Bauwerk

Filmarchiv - Filmdepot Laxenburg
Michael Embacher - Laxenburg (A) - 2004

Filme im Forsthaus

In der ruralen Einöde bei Laxenburg wurde das Zentralfilmarchiv um einen gelungenen Neubau erweitert. Auch dem Bedürfnis der Filmbewahrer nach einer zeitgemäßen Symbolik ihres Tuns wurde Rechung getragen.

26. Mai 2004 - Jan Tabor
Etwa zwei Kilometer hinter Laxenburg steht an der Umfahrungsstraße nach Münchendorf ein Haus, das früher ein Gasthof gewesen sein dürfte. Im Dach des erdgeschossigen Gebäudes steckt das Wrack eines abgestürzten einmotorigen Flugzeugs. Man soll sich von dem Cinecittà-Aussehen nicht täuschen lassen: Es ist nicht das Zentralfilmarchiv Laxenburg. Es ist das Restaurant Flieger&Flieger.

Ein paar hundert Meter weiter mündet ein Feldweg in die Bundesstraße; dort ragt aus der Erde eine große Stahlplatte heraus, die an den Rändern so durchlöchert ist, dass man das hier befremdlich wirkende Objekt für ein Monument des verschollenen Films halten könnte. Verschollen im Sinne von Peter Bogdanovich („The Last Picture Show“): „Es gibt keine alten Filme, sondern nur solche, die man sehen kann oder eben nicht mehr sehen kann“. Der Feldweg führt zu einem Weiler, der so nah am Rand eines dichten Haines liegt, dass man das Gehöft für einen Forstbetrieb halten könnte, wären nur im Schild des stattlichen barocken Hauses Hirschgeweihe angebracht. Es ist das Zentralfilmarchiv.

Schwer zu sagen, was schwieriger ist: Filme zu sammeln oder zu bewahren. Filme sind ein überaus empfindliches Kulturgut. Kein Vergleich mit Büchern. Wenn man sie in ihrer ursprünglichen Qualität erhalten will, muss man die Bildträger in stabil kühlen (sechs Grad Celsius) und feuchten (35-40 % relative Feuchtigkeit) Räumen lagern. Beginnen Filme einmal zu brennen (Nitratfilme bereits bei einer Temperatur von 120 Grad), dann lassen sie sich nicht mehr löschen. Daher dürfen Filmarchive nur außerhalb bebauter Gebiete errichtet werden.

Gleich neben dem Altbau, der tatsächlich ein kaiserliches Forstamt beim Schloss Laxenburg war und unter Denkmalschutz steht, befindet sich ein neues Gebäude, das man für eine moderne Scheune halten könnte. Für die tollkühne Interpretation eines Schuppens. Die stattliche Größe, die schlichte, zweckmäßige Form des Baukörpers und die rostbraune Farbe seines Fassadengeflechtes lassen darin nicht einen Kühlhaus-Betonbunker vermuten, aber doch einen Speicher: einen bautypologisch und -technologisch banalen Langzeitspeicher und zugleich einen Thesaurus, wie die alten Griechen das Schatzhaus nannten. Ein Wertvollspeicher.

Für das gesamte Bauvorhaben samt der aufwendigen Bauweise (Pfahlgründung wegen des sumpfigen Grundes, eine spezielle wärmedämmende Stahlbeton-Massivbauweise) und Klimatechnik (doppelt ausgeführt) sowie der Mobilregale für 300.000 Filmrollenkassetten standen nur 1,1 Millionen Euro zur Verfügung. Nach einigen Gesprächen der Archivdirektion mit verschiedenen Architekten erhielt das Büro Embacher Wien den Zuschlag. Michael Embacher ist dafür bekannt, dass er derartige Harakiri-Aufträge nicht nur höchst effizient, sondern auch architektonisch höchst anspruchsvoll auszuführen vermag.

Der Langzeitspeicher ist ein Kubus mit zwei Lagerebenen zu je fünfhundert Quadratmetern. Die Maße des Baukörpers entsprechen denen des barocken Forsthauses. Das monolithische Erscheinen des Gebäudes wird am Eck gegenüber dem Altbau durch eine - um eine Hand voll des Konstruktiven zu viel - dramatische architektonische Geste unterbrochen, die aus einem Schlitz für den Eingang, dem versenkten und rot gefärbten Aufzugsturm sowie aus der weit auskragenden freien Fluchtstiege samt brückenartigem Flugdach besteht.

Um eine von der Forsthausumgebung inspirierte Metapher zu verwenden: Den architektonischen Vogel hat der Architekt mit seiner witzigen Fassadenlösung abgeschossen. Um den ganzen Baukörper herum sind unzählige Streifen aus Kupferblech wie ein Geflecht angenagelt. Diese Paravents beschatten die Betonwände, sind unterlüftet und verleihen dem Gebäude ein überaus angenehmes, weiches und naturhaftes Erscheinen. Völlig frei von pseudoökologischen oder gar folkloristischen Attitüden, kann es als ein Muster des zeitgemäßen Bauens in der Landschaft gelten.

Die Breite der Bänder von 35 Millimetern entspricht dem verständlichen Bedürfnis der in der ruralen Einöde des Forstamtes werkenden urbanen Filmbewahrer nach einer zeitgemäßen Symbolik ihres Tuns. 35 Millimeter ist die klassische Filmbreite. Uneinig sind sich die Archivare und ihr Architekt nur in einer Frage: Ob auf die Stahlplatte bei der Straße die Aufschrift „ZENTRALFILMARCHIV LAXENBURG“ angebracht werden soll oder nicht. Die Antwort ist doch klar: Nein.

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