Bauwerk

Landesmusikschule Kufstein
riccione architekten - Kufstein (A) - 2004

Gläserner Klangkörper

15. März 2005 - Nora G. Vorderwinkler
Der Neubau der Musikschule Kufstein lässt das Bild von Eierkarton-gedämmten Proberäumen in düsteren Kellern weit in die Vergangenheit rücken. Mit seinem Wettbewerbsbeitrag setzte sich das Innsbrucker Architektentrio riccione (Clemens Bortolotti, Tilwin Cede und Mario Ramoni) dem Image entgegen, dass Musikunterricht hinter schwerem Gemäuer stattzufinden hat. Mit gekonnten Planungsansätzen und durchdachtem Materialeinsatz gelang ein architektonischer Lichtblick im doppelten Wortsinn: der zeitgemäße Musikschultypus steht stellvertretend für die Tatsache, dass selbst die speziellen raumakustischen Anforderungen an eine Musikschule mit einer transparenten und offenen Bauweise bewältigbar sind. Funktionell vereint der riegelförmige Baukörper die Musikschule (im Obergeschoss), die Stadtbücherei und das Stadtarchiv (im Erdgeschoss) unter einem Dach. Die horizontale Gliederung der nord- und ostseitigen Glasfassade macht die unterschiedliche Nutzung der Geschosse ablesbar. In den Obergeschossen ist jedes der boxenartigen Fassadenmodule jeweils einem Unterrichtsraum zugeordnet. Die Strukturierung der hochwertigen Verglasung hat schalltechnische Gründe: die Schwingungen werden von den einzelnen „Rahmen“ aufgenommen, ohne dass sie auf benachbarte Klassenräume übertragen werden. Als zusätzliche Maßnahme wurden Raum trennenden Bauteile – Wände und Decken – leicht schräg konzipiert. Dadurch verringert sich die Nachhallzeit in den musikerfüllten Räumen, was wiederum das so genannte Flatterecho von Wand zu Wand vermiedet. Neben der üblichen schalldämmenden Wandverkleidung aus gelochten Holzpaneelen sorgen zweierlei textile Vorhänge in jedem Unterrichtsraum für einen individuell einsetzbaren Schall- und Sichtschutz. Je nach Bedarf kann wahlweise der transparente oder der blickdichte Stoff vor Fenster und Wände gezogen werden. Zur Lösung dieser sensiblen Bauaufgabe stand den Architekten der erfahrene Akustikberater Bernd Quiring zur Seite, der vor einigen Jahren beim Umbau des Musikvereinssaales der Wiener Philharmoniker sein Fachwissen eingebracht hatte.

„Wir wollten keinen spiegelnden Palast bauen, sondern eine Schule, die nicht möglichst wenig „akademisch“ wirkt. Die Transparenz soll die Scheu abbauen, das Haus zu besuchen und zu nutzen“, erklärt Clemens Bortolotti. Als Beweis für die geglückte Einhaltung dieser selbst auferlegten Vorgabe steht die großzügige Arena im Erdgeschoss des Gebäudes. Ursprünglich für Darbietungen der Musikschule konzipiert, wird dieser öffentliche Bereich heute von unterschiedlichsten Nutzern intensiv bespielt. Kinder-, Senioren- und Tanzgruppen erobern regelmäßig mit diversen Aktivitäten das Terrain.

Maßgeblich für das Gelingen der Bauaufgabe war nicht zuletzt die äußerst positive Zusammenarbeit der Planer mit den Gemeindevertretern der Stadt Kufstein. „Für uns ist es immer noch wie ein Wunder, dass die Stadt Kufstein den Mut aufgebracht hat, ihre Musikschule in der heute bestehenden Art darzustellen“ sind sich die Architekten einig.

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Für den Beitrag verantwortlich: 20er - Die Tiroler Straßenzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Steffen Arorasteffen.arora[at]zwanzger.at