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db deutsche bauzeitung 2018|04
Sportbauten
db deutsche bauzeitung 2018|04

Körper und Seele

Sportzentrum mit Seminarräumen der Universität Francisco de Vitoria, Madrid (E)

Da an der Gestaltung gerne als allererstes gespart wird, sind Minimalisten klar im Vorteil, sofern sie aus der Ressourcenknappheit Profit zu schlagen verstehen. Alberto Campo Baeza brachte auf dem Campus einer spanischen Privatuniversität ein vielfältiges Raumangebot für sportliche Aktivitäten, aber auch für Seminare und Feierlichkeiten in einem simplen Baukörper unter, und verschloss sich dabei nicht dem spröden Charme eines Rohbaus, hauchte aber v.a. der Sporthalle mit ­gekonnter poetischer Schlichtheit viel Seele ein.

6. April 2018 - David Cohn
Als »Lichtgefäß« beschreibt Alberto Campo Baeza seine Sporthalle für die Universität Francisco de Vitoria in Madrid, und tatsächlich ist jedes Detail des Entwurfs dieser Leitidee gewidmet. Auch wenn sie nur einen Teil des von ihm entworfenen Campus-Bausteins bildet – neben Sport findet hier auch Unterricht statt –, ist die Halle doch eindeutig sein Lieblingselement in diesem Projekt. Mattiertes Glas, das in großen Scheiben den oberen Teil der Außen­wände nach Nordwesten und Nordosten bildet, lässt indirektes Nordlicht ins Innere fluten. Alles, was dort visuell ablenken könnte, ist farblich gedämpft, jede Oberfläche weiß gestaltet, damit nichts mit dem Spiel des Lichts konkurrieren kann. Die Oberflächen nehmen das Licht auf und streuen es so, dass es eine räumliche, fast greifbare Präsenz erhält. Als wir das Gebäude an einem wolkigen Wintertag begehen, scheint es drinnen heller zu sein als draußen, worauf Campo Baeza sehr zufrieden hinweist. Der Raum sammelt und verdichtet das Licht auf ganz einzigartige Weise.

Die Halle bietet Platz für zwei aneinander grenzende Basketballfelder bzw. ein hallenfüllendes Fußballfeld. Im hellen, weiß gebleichten Holzboden markieren blass-dunkle Linien die Spielfelder. Sie dienen sowohl dem Training als auch Spielbegegnungen der Universitätsliga. Boden und Decke sind mit guter Schallabsorption ausgestattet, sodass der Raum auch als Veranstaltungssaal zu nutzen ist. Bis zu 1 300 bewegliche Klappsitze haben hier Platz.

Wie auf der Außenseite sind die Wände auch innen mit unbehandelten, glasfaserbewehrten Betonpaneelen bekleidet. Ein geschosshoher Streifen großformatiger, matt glasierter Keramikfliesen schützt die Wände vor Stößen.

Darüber führen frei liegende Stahlbinder den gestalterischen Vorsitz. Das in Quadrate unterteilte Fachwerk wirkt gleichzeitig filigran und solide, es flirrt und könnte in seiner Fügung doch kaum aufgeräumter sein.

Die Sitzstufen für die Zuschauer, die ebenfalls mit weißen Keramikfliesen ­belegt sind, erstrecken sich entlang der verglasten Nordostseite. Sie liegen ein Geschoss über der Hauptebene und bilden die Decke für die darunter liegenden Umkleideräume, die als langer Streifen zwischen den Eingangsbereich und die Halle geschoben sind. Auf der Höhe der Sitzreihen ist die Verglasung transparent und von Türen unterbrochen, die auf eine Terrasse hinausführen. Diese bildet das Dach der Eingangshalle und wird auf der gegenüberliegenden Seite von den beiden oberen Geschossen des Unterrichtstrakts begrenzt.

Auf der anderen Hallenseite fügte Campo Baeza auf Eingangsniveau einen weiteren langen Streifen aus transparentem Glas ein, ebenfalls mit Türen samt Ausblick auf einen zukünftigen Platz. Dieser Glasstreifen faltet sich rahmenlos um die Gebäudeecken, sodass der Eindruck entsteht, das massive Volumen schwebe über einem skulpturalen Einschnitt, obwohl das Defilee der Stahlstützen vor der Glasfront doch eigentlich unübersehbar ist.

Alle Linien sind aufeinander bezogen. So, die Höhen des verglasten Einschnitts wie die der Fliesenstreifen. Die mattierten Glasflächen darüber und der abgeknickte transparente Glasstreifen treffen sich in einem Punkt, um den herum sich massive und gläserne Flächen wie auf einem Schachbrett abwechseln. Hinter diesem unmöglich erscheinenden Gelenk zeigt sich das Tragwerk, in gewissenhafter Erfüllung seiner Funktion, ein weiteres Mal ganz ­unverhohlen. Der Architekt ließ in die Eckverglasung das lateinische Motto »Hoc vitrum angulare mense Octobre A. D. MMXVI positu« eingravieren und wies in Anlehnung an die Ecksteine in historischen Natursteinmauern auf den Zeitpunkt der Positionierung dieses gläsernen Ecksteins hin.

