Abreissen oder bewahren? Die Hardau-II-Türme in Zürich. (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)

Abreissen oder bewahren? Die Hardau-II-Türme in Zürich. (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)

Hol den Vorschlaghammer! Nein, bewahre diese Schweizer Architektur

Welche Schweizer Architektur sollte abgerissen – und welche unter Denkmalschutz gestellt werden? Über diese Fragen streiten sich Heimatschützer und Bauherrn heftig. In der NZZ beziehen Architektinnen und Architekten Stellung.

Antje Stahl
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Der Wille zur Zerstörung ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Architektur in Europa, sofern sie denn auf dem Bau von neuen Gebäuden oder gar einer neuen Stadt besteht. Allein in Zürich müsste man den See trockenlegen, um ein Baufeld für neuartige Wohnhäuser in aufregenden Quartieren zu schaffen. Häuser stehen dicht an dicht. Und dort, wo es noch Freiraum gibt, kämpfen Bäume und Wiesen um ihr Daseinsrecht oder entscheiden die falschen Investoren über die Architektur von morgen.

Wir haben im Feuilleton deshalb einmal Platz geschaffen, damit Architekturbüros einen grossen Abrissplan für die Schweiz festlegen können. «Bestimmen Sie die Architektur, die Sie gerne abreissen lassen wollen», lautete die Anfrage quer durchs Land und die Generationen – an Peter Zumthor, Roger Diener, Annette Gigon und Mike Guyer, Elli Mosayebi, Anne Kaestle, Manuel Herz und viele andere (Die Links zu den Beiträgen finden Sie unten). Vielleicht, dachten wir uns, muss der Vorschlaghammer nicht gleich so weit geschwungen werden, dass er die Zürcher Oper, den Hauptbahnhof und das Ausflugsrestaurant auf dem Üetliberg treffen würde, aber der Phantasie wollten wir einmal keine Grenzen setzen.

