Bauwerk

Gemeinsam in Simmering
Schluder - Kastner - Wien (A) - 2004

Wohnlokomotive in Simmering

Neue Lebensgeister in einer Nachkriegs- siedlung weckt die GPA-Wohnanlage der schluderarchitektur. Bestückt mit bunt textilbeflaggten Balkonen, integriert die Anlage nicht nur die internationale Bewohnerschaft, sondern auch das Simmeringer Umfeld.

6. Mai 2006 - Isabella Marboe
Im Norden das Simmeringer Bad, die Grabsteine Hagleitner künden vom nahe liegenden Zentralfriedhof, die benachbarte Zwischenkriegsanlage (Architekten Franz Kaym, Alfons Hetmanek) von stadtbauamtlichen Gartenstadt-Ambitionen. Am Block, der im Osten von der Weißenböckstraße begrenzt und einer Supermarkthalle nahversorgt wird, regieren der städtebauliche Raster und karge Charme der Nachkriegszeit: Ein hoher, langer Riegel bildet die Ostflanke zur Kreuzung, in seinem Windschatten lag vor kammartig stramm gebürsteten, vierstöckigen Hauszeilen eine alte Industriehalle.

Ihr Abriss machte einen mehr als 200 Meter langen, schmalen Streifen frei, der von Norden bis zur Stichstraße an Schule und Kindergarten im Süden den Block durchmaß und sich so ideal zur belebenden Neuintervention eignete. Bauträger GPA setzte auf Stadtrandverdichtung, das fruchtbare Soziotop von je 50 Prozent in- und ausländischen Bewohnern - und Architektur: Für den Neubau mit 8800 m² Bruttogeschoßfläche gab es ein Gutachten, das die Architektengemeinschaft Schluder/Kastner gewann.

Ihr Entwurf bringt alle Wohnungen unter, bereichert den Freiraum der bestehenden Siedlung und nimmt ihr keine Luft. Leichtfüßig schwebt ein 165 Meter langer, vierstöckiger Riegel über dem offenen, geländedurchflossenen Erdgeschoß. An seine Stiegen im Laubengang docken fünf sonnengelbe Punkthäuser mit je zwei dreiseitig belichteten, großen Wohnungen pro Geschoß an. Jede hat einen Balkon und Garten zu ebener Erde oder am Dach.

Hoher Wohlfühlfaktor

Menschen entwickeln Angst vor dem anderen, wenn er ihnen fremd bleibt und sie selbst sich nicht wohlfühlen: Also versucht diese Anlage in allen Wohnungen für höchste Zufriedenheit zu sorgen und bietet in selbstverständlicher Beiläufigkeit viele Möglichkeiten, miteinander in Kontakt zu treten. Im Nordwesten lugen die Balkone neugierig mit ihrer tiefen Längs- oder behäbigeren Breitseite aus der Riegellängsseite, Textilelemente in Gelb-Orange-Rot-Grün-Kombinationen verströmen hier eine neue, bunte Lebensenergie. Viele statteten ihr Balkonien individuell aus.

Die ost-west-belichteten Einheiten im fast sechs Meter breiten Riegel haben laubengangbegleitende Bäder und Küchen, die sich zu großen Räumen am Balkon öffnen, die Wohnungen in den Kopfteilen außerdem eine Veranda. Tragende Stahlbetonscheiben bilden die Trennwände, die Außenmauern sind aus Ziegeln. Isolierglas und Dämmung ermöglichen kostendämpfenden Niedrigenergiestandard.

Versetzt gleiten horizontale Fensterbänder durch die vornehm in graues Eternit gekleidete Fassade, die mit dynamisch gehobenem Kopfteil wie eine Wohnlokomotive der Simmeringer Hauptstraße entgegenpfeift. Darunter taucht die Tiefgaragenzufahrt ins luftig-lichte Erdgeschoß ein, schallsicher birgt der Rampenhügel einen Proberaum, von dem wie eine Arena publikumstaugliche Treppen zum Gemeinschaftsraum des ersten Punkthauses führen.

In die tragenden Sockelscheiben sind Löcher gestanzt, die zum Spielen und Durchblicken animieren, rund um die lose eingestreuten, profilitverglasten Elemente wie Fahrradbox, Kinderspielraum und Waschküche mäandert der vom Büro Hallamasch mit Treppen, Rampen, Podesten und Spielplätzen anregend gestaltete Freiraum, der mit dem Gelände ans Nachbargrün emporwächst und um die Punkthäuser zum Eigengarten wird.

Die südwestsonnengeflutete vielfältig nutzbare, kommunikative Passage für alle klettert weiter über den offenen Laubengang, wo Profilitglas mit kindgerechtem, zweitem Haltegriff vor den Eingangstüren subtil eine privatere Zone markieren. Mit eigenen oder mietbaren Gärten, gemeinsamem Grillplatz, Sauna und Dampfbad endet sie am Dach mit Weitblick über Wien.

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