Grossskulptur

Auch wenn Campo Baeza den Großteil seiner Aufmerksamkeit der Sporthalle widmete, so lohnt der Rest des Entwurfs doch ebenfalls einen Blick, selbst ­angesichts der spröde zu nennenden, streng funktional gehaltenen Gestaltung der Funktionsräume. Die Verteilung der Massen bringt eine auffällige Dua­lität hervor: Der schmale Riegel mit den ­Seminarräumen wächst, wie die Sporthalle, glatt und schlicht entlang der ­Sockelkanten bis zur selben Höhe empor, deutlich separiert durch den leeren Raum über der oberen Terrasse voneinander getrennt.
Die Verteilung der Massen erinnert an die Beziehung zwischen Campo ­Baezas Hauptsitz der Caja de Granada von 2001, einem quadratischen, siebengeschossigen Volumen mit monumentalem »Licht-Impluvium«, und dem benachbarten Museo de la Memoria de Andalucía von 2010, aus dessen niedrigem Sockel ein spektakulärer schmaler, vertikaler Riegel bis zur Höhe des Bankgebäudes emporstrebt; dazwischen entsteht gefühltermaßen ein abgeschlossener Raum, obwohl die beiden Gebäude in Wirklichkeit nicht bündig zueinander stehen. In Madrid ist diese kompositorische Idee komprimierter und schlüssiger verwirklicht, wenn auch deutlich weniger monumental.

Im Museum in Granada findet sich einerseits viel vom extremen Formalismus eines Boullée, andererseits erinnert der gekonnt reduzierte Grundriss an die räumliche Organisation von Beaux-Art-Gebäuden und zugleich an die kompositorischen Strategien von postmodernen Protominimalisten wie Aldo Rossi. Diese Strategien finden wir im Sockel des Sportneubaus wieder, wo schmale Spangen für Verkehrsflächen und Technikräume zwischen die größeren programmatischen Einheiten geschaltet sind. Die breite Eingangshalle erstreckt sich über die gesamte Tiefe des Gebäudes, flankiert von einer Bar und einer Reihe von Büros. Auf der untersten Ebene befinden sich eine Schwimmhalle auf der einen Seite und auf der anderen, unter der Sporthalle, mehrere Fitnessräume – dazwischen eine schmale Achse beidseitig zugänglicher Umkleideräume. Die an den Außenseiten gelegenen Funktionsräume bekommen wie der Schwimmbereich natürliches Licht von tiefen Einschnitten, patios ­ingléses (Tiefhöfe) genannt, die das Gebäude an drei Seiten auf ganzer Länge begleiten. Durch raumhohe Verglasungen, die auch hier wieder vom regel­mäßigen Rhythmus der Betonstützen begleitet werden, gelangt das von den versunkenen Höfen reflektierte Tageslicht mit überraschender, raffinierter Zartheit in die ansonsten extrem funktional gehaltenen Räume.

Seele in der Kargheit

Bei der Universität handelt es sich um eine private, staatlich anerkannte Institution, die 1993 von der Ordensgemeinschaft »Legionäre Christi« gegründet wurde, die in Spanien viel Zuspruch seitens nationalkonservativer Katholiken erfährt. Etwa 5 000 junge Menschen studieren hier. Der Sportbau ist Teil des großen und weiter wachsenden Campus in einem wohlhabenden nördlichen Vorort von Madrid nahe der Ringstraße M-40. Bislang wurden keine Bauten errichtet, die der Rede wert gewesen wären. Und auch beim Sportpavillon hatte Campo Baeza einige Mühe, die Bauherren davon zu überzeugen, mehr als nur einen kahlen Minimalbau errichten zu lassen. Bedauerlicherweise ­habe man darauf verzichtet, die außen liegenden Glasfaserzement-Platten durch einen Anstrich zu schützen oder die der Witterung ausgesetzte Technik auf dem Dach einzuhausen. Die klimatechnische Ausstattung entspricht dem spanischen Mindeststandard; dazu gehören Solarpaneele für Warmwasser, Wärmerückgewinnung in der Raumluftkonditionierung sowie effiziente Kühleinheiten, Wärmepumpen und gasbetriebene Boiler. Wenn es das Wetter erlaubt, ist auch natürliche Belüftung möglich.

Laut Felipe Samarán, dem Direktor der Architekturfakultät, soll der weiter wachsende Campus künftig um drei Plätze herum organisiert sein, die jeweils dem Körper, dem Geist und der Seele gewidmet sein werden. Dass der Sportpavillon sich dem zukünftigen Platz der Seele zuwendet, wo später auch eine Kapelle und das Rektorat stehen werden, überrascht. Andererseits: Bedenkt man Campo Baezas leidenschaftliches Engagement für das transzendentale Erlebnis von Raum, Licht und Geometrie, könnte sich sein Beitrag leicht als der seelenvollste auf dem ganzen Campus erweisen. Unter der ganzen Weiße vibriert das platonische Ideal absoluter, göttlicher Wahrheit, Geometrie und Gottesfurcht – und eine Ahnung der Bedeutungslosigkeit weltlicher Existenz im Schatten all dieses göttlichen Lichts inmitten wohl­geordneten Raums. Welche Rolle sollen da profane Seminarräume spielen …

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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