zu erkennen, doch der gelockte – und mit einer extravaganten Brille (fast im Peichl-Stil), einem Mascherl und einer Blume geschmückte – Herr sitzt einem Maler Modell, der aber nichts malt als die Blume.

„Aufs Detail kommt es an“ heißt die Arbeit, auch das wäre ein gutes Motto für eine Ironimus-Ausstellung. Oft verselbstständigen sich die Attribute auf seinen Blättern, als hätten sie sich gegen ihren Träger verschworen, als wollten sie durch ihre Dinglichkeit seine Menschlichkeit offenlegen. In einer neueren Serie etwa, die er „Metamorphosen“ nennt, haben die Personen ein Mascherl vor dem Leib („Aufgemascherlt“), Krapfen auf den Brüsten („Me two“, aus dem Jahr 2017), eine Glühbirne vorm Kopf („Die Lichtgestalt“) oder Würstel vorm Gebiss („Großes Oh“). Verstörender wirkt „Der zweite Blick“: Eine Frau hat nur ein Auge, das zweite ziert ihr Kleid.

Andere Peichl-Wesen schaffen sich ihre Welt gleich selbst: Der „Bergfex“ zeichnet den Berg beim Steigen; in die „Lösung“ fixiert ein Mann seinen eigenen Schatten mit dem Spazierstock und geht befreit weiter; in „Zehn Impressionen“ steht der Maler nachdenklich vor neun Leinwänden, auf die er Vollbärte gemalt hat, den zehnten Bart trägt er selbst im Gesicht. Höchst erfreut wirkt dagegen der Maler, der nach vielen Bildern, die je zwei Rechtecke zeigen, eines mit zwei Kreisen geschaffen hat. „Die neue Periode“ heißt die Zeichnung aus dem Jahr 1958, sie erinnert an Zeiten, in denen man der Kunst und den Künstlern noch Perioden und Schulen zuschrieb. Ähnlich funktioniert ein Blatt, das einen Chor zeigt, alle Sänger mit rund aufgerissnen Mündern, nur einer mit eckigem. Der Bildtext – die Bildtexte sind bei Peichl (fast) immer wichtig, man sollte sie im Ausstellungsheft lesen! – formuliert die Pointe: „Einer singt falsch.“


Lächeln statt Spott. Nein, böse ist das nicht, und es muss auch nicht böse sein. Das Adjektiv „schonungslos“, mit dem Karikaturisten serienmäßig bedacht werden, passt nicht auf ihn. Peichl verspottet die Menschen nicht in seinen Karikaturen, er belächelt sie. Am ehesten so etwas wie Antipathie meint man in seinen „Helden“-Porträts zu spüren oder im leicht an George Grosz erinnernden Bild „Gesellschaft“, auf dem die Feiernden statt Köpfen nur Geldsäcke auf den Hälsen tragen. Aber auch hier spürt man keinen Hass, keinen Zorn, nur Belustigung über die seltsame Manege namens Menschheit.

Ist es vielleicht diese Nonchalance, dieses ruhige Vertrauen auf die Beständigkeit der menschlichen Schwächen, was Peichl meint, wenn er sich beharrlich als Konservativen bezeichnet? Das könne es doch nicht geben, einen konservativen Karikaturisten, meinte Kollege Gerhard Haderer in seiner netten Ansprache – und fand zu einer herzig anachronistischen Formulierung: „Ein Karikaturist soll doch an den Säulen des Establishments rütteln!“ Den wackeren Säulenrüttler mit Feder hinterm Ohr, dachte man sich, den soll der Ironimus uns doch bitte noch zeichnen . . .

Das Establishment war jedenfalls, wie gesagt, gut vertreten bei der Eröffnung. Gustav Peichl, im dunkelroten Daunengilet, eine hellrote Kappe auf dem Kopf, freute sich über alle Huldigungen, lobte das Hellgrau des Raumes („schüchtern und doch plakativ“), nahm auch das geballte Medieninteresse leutselig zur Kenntnis („Woher sind Sie? ,Mostviertler Bote‘? Na, da schau her!“), antwortete geduldig auch auf die routiniertesten Fragen mit seinem subtil-schelmischen Humor. Etwa auf die beharrlich wiederholte Frage, was er sich denn zum Geburtstag wünsche: „Zwetschkenknödel. Mit Brösel, aber nicht mit Mohn.“ Alles Gute.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2018)

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