Bauwerk

Kirche ´St. Franziskus´
RIEPL RIEPL ARCHITEKTEN - Steyr (A) - 2001
Kirche ´St. Franziskus´, Foto: Dietmar Tollerian

Die Lichtskulptur in der Vitrine

Sakralität, Besinnlichkeit, ja Geborgenheit erwartet man von einem Kirchenbauwerk unserer Tage. Wie das auch mit Sichtbeton und Glas zu schaffen ist, führen die Linzer Architekten Gabriale und Peter Riepl in Steyr-Resthof vor.

22. Dezember 2001 - Walter Zschokke
Steyr-Resthof ist ein gut zwei Dutzend Jahre alter Stadtteil im Nordosten von Steyr, der den Behörden trotz seiner 6000 Einwohner bisher keinen Wegweiser wert war. Die wenig ansprechenden, sechs- bis achtgeschoßigen Wohnbauten erhalten zur Zeit eine aufhellende Fassadenrenovation. Nachdem schon früher ein Pfarrhof mit Räumen für die Gemeinde im sogenannten Quartierzentrum - ziemlich viele Parkplätze und zwei Geschäfte - errichtet worden war, konnte nun auch die Kirche gebaut werden. Das Projekt wurde über einen Architekturwettbewerb ermittelt, den das Linzer Architektenpaar Gabriele und Peter Riepl für sich entscheiden konnte.

Ein großes Grundriß-Quadrat bildet den Rahmen, in den Räume und Raumzonen verschiedener Höhenentwicklung eingeschrieben sind. Manche sind ganz flach, wie die östlich vorgelagerte Wasserfläche, andere ragen in die Höhe, wie die turmartige Vitrine an der Südostecke. Langgezogene, großflächig verglaste Öffnungen sind in den glatten Sichtbeton geschnitten, wobei die Proportionen von Öffnung zu Mauer solcherart gewählt wurden, daß einladendes und bergendes Moment sich die Waage halten. An der Westseite, wo der Hauptzugang liegt, verstärkt ein Portikus, dessen Dachscheibe auf einer Reihe von sieben schlanken Rundstützen zu schweben scheint, die einladende Wirkung der dahinter liegenden, breiten Glaswand.

Aber auch von Osten führt ein Weg zur Kirche hin, eine breite Glaswand bietet Einblick, doch die Wasserfläche gebietet Abstand. Der Weg führt tangential am Nebenzugang vorbei und erreicht den Portikus von der Rückseite her. Damit ist das Gebäude ohne bestimmte Ausrichtung eingebunden in den Siedlungsverband, öffnet sich mit Bedacht nach allen Seiten in einer adäquaten Weise und bietet im Süden, zur vorbeiführenden Straße, eine der Aufgabe angemessene Aussicht von zurückhaltender Monumentalität. Dies wird erreicht, indem die Fenster vor Sakristei und Ministrantenraum zu einem einzigen Fensterband zusammengefaßt sind, das somit als einzige Öffnung in der Sichtbeton-Mauer Kraft gewinnt und jene damit noch stärkt.

Natürlich bildet der hochgestellte Glasquader, der in die Südostecke eingesetzt ist, das dominierende Element dieser Ansichtsseite, aber er ist kein eigentlicher Turm - dafür müßte er aus dem Boden aufsteigen. In die Mauer eingesetzt, mutiert er zur übergroßen Vitrine, zum Lichtfänger nach innen, zum Behältnis für eine außerordentlich geglückte, farbige Licht-skulptur von Keith Sonnier, die in der Photographie bloß unzureichend wiedergegeben wird. Jetzt, zur Winterszeit, kommt sie beim frühen Einnachten ausgezeichnet zur Geltung. Sonnier erweckt die große Glasvitrine zu bunt sprühendem Leben. Als wären es langsam verglimmende Spuren fliegender Leuchtkörper, verleihen diese räumlichen Schreibschwünge dem Gebilde aus Profilen und Scheiben Körperlichkeit und füllen den Raum mit Licht.