Welche Architektur gehört abgerissen – diese Frage stellte die NZZ namhaften Schweizer Architekten wie Peter Zumthor, Roger Diener oder Gigon/Guyer. Die Antworten sind zum Teil verblüffend; die Architekten von E2A etwa würden die Hardau-II-Türme in Zürich (Bild) unter Denkmalschutz stellen. Die Wohnbauten von Max P. Kollbrunner aus den späten siebziger Jahren hätten die Stadtsilhouette stark geprägt. Die vier Türme waren lange die höchsten Häuser der Schweiz und wurden erst 2003 durch den Messeturm Basel (105 Meter) übertroffen. (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)
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Abreissen würden E2A aber gern die historischen Kasernenbauten in Zürich. Diesem Schritt schreiben sie «therapeutische Dimensionen» zu. Es sei Zeit für einen Neustart: Mit dem Kasernenareal verbinde sich eine fast endlose Saga einer Handlungsohnmacht, ein Neuanfang würde die Stadt «von der Last der alten Autoritätsbauten» befreien. (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)
Architekt Christian Kerez möchte den Freitag Tower in Zürich (Bild) unter Denkmalschutz stellen. Er sei zwar nur ein Provisorium, aber gleichzeitig neu in seiner Erscheinung, er habe einen klaren Bezug zu den Nutzern und vermittle einen Inhalt. (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)
Christian Kerez würde als Gegensatz zum Freitag Tower einen Neubau, der noch nicht ganz fertig ist, gleich wieder abreissen. Und zwar das Gebäude in der Europaallee auf dem Baufeld B, welches das Eingangstor zur Allee hätte darstellen sollen. Grund: Diese Architektur sei viel zu wuchtig. (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)
Architekt Roger Diener setzt sich fürs Globus-Provisorium in Zürich (Bild) ein. Die Limmat sei lange Zeit mit Bauten für das Handwerk, das Gewerbe und den Handel besetzt gewesen. Das Globus-Provisorium vermöge die Erinnerung daran zu bewahren. Auch weitere Architekten plädieren für den Erhalt dieses Provisoriums. (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)
Wie Roger Diener würden auch Annette Gigon und Mike Guyer das Stadtzürcher Globus-Provisorium gern stehen lassen. Sie plädieren für den Fortbestand des grauen «Piratenschiffs» in der Limmat. (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)
Architekt Roger Diener verweist auf den Umbau der Börse Zürich. Derzeit werde gerade ein Umbau zu einem Schulgebäude realisiert. Hoffentlich umfasse dieser Umbau «auch die angestrengte, grossspurige Eingangspartie des Hauses», meint Roger Diener. Begründung: «Etwas mehr architektonische Qualität liesse sich damit gewinnen und auch noch zusätzlicher Raum.» (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)
Alfredo Brillembourg und Hubert Klumpner vom Urban-Think Tank Zürich wollen dem ETH-Campus auf dem Hönggerberg in Zürich an den Kragen. Der Campus verweigere sich jeder «Interaktion zwischen Architektur und Stadt». Die relevanten Komponenten der heutigen Raumproduktion – wie städtische Heterogenität, Nutzungsdurchmischung, Dichte, Mobilität – müssten zurückerobert werden. Ein Abriss mit «Umzug der ETH-Architekturfakultät in das ab 2020 frei werdende Kasernenareal im Kreis 4 wäre eine pädagogisch und räumlich optimale Lösung». (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)
Bewahren will der Urban-Think Tank Zürich das Areal Frau Gerolds Garten im Zürcher Kreis 5. Frau Gerolds Garten war ursprünglich als provisorische Containernutzung gedacht, um ein unbebautes Grundstück, eine Baulücke, vorübergehend zu bespielen. Doch genau dieser «Charakter des Unperfekten, des Vergänglichen, des Improvisierten» sei eine wertvolle urbane Qualität. (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)
Die Architektin Elli Mosayebi prophezeit der Telefonkabine eine multifunktionale Zukunft. Zürich brauche «einen grosszügigen öffentlichen Bahnhofsplatz und sollte die futuristische Telecab 200’0 unbedingt behalten». Mitte der neunziger Jahre entwarf Architekt Hans Ulrich Imesch die Telefonkabine Telecab 200’0, die unter Denkmalschutz gehöre. Laut NZZ gebe es in der Stadt 70 davon. Das techno-ästhetische Gesamtkunstwerk (wenn man die Türen schliesst, wird man von zauberhaften Klängen berieselt, der Abschluss der Glasröhre leuchtet in verschiedenen Farben) wurde zu einer Zeit errichtet, als man wusste, dass Handys bald jede öffentliche Telefonzelle überflüssig machen würden. (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)
Peter Zumthor findet, es gebe in Graubünden ein Gebäude und ein Ensemble von Rudolf Olgiati, die man unter Denkmalschutz stellen müsste. Dabei handelt es sich einerseits um die Siedlung Las Caglias in Flims. (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)
Andererseits möchte Peter Zumthor die Gärtnerei Urech in Chur schützen. Die Gärtnerei ist auch ein Rückzugsort. (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)
Christ & Gantenbein möchten das grosse Postreitergebäude am Bahnhof Basel SBB neu beleben. Es sei ein spannendes Zeitdokument und von besonderer architektonischer Kraft. Es überspannt das Gleisfeld und bildet ein Eingangstor zum Bahnhof. Besonders auffällig ist seine dunkle, rostrote Farbe; daher wird es in der Bevölkerung humorvoll und leicht angewidert auch «Blutwurst» genannt. (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)
Nicht mehr als zeitgemäss und erhaltenswert empfinden Christ & Gantenbein die Basler Siedlung Rhypark. Diese sollte abgerissen werden, damit ein lebendiges, durchmischtes Quartier mit direktem Bezug zum Fluss entstehen könne. Die Anlage am Rhein liegt in unmittelbarer Nähe zum Novartis-Campus und zum übrigen Stadtentwicklungsgebiet Basel Nord. Was früher einmal peripher war, sei heute ein zentraler, äusserst attraktiver Ort. Das Hauptproblem liege im Aussenraum; dieser sei «undefiniert und wird nicht richtig genutzt». (Bild: Nathalie Taiana / NZZ
Manuel Herz beschäftigt sich mit dem Alt- und Neubau des Biozentrums der Universität Basel.  Den Neubau würde der Architekt «gerne sofort wieder abreissen». Den Bestandsbau aus den siebziger Jahren, den die Uni abreissen wird, erachtet der Fachmann aber als «absolut erhaltenswert». Bild: Hinter dem neuen Biozentrum Basel kommt das alte Biozentrum zum Vorschein.(Bild: Nathalie Taiana / NZZ)
Das alte Biozentrum Basel ist laut Manuel Herz nicht der allerschönste Bau, aber ein guter Repräsentant der Architektur dieser Zeit. Der Altbau stammt von Martin Burckhardt (Burckhardt und Partner) und hat Baujahr 1971. Für Herz ist der Altbau «ein sehr guter Bau mit tollen Details und ein guter Repräsentant der Architektur dieser Zeit». (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)
Duplex Architekten sollten das Silo in Basel umbauen. Die Architektin Anne Kaestle macht sich Gedanken über «geblendete Architektenaugen und die Angst vor Veränderung». Fazit: «Das Neue lässt auch das Silo (Erlenmattareal, Basel) alt aussehen.» (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)
Die Siedlung Seldwyla in Zumikon, Zürich, ist für die Architektin Anne Kaestle «ein schönes Stück Zeitgeschichte». Der Siedlungsbau Seldwyla aus den siebziger Jahren, erbaut von Rolf Keller zusammen mit Max Lechner, Manuel Pauli, Fritz Schwarz sowie Esther und Rudolf Guyer, sei erhaltenswert. (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)
Sabina Snozzi Groisman, Gustavo Groisman und Tochter Sara von Snozzi Groisman & Groisman Locarno betrachten das Bagno Pubblico in Bellinzona als «ein Meisterwerk», das ein starkes Zeichen in der Stadt setze. Es stammt von Aurelio Galfetti, Flora Ruchat-Roncati und Ivo Trümpy. Kommentar: «Diese architektonische Intervention ist von einer genauen Kenntnis des Geländes und einer klaren urbanistischen Haltung geprägt und hat ein unauslöschliches Zeichen in der Stadt gesetzt.» (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)
Nicht gelungen ist für Snozzi Groisman & Groisman Locarno das Gebäude Fox Town mit dem daran angehängten Kasino in Mendrisio. Die Experten bezeichnen den Bau als «das traurige und vulgäre Eingangstor zur Stadt», das auch noch die Architektur-Akademie beherbergt. Zitat: «Eine desolat disproportionierte Kaufhalle mit einem möchtegernneoklassizistischen Pseudotempel des Glücksspiels. Damit wurde ein ganzes Stadtviertel in Mendrisio auf den Kopf gestellt.» (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)
Rund um den Genfersee sei längst eine Metropolregion entstanden, sagen die Architekten Stephanie Bender und Philippe Béboux. Sie plädieren für die Weiterentwicklung der urbanen Landschaft. (Bild: Keystone / Martial Trezzini) Alle Beiträge zum Thema

