Bauwerk

Adambräu – Umbau Sudhaus
Rainer Köberl, Giner + Wucherer - Innsbruck (A) - 2004

Statt Bier lockt hier nun Baukunst

In Lois Welzenbachers Adambräu wird jetzt Architektur ausgestellt, diskutiert und gesammelt. Für die Restaurierung verantwortlich: Die Architekten Köberl, Giner und Wucherer.

22. Januar 2005 - Oliver Elser
Der Architektur der Moderne wird nachgesagt, sie habe den „neuen Menschen“ als idealen Bewohner ihrer Reißbrettplanungen im Visier gehabt. Das Proletariat sollte seine schmuddeligen Ketten absprengen und in den weißen Gesundheitssiedlungen einer täglichen Reinigung durch Licht- und Luftbäder unterzogen werden. Doch das Glück der Massen ließ sich weitaus schwieriger organisieren als die handfesten Wettbewerbsvorteile, die mit einem viel weniger sozialistischen Betätigungsfeld verbunden waren. Immer wieder suchten Industrielle die Nähe zu den avantgardistischen Architekten, war doch einigen von ihnen schon zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts bewusst, dass ein gutes Gebäude das eigene Unternehmen in Schwung bringen kann. Nicht nur, indem das hehre Ziel „menschlicher Arbeitsplätze“ verwirklicht wird, sondern auch, weil die PR-Funktion moderner Fabriken sehr früh erkannt wurde. Eine der Ikonen der modernen Architektur, Walter Gropius' im Jahre 1911 begonnenes Fagus-Werk in Alfeld an der Leine, steht nicht zufällig an einer Bahnlinie. Der Produzent von Schuhleisten aus Birkenholz (lat. fagus) setzte auf die Werbewirkung seines Baus, sonst hätte Gropius diesen für ihn so wichtigen Auftrag wohl nie erhalten.

Auch das „Adambräu“ in Innsbruck, geplant und erbaut zwischen 1926 und 1931 durch Lois Welzenbacher, sähe wohl anders aus, wenn es nicht in unmittelbarer Nähe zu den Gleisen des Innsbrucker Hauptbahnhofs errichtet worden wäre. So aber vereinigten sich Sachzwänge und Geltungsbedürfnis zu einem weithin sichtbaren Zeichen. Das Adambräu-Areal war bereits seit dem neunzehnten Jahrhundert der Standort der gleichnamigen Brauerei. Jahrzehnte später, als Welzenbacher für einige Neubauten angefragt wurde, war der Platz knapp geworden. Ein neues Sudhaus ließ sich nur noch als Hochhaus einfügen, in dem die sonst in die Breite gehenden Produktionsprozesse vertikal gestapelt werden, ein Novum in der Brauereiarchitektur. Doch Welzenbacher hatte nicht nur die Funktionsabläufe des Brauturms im Kopf. Für das in den Zügen vorbeifahrende Publikum, alles potenzielle Biertrinker, öffnete er die Wände des Hauses, um die blank polierten Kupferkessel hinter großzügigen Glasflächen in Szene zu setzen.

Nachdem 1989 zuerst die Braukessel verkauft und schließlich 1994 das gesamte Adambräu-Gelände vom neuen Besitzer, der Linzer Brauunion, stillgelegt wurde, war die Zukunft des Gebäudes höchst unsicher. Das Land Tirol hatte es abgelehnt, den Bau unter Denkmalschutz zu stellen, obwohl die herausragende Bedeutung Lois Welzenbachers für die Tiroler Architektur der Moderne und seine prägende Wirkung als Hochschullehrer in der Nachkriegszeit längst bekannt waren. Der Zufall wollte es, dass gleich zwei Innsbrucker Architekturinstitutionen auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten waren. Das Architekturforum unter der Leitung von Arno Ritter startete eine Rettungskampagne für das Brauhochhaus und schloss sich mit dem Archiv für Baukunst der Universität Innsbruck zusammen, das unter der Leitung von Professor Rainer Graefe die Nachlässe zahlreicher Tiroler Architekten verwahrt. Ritter konnte Friedrich Achleitner, der 1968 mit Ottokar Uhl eine Monografie über Welzenbacher verfasst hatte, für ein Gegengutachten gewinnen und legte gleich noch ein Nutzungskonzept vor, das vorsah, das Adambräu zum neuen Domizil für Architekturforum und Baukunstarchiv zu machen.

Der Plan ging auf. Doch erst verstrichen Jahre, in denen die Architekten Rainer Köberl, Thomas Giner und Erich Wucherer die Behörden erst mühsam überzeugen mussten, dass in dem Brauhochhaus auch Ausstellungsflächen, Archivräume, Büros und Seminarräume untergebracht werden können, ohne die Grundstruktur schwerwiegend zu verändern. Die verschiedenen Bereiche des Hauses finden jetzt zwanglos zu einer neuen Nutzung. Hinter der Glaswand befindet sich nun die „Lounge“ des Architekturforums, das sich zur Übersiedelung in „aut - Architektur und Tirol“ umbenannte. Über enge Stiegen und Stege, die sich einst um die technischen Einbauten herumschlängelten, gelangt man hinunter in die beiden Ausstellungsräume. Zur Eröffnung bleiben sie weitgehend leer. Die Ausstellung „vermessungen“ lässt dem Haus den Vortritt und beschränkt sich auf eine akustische und filmische Reise durch die Architektur.

In den darüber liegenden Geschossen zeigt sich der Bau zugeknöpft, da dort die Silos der zu Malz verarbeiteten Gerste untergebracht waren. Das enge Kammersystem aus Stahlbeton wurde mit Diamantsägeblättern chirurgisch exakt aufgeschnitten und mit Gitterrostböden unterteilt, auf denen künftig die Planschränke des Architekturarchivs aufgestellt werden. So bleibt der Eindruck erhalten, dass dieses Haus einst in senkrechter Richtung von allem durchspült wurde, was das Reinheitsgebot zulässt. Über den Silos befindet sich hoch oben auf Ebene 6 der Ausstellungsraum des Baukunstarchivs, wo derzeit aus den eigenen Beständen ein Überblick zur Tiroler Architektur gezeigt wird, bei dem natürlich auch Zaha Hadid nicht fehlen fehlen darf.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at