Insgesamt weist das Äußere des Bauwerks eine gespannte Ausgewogenheit von geschlossen und offen auf, die nicht abweisend ist, sondern zum Betreten einlädt, aber zugleich den Gläubigen die Gewißheit vermittelt, daß sie innen in ihrer Andacht auch abgeschirmt sind.

Der hohe Portikus sammelt die Kirchgänger, bietet auch für den Schwatz nach dem Gottesdienst Schutz vor Regen und harten Sonnenstrahlen. Nach dem Eintreten gelangt der Besucher in eine Vorhalle, deren Decke recht niedrig liegt, aber dennoch nicht bedrückt, weil die Außenwand zum Portikus komplett aus Glas besteht und an der Innenseite ein ins Gebäude eingeschnittener Gartenhof anschließt, dessen Erde bis zur Höhe der begleitenden Sitzbank reicht. Die sparsame Gestaltung von Cordula Loidl-Reisch mit einem Bäumchen und niedrigen Stauden vermittelt in besinnlicher Weise etwas von der Außenwelt ins Innere; dieser Tage beispielsweise den Zauber einer unberührten Schneedecke auf den Pflanzen.

An diesem Außenraum im Innenraum vorbei zielt der Zugang nun in langer Achse auf den Taufstein, über dem die Decke angehoben ist, sodaß die Raumzone über ihre Definition als Abschluß des Ganges hinaus noch in anderer Weise ausgezeichnet wird. Zu beiden Seiten der niedrig gehaltenen Zugangsachse liegen nun die beiden eigentlichen Sakralräume: zur Linken die große, querrechteckige Hauptkirche und zur Rechten, hinter dem Gartenhof, die Kapelle, deren eine Flanke vom markanten Glasturm her Licht erhält. Auch sie ist höher gehalten als der Zugang, sodaß sie ihren eigenen Raumcharakter wahrt.

Der Kirchensaal ist zugleich der höchste Raum der ganzen Anlage. Von der Form eines einfachen Quaders, wird er an zwei Seiten vom Zugang umfangen, sodaß der Raum dort seitlich etwas wegfließt. Das wird vom durchgehenden Boden aus bruchrohem Schiefer noch gefördert. Aber die scharfe und niedrige Begrenzung durch die Decke bildet eine ausreichende Zäsur. Unterstützt wird diese abgrenzende Wirkung von einem einzelnen kubischen Element, das zwischen Gang und Kirchenraum steht, gleichsam die Ecke befestigt und als stark definierter Raum die Marienstatue beherbergt.

An den anderen beiden Seiten des Kirchensaals verläuft in Kniehöhe ein durchgehendes Fensterband, sodaß die Mauern nicht direkt auf dem Boden aufsitzen. Obwohl weder viel Ausblick noch Einblick möglich ist, wird mit dieser Maßnahme ein weiteres Mal die Betonmauer relativiert. Der Kirchenraum selbst erscheint wie eine große, umgestülpte Schachtel, die aber eben nicht auf dem Boden aufliegt, sondern leicht abgehoben ist.

Zusätzlich zu den genannten Öffnungen zieht sich noch ein Lichtspalt in der Decke über der Altarwand entlang, der die Sonnenstrahlen von morgens bis abends auf die vertikale Fläche fallen läßt. Das Innere der Mauern ist nun nicht mehr sichtbarer Beton, sondern wurde mit Birkensperrholz großplattig verkleidet. Der warme Gelbton erzeugt eine Raumstimmung, die durchaus meditativ, aber nicht beengend ist.

Die Reduktion der Materialwirkung auf große Oberflächen und eine Detaillierung, die nicht die Art und Weise, „wie es gemacht ist“, betont, bringt vor allem die Vielfalt räumlicher Konstellationen und Übergänge zur Geltung, die, verstärkt von der Lichtführung, die architektonische Reichhaltigkeit der dem heiligen Franziskus geweihten Kirche ausmachen. Resthof hat damit ein Sakralbauwerk von mehr als überdurchschnittlicher Qualität erhalten, das die Sünden des Bauwirtschaftsfunktionalismus, Form geworden in den umgebenden Wohnblöcken, deutlich werden läßt, allerdings auch ein wenig kompensiert.

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