Welche Architektur gehört abgerissen – diese Frage stellte die NZZ namhaften Schweizer Architekten wie Peter Zumthor, Roger Diener oder Gigon/Guyer. Die Antworten sind zum Teil verblüffend; die Architekten von E2A etwa würden die Hardau-II-Türme in Zürich (Bild) unter Denkmalschutz stellen. Die Wohnbauten von Max P. Kollbrunner aus den späten siebziger Jahren hätten die Stadtsilhouette stark geprägt. Die vier Türme waren lange die höchsten Häuser der Schweiz und wurden erst 2003 durch den Messeturm Basel (105 Meter) übertroffen. (Bild: Nathalie Taiana / NZZ)

Wenn man zurückschaut, rufen wild gewordene Baumeister unter Umständen auch gemischte Gefühle hervor. Unter Kaiser Napoleon III. plante Georges-Eugène Haussmann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Gemächern des Palais des Tuileries die Verwandlung der mittelalterlich geprägten Stadt in eine Metropole mit den weitläufigen Boulevards und klaren Achsen, über die man heute so gerne flaniert. Der Gedanke an die Pariser, die dafür aus ihren Häusern vertrieben und umgesiedelt wurden, löst aber unweigerlich Beklemmungen aus: Zwölftausend Gebäude liess Haussmann abreissen, um Paris das Elend, den Gestank, die Cholera, die Dunkelheit und Enge auszutreiben. Die Faszination für Architekten, die im grossen Massstab dachten, ist trotzdem geblieben.

