Bauwerk

Kunstmuseum Stuttgart
Hascher Jehle - Stuttgart (D) - 2004
Kunstmuseum Stuttgart, Foto: Brigida Gonzalez
Kunstmuseum Stuttgart, Foto: Brigida Gonzalez
Kunstmuseum Stuttgart, Foto: Brigida Gonzalez
Kunstmuseum Stuttgart, Foto: Brigida Gonzalez

In bester Lage

«Angekommen» - das neue Stuttgarter Kunstmuseum

14. März 2005 - Gabriele Hoffmann
«Angekommen», mit diesem Ausruf der Freude und Erleichterung hat die Stadt Stuttgart ihr neues Kunstmuseum eröffnet. Zwar sorgt der gläserne Kubus schon seit vier Monaten für einen unübersehbaren baulichen Akzent am Kleinen Schlossplatz (NZZ 22. 11. 04) und in der Flucht der Königstrasse, wo 1963 die Ruine des Kronprinzenpalais abgerissen wurde. Doch «angekommen» als Museum ist der Solitär erst jetzt mit der Ausstellungspremiere, die Museumsdirektorin Marion Ackermann ausschliesslich der über achtzig Jahre gewachsenen Städtischen Sammlung widmet. Graf Silvio della Valle di Casanova hatte 1925 mit der Schenkung seiner Gemäldesammlung den Grundstock für die Städtische Gemäldesammlung gelegt, die bis 1943 ihr Domizil in der für den Kronprinzen erbauten Villa Berg hatte und 1961 als Galerie der Stadt Stuttgart in das wiederaufgebaute Kunstgebäude von Theodor Fischer einzog. Eugen Keuerleber, Leiter der Galerie seit 1945, legte den Schwerpunkt seiner Ankäufe auf südwestdeutsche Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts mit Adolf Hölzel, Otto Dix und Willi Baumeister im Zentrum.

Bedeutendste Dix-Sammlung

Marion Ackermanns Vorgänger Johann-Karl Schmidt baute die Dix-Sammlung zur weltweit bedeutendsten Kollektion dieses Künstlers aus. Und so wundert es nicht, dass dem Olympier im neuen Haus zurzeit die gesamte oberste Ausstellungsebene zugewiesen ist. Hier hängen Hauptwerke aus den zwanziger Jahren: Die «Prager Strasse» mit den rhythmisch ineinander verhakten Elendsfiguren, das Lebensgier ausstrahlende «Grossstadt»-Triptychon und das schrille «Bildnis der Tänzerin Anita Berber». Und weil auch ein Otto Dix in dem geschlossenen Saal zu abgeschottet wäre, kam Bruce Naumans «Two Wolves, Two Deers» in die Saalmitte - geschundene Tierleiber, beäugt von Dix' Kriegskrüppeln, ältlichen Huren, Künstlern und Spiessern.

Ebenso präsent ist in dieser Eröffnungsschau der ab 1905 an der Stuttgarter Akademie lehrende Adolf Hölzel, Wegbereiter der deutschen Moderne. Von seinen Meisterschülern nimmt Willi Baumeister in der Sammlung den ersten Platz ein. Ein am Bauhaus entstandener Teppich von Hölzels Lieblingsschülerin Ida Kerkovius findet möglicherweise erstmals den Weg aus dem Depot ins Licht der Öffentlichkeit.

An der vom Foyer ausgehenden sechzig Meter langen Erschliessungsachse liegen kleinere Räume mit süddeutscher Malerei aus dem 19. Jahrhundert - herausragend bei den Impressionisten Hermann Pleuer mit «Lokomotive im Schnee». Unter den Expressionisten stand Heckel in der Gunst der schwäbischen Sammler besonders hoch. Den Gegenpol zur meditativ gestischen Malerei Bissiers bildet K. R. H. Sonderborgs impulsive Bearbeitung grosser Leinwände mit Messern und Spachteln.

Starke malerische Akzente setzt die Malerei der Grieshaber-Schüler Walter Stöhrer, Horst Antes und Dieter Krieg. Zu den bedeutenden Kunstsammlungen, die Schmidt als Dauerleihgaben an die Galerie der Stadt binden konnte, kam unter Marion Ackermann die Sammlung Teufel hinzu. Ihr verdankt die Ausstellung exemplarische Werke der konkreten Kunst von Schoonhoven, Lohse und Graeser, jetzt in Nachbarschaft mit Hard-Edge-Malerei von Georg-Karl Pfahler.
Grandioses Panorama

Schon die erste Ausstellung gibt den Berliner Architekten Hascher & Jehle Recht mit ihrem Konzept einer Verzahnung von «introvertierten Kunsträumen» und offenen «kommunikativen Bereichen». Wer vom Erdgeschoss aus den Parcours über die drei Ausstellungsebenen bis ins Höhencafé geschafft hat, wird erst einmal das grandiose Panorama mit Schlossplatz, Altem und Neuem Schloss und der sich an den Höhen hinaufwindenden Stadt geniessen, bevor er über die Treppe zwischen der Glashaut und der inneren Schale des Kubus aus krustigem Solenhofer Jurakalk hinabsteigt, um dann im Erd- und Untergeschoss den Werken der Gegenwartskunst zu begegnen. Im querliegenden 500 m² grossen Versammlungssaal provoziert eine Wandinstallation von Jannis Kounellis, «Senza Titolo», archaische Vorstellungen, wenn über Stahlplatten kleine Flammen zischen.

Die beiden kommunizierenden Ausstellungsebenen nutzen eine stillgelegte, leicht schräg verlaufende Autotunnelröhre unter dem Kleinen Schlossplatz. Alle Räume der 114 m langen und 14 m breiten Grundfläche sind durch diese Vorgabe nicht ganz rechtwinklig, und diese «Störung» wirkt auch im Kubus belebend. So richtig wohl fühlen kann sich im Untergeschoss die exzellente Dieter-Roth-Sammlung. Auch die Werkgruppen der international renommierten Künstler Wolfgang Laib, Joseph Kosuth und Günther Förg gehören seit langem zum Bestand, der in jüngster Zeit von Marion Ackermann durch Ankäufe aktueller Kunst, darunter mehrere Werke von Karin Sander, erweitert wurde. «Les Délices des Evêques» von Rebecca Horn wird im neuen Museumskonzept ein Kristallisationspunkt für Werke mit politisch-sozialkritischer Ausrichtung sein, so wie René Sraubs Video «Umsonst ist der Tod» für das Thema «Ornament». In Zukunft werden die beiden unteren Ausstellungsebenen mit Werken aus der Sammlung quasi als Fundament dienen für die jährlich drei Wechselausstellungen im gläsernen Kubus.

[ Bis 31. Juli. Katalog (Hatje-Cantz-Verlag) Euro 39.80. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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