Bauwerk

Gartenstadt „Rainer-Siedlung“
Roland Rainer - St. Pölten (A) - 2001

Das Wohnzimmer im Garten

Am Ostufer der Traisen plante Roland Rainer seine letzte Gartenstadt. Die 160 Wohnungen überzeugen durch Gärten, Loggien und Terrassen. Ein Spaziergang durch eine Siedlung, in dem der Mensch den Ton angibt: grüne Wege, ruhiges Leben, Sonnenschein.

8. September 2007 - Isabella Marboe
Roland Rainer glaubte daran, dass Architektur glücklich machen könne. Den Löwenanteil seines langen, erfüllten Berufslebens widmete er daher der Planung umsichtig angelegter Gartenstädte. Stets liegen die Reihenhäuser und Wohnungen an bepflanzten Wegen, haben sonnengeflutete Räume an Innenhöfen oder Gärten und bilden so ein Umfeld, in dem freundschaftliche Kontakte gedeihen können. Der Prototyp Linz Puchenau, erbaut und erweitert von 1962 bis 1995, schrieb Architekturgeschichte. Am Ostufer der Traisen plante Rainer dann seine letzte Gartenstadt. Sie setzt einen wohnlandschaftlichen Kontrapunkt zum gegenüberliegenden Regierungsviertel St. Pölten.

„Er hatte die Vision vom Wohnen unterm freien Himmel in einer lebensfreundlichen Umgebung, wo Kinder sorglos hinauslaufen können“, sagt Architektin Johanna Rainer, die mit dem Büro Wallner & Partner das Architekturvermächtnis ihres Vaters am Hochwasserdamm umsetzte. „Mit der Sonne zu leben - das ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Es ist das Natürlichste der Welt, sich nach ihr zu richten.“ Damit sie möglichst lang Aufenthaltsräume der 38 Wohnungen und 122 Maisonetten durchströmt, ist jede einzelne südost- und südwestorientiert. Das hält auch den Wind von der Traisen ab.

Organisch schmiegt sich die erste Maisonettenreihe in einem sachten Bogen hinter lärchenhölzernen Mauern ans Gelände. Wohnräume und Gärten wenden sich der Sonne zu, Eingänge und Küchen liegen an den Wegen, damit man durchs offene Fenster plaudern kann und die ankommenden Besucher im Blickfeld hat. „Ich bin ein Licht- und Sonnenmensch, und hier ist es immer hell“, sagt die kunstsinnige Bewohnerin einer Eck-Maisonette, „das Umfeld ist wichtig für meine Kreativität. Hier hab ich das Gefühl, jeden Tag auf Urlaub zu sein.“ Wenige, ausgesuchte Möbel stehen am Eichenparkett ihres loftartigen Wohnraums, davor liegt die verglaste Loggia, davor eine gedeckte Terrasse. Besonders schätzt sie den Blick auf den Klangturm vis-à-vis.

Dauerblick ins Grüne

Oleander und Hibiskus säumen den Weg, dahinter formieren sich aufeinandergestapelte Maisonetten zu disziplinierten Zeilen. Die quergestellten, dreistöckigen Reihen bilden grüne Höfe. Die Zufahrten zu den taghellen Garagen - sie befinden sich unter dem vierstöckigen Riegel und dem plastisch gegliederten Kopfbau - liegen direkt an der Defreggerstraße. Ab und zu blitzt ein schwarzer, beinahe gänzlich verglaster Stiegenturm hervor.

„Die Lage ist perfekt“, sagt die Bewohnerin einer Gartenwohnung, „früher mussten wir mittags das Licht aufdrehen, hier scheint bis neun Uhr abends die Sonne herein.“ Ruhig spielen ihre zwei Töchter auf der Terrasse vor der Wohnküche. Am Rande blühen prachtvolle Rosen, selbst gezüchtete Zucchini und Tomaten - mit einem Wort ein kleines Paradies. „Ich wollte mein Leben lang ein Haus mit Garten“, sagt die Dame. Sorgsam studierte sie daher die Pläne, wählte ihre Wohnung nach Südlage und Gartengröße aus und bezog schließlich mit ihrem Mann die neue Bleibe.

Heute ergießt sich vor ihrer Wohnzimmerterrasse ein duftender Blütenregen, Bohnen-stauden ranken sich an der Wand zum Nachbarn hoch. „Wir leben einen großen Teil der Zeit draußen. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, anders zu wohnen.“

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