Plan Voisin

Etwa fünfzig Jahre nachdem Paris unter den Händen Haussmanns zerstört worden und wiederauferstanden war, folgte Le Corbusier seinen Spuren und grenzte sich zugleich radikal von ihm an, indem er vorschlug, sich der gesamten Pariser Rive-Droite-Bebauung zu entledigen. Zwischen Notre Dame und Montmartre sah der ebenfalls berühmte Plan Voisin statt Marais, Sandsteinfassaden und kleinen Geschäften grosse kreuzförmige Türme in geometrischer Ordnung und rasanten Verkehr vor. Auch Le Corbusier wurde nach der Ausstellung des neuen Pariser Nachbar-Plans auf der Exposition des Arts Décoratifs 1925 angefeindet, die Mehrheit allerdings hält ihn für den letzten Visionär, der keine Angst hatte, einen Entwurf über die Geschichte und Architektur einer Weltstadt zu stellen.

In der Gegenwart ist von dieser Radikalität kaum mehr etwas zu spüren. Architekten schlagen sich mit Bauverordnungen und Sicherheitsvorschriften herum und müssen auf couragierte Bauherren manchmal ihr ganzes Leben warten. Hinzu kommt ein überengagierter Heimatschutz, der die Vergangenheit oftmals über die Zukunft und Erinnerung über die Bedürfnisse der neuen Generation stellt. Die Non-Profit-Organisation besteht zwar darauf, «auch zeitgemässe, gute Architektur bei Neubauten zu fördern»; in der Regel werden die fast dreissigtausend Mitglieder aber immer dann mobilisiert, wenn 700-jährige Holzhäuser, wie jüngst in Steinen im Kanton Schwyz, den Plänen der Zeitgenossen weichen sollen. Oft reicht auch erst einmal nur eine Aufsichtsbeschwerde, um wie jüngst in Chur den Abriss eines Gutshofes und den Bau einer neuen Fahrrad- und Busspur zu stoppen. Für Architekten, die neue Häuser bauen sollen, ist so ein Vorgang der grösste Albtraum, weshalb ihnen einmal Gelegenheit geboten werden sollte, nach freiem Herzen die Schweiz abzureissen.

Weg vom Hönggerberg

Viele Büros sind der Einladung gefolgt und verändern mit ihren Beiträgen den Blick auf die Schweizer Stadt- und Landkarten. Wenn es nach Urban-Think Tank ginge, dürften Architekturstudenten jedenfalls nicht mehr in der ETH-Dépendance am Hönggerberg die Schulbank drücken – «die Interaktion zwischen Architektur, Stadt und Studenten geht hier völlig verloren», schreiben Alfredo Brillembourg und Hubert Klumpner. Schon in dieser Formulierung deutet sich an, welchen Wert Architekten der gebauten Stadt aber auch zuschreiben.

Für den fiktiven Rahmen dieser Feuilleton-Seiten wollte sich denn auch kein Büro auf grossspurige Abrisspläne à la Le Corbusier einlassen, etwa die gesamte (von der Unesco beschützte) Berner Altstadt oder die Kapellbrücke in Luzern wegsprengen. Man denke nur an den Slogan «Nieder mit den Alpen. Freie Sicht aufs Mittelmeer!» – und die Proteste, die sich ja auch gegen ein zentrales Monument, die Zürcher Oper, richteten. Diejenigen, die schon etwas länger in der Branche arbeiten, hielten die Anfrage wegen Abrissplänen für zu aggressiv. Psychologisch könnte man das natürlich so auslegen, dass die Rebellion eher zur Jugend gehört – und der Schweizer gerne auf einen Frontalangriff auf die eigene Zunft verzichtet. Aber mit dem 20. Jahrhundert im Nacken hat sich eben auch ein vorsichtigerer Umgang mit der gebauten Umwelt herausgebildet.

Kulturerbe

Der grosse Bruder des Heimatschutzes, die Unesco, hält seit dem Zweiten Weltkrieg seine schützende Hand über das sogenannte kulturelle Erbe. Allerdings werden in der Liste des Weltkulturerbes kaum Helden aus der Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts geführt. Le Corbusiers architektonisches Werk ist die eine grosse Ausnahme, die in gleich sieben Ländern der Welt von der Behörde geschützt wird. Das mag paradox klingen – immerhin legte Le Corbusier auf die Pflege des Bestandes nicht so viel Wert –, ist aber zugleich ein Muster dafür, wie schlecht es global um die Baugeschichte bei der Unesco bestellt ist.

