Bauwerk

Dominus Winery
Herzog & de Meuron - Yountville, Napa Valley (USA) - 1998
Dominus Winery, Foto: Margherita Spiluttini
Dominus Winery, Foto: Margherita Spiluttini

Lager und Labor

Die Dominus Winery bei Yountville im Napa Valley

7. Mai 1999 - Hubertus Adam
Über die Bay Bridge geht die Fahrt von San Francisco aus Richtung Norden; nach einer knappen Stunde ist Napa erreicht. Wie Perlen an einer Schnur reihen sich die Weinorte mit ihren klangvollen Namen im gleichnamigen Valley; das kalifornische Weinanbaugebiet gilt als touristische Attraktion ersten Ranges. Manche der Weingüter sind zu besichtigen, locken mit Degustationen die Besucher; für die Pegasus Close Winery hat Michael Graves bei Calistoga ein Ensemble in der Art eines neoklassizistischen Pasticcio errichtet. Derlei hat die Dominus Winery nicht nötig. Die Erzeugnisse von Christian Moueix, Spitzenprodukt der Region, finden auch so den Weg zu den - häufig in Europa ansässigen - Kunden.

Am nördlichen Rande von Yountville gelegen, ist die Dominus Winery weder Schaukellerei noch Degustationsstube, sondern Lager und Labor. So befleissigt man sich distinguierter Distanz: Ungebetene Besucher werden schon durch Hinweisschilder am Highway 29 abgeschreckt, den gekurvten Weg zu dem inmitten der Rebfelder befindlichen, breitgelagerten Gebäude einzuschlagen, dem ersten Gebäude, das Herzog & de Meuron in den USA realisieren konnten. Dunkelgrau zeichnet sich der langgestreckte Körper vor der sanften Hügelkulisse ab, erscheint des dunklen Farbtons wegen eher als Fläche oder Mauer denn als raumhaltiges Volumen. Das Innere ist streng funktional organisiert und gemäss dem Prozess der Weinherstellung gegliedert: ein Raum mit grossen Chromstahlbehältern für die erste Phase der Fermentierung, ein Barrique-Keller mit Eichenfässern und Degustationstisch, ein Flaschenlager; über dem Barrique-Keller Räumlichkeiten für Verwaltung und ein kleines Labor. Stahl und Beton bilden die Hüllen der axial angeordneten Bereiche. Nichts Spektakuläres also, wäre da nicht die steinerne Verkleidung, durch welche die drei Bauteile zu einem kompakten, von Ferne monolithisch wirkenden Kubus vereint werden. Zwei Durchfahrten trennen die funktionalen Einheiten und ermöglichen den Durchblick durch das Gebäude auf die hinter der Winery befindlichen Rebhänge.

Die nachgerade geniale Idee der Architekten bestand darin, den dunkelgrauen, leicht ins Grünliche changierenden Basalt nicht zu vermauern, sondern wie monumentales Granulat in sogenannte Gabions zu füllen, quaderförmige Drahtgitterkäfige, die üblicherweise zur Befestigung von Strasseneinschnitten Verwendung finden, hier aber, an Stahlgerüsten befestigt, die äussere Hülle des Bauwerks bilden. Die nicht geschichteten oder gefügten, sondern geschütteten Steinmassen bewahren das Innere vor den starken Temperaturschwankungen Kaliforniens und erlauben es, auf eine aufwendige Klimatisierung zu verzichten; Vor Fensteröffnungen wurden ungefüllte Gabions versetzt, und auch die eingeschnittenen Terrassen vor den Verwaltungsräumen sind mit den Drahtkäfigen umgeben, um den Eindruck des stereometrischen Volumens nicht zu stören.

Die wohl eindrücklichste Perspektive bietet der Blick durch die von hängenden Schürzen aus Gabions überfangenen Durchfahrten. Das Tageslicht fällt gedämpft durch das Sieb der Steine hindurch, die ins Schweben zu geraten scheinen. Faszinierend ist die Tatsache, dass sich die üblichen Relationen von Leichtigkeit und Schwere, Fragilität und Massigkeit umkehren. Seiner traditionellen architektonischen Funktion entkleidet, Mauern zu bilden und Massen abzutragen, ist der Stein nur mehr er selbst; der konstruktive Part scheint an die Drahtgitterelemente delegiert. Erst aus weiterer Ferne werden die Gitternetze unsichtbar, verdichten sich die Steinbrocken optisch zur Mauer.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Christian Moueix
Cherise Chen-Moueix

Fotografie