Exemplarisch kann man das am Schweizer Kulturerbe ablesen. Aufgelistet werden hier natürlich nicht die Emmentaler Bauernhäuser, deren Dächer alle wie wunderschöne, grosse Schlapphüte in der Landschaft liegen, oder die Siedlung Seldwyla, die unter anderen Rolf Keller in den siebziger Jahren entwarf. Neben einem Stück Alpenland sind laut Unesco die Klosterkirche von St. Gallen und die Burg- und Maueranlage von Bellinzona schützenswerter. So eine Auswahl nährt leider den Verdacht, dass es sich hier um Beamte im Dienste längst verstorbener Machthaber handelt. Sie pfeifen genau wie Haussmann, so lautet jedenfalls die Kritik, auf die Hütten kleiner Leute und ebenso die Architektur vieler grosser Architekten.

Trümmer mit Parolen beschmieren

Wir haben deshalb ebenfalls nach Gebäuden und Orten in der Schweiz gefragt, die die Architekturbüros für unbedingt erhaltenswert erachten. «Welche Architektur möchten Sie unter Denkmalschutz stellen?», lautete die Frage konkret. Nicht nur Behörden oder Heimatschützer sollten den architektonischen Kanon definieren, den wir Tag für Tag vor Augen haben. Ob in Genf oder Basel, Zürich oder Chur – manchmal läuft man blind an Gebäuden vorbei, obwohl man vor einem «Denkmal» steht. «Hol den Vorschlaghammer», singt die deutsche Pop-Band Wir sind Helden zwar. «Sie haben uns ein Denkmal gebaut / Und jeder Vollidiot weiss, dass das die Liebe versaut / Ich werd die schlechtesten Sprayer dieser Stadt engagieren / Die sollen nachts noch die Trümmer / Mit Parolen beschmieren.» Aber im Gegensatz zu in Stein gemeisselten Menschen kann so manche Architektur lebendiger werden, als man denkt – und sollte ganz unbedingt bewahrt werden.

Viele Architekturbüros plädieren hier für den Erhalt und im gleichen Atemzug auch für den Umbau und die Umnutzung von Gebäuden. So verhindert man einerseits, einer Stadt die Geschichte zu rauben, andererseits aber auch den Stillstand, der so oft mit dem Denkmalschutz einhergeht. Zugleich setzen sich die Architekten für alte ästhetische und damit auch konzeptionelle Kriterien ein. Die Architektur der 1970er und frühen 1980er Jahre etwa mag nicht den klassizistischen oder barocken Geschmacksstandards entsprechen; sie ist aber, wie Emanuel Christ und Christoph Gantenbein schreiben, «aus einem unerschrockenen, vielleicht etwas naiven, aber immer optimistischen Denken heraus entstanden – die grosse Geste!» Und sie sollte auf jeden Fall erinnert und bitte auch öfter wiederholt werden. 2b Architectes schlagen hier vor, das Gebiet rund um den Genfersee als «Métropole Léman©» zu definieren und die urbanen Qualitäten der Postkartenidylle über die Landes- und Kantonsgrenzen hinweg weiterzuentwickeln. Es muss dem nichts im Wege stehen.

Hier geht's zu den Beiträgen der Architekten:

Peter Zumthor fordert, Bauten des 20. Jahrhunderts unter Denkmalschutz zu stellen

Annette Gigon und Mike Guyer plädieren für den Fortbestand des grauen «Piratenschiffs» in der Limmat

Roger Diener erkennt in jedem Bauwerk auch ein Baudenkmal

Anne Kaestle über geblendete Architektenaugen und die Angst vor Veränderung

Elli Mosayebi prophezeit der Telefonkabine eine multifunktionale Zukunft

Manuel Herz verhandelt den Alt- und Neubau des Biozentrums der Universität Basel

E2A schreiben dem Abriss des Kasernenareals therapeutische Dimensionen für die Stadt Zürich zu

Urban-Think Tank beschützt Frau Gerolds Garten und verlangt den Abriss des ETH-Hochschulgeländes Hönggerberg

Familie Snozzi Groisman diskutiert den Abriss eines Kasinos

Angela Deuber mag die Stille

Christian Kerez vermisst den Anspruch, Architekurgeschichte zu schreiben

Christ & Gantenbein möchten die Blutwurst in Basel in eine brummende Maschine urbanen Lebens verwandeln

2b Architectes erklären den Léman zum Monument

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