Bauwerk

Büro- und Wohnhaus Moosstraße
Robert Wimmer - Salzburg (A) - 1997
Büro- und Wohnhaus Moosstraße, Foto: Klomfar & Sengmüller
Büro- und Wohnhaus Moosstraße, Foto: Robert Wimmer

Nur ein Arbeitstisch, that's it

Salzburg, Moosstraße. Vorher: ein riesiges Satteldach, eine Laderampe. Nach Umbau, Sanierung und teilweisem Abriß unter der Ägide von Robert Wimmer: ein aus versetzten Kuben und Quadern gebildeter Baukörper, so scharfkantig wie funktional.

Bei diesem Umbau handelt es sich um einen typischen Fall von „vorher/nachher“. Denn das Haus, das sich Robert Wimmer in der Moosstraße in Salzburg gekauft hat, muß man auch im ursprünglichen Zustand gekannt haben, um seine architektonische Metamorphose wirklich gebührend schätzen zu können. Jedenfalls dürfte es früher einmal so ziemlich das häßlichste Haus in einer an baukünstlerischen Juwelen ohnehin nicht reichen Gegend gewesen sein. Das läßt sich allerdings jetzt am Objekt selbst nicht mehr nachvollziehen.

Man könnte auch sagen, daß es ein Haus üblichen Zuschnitts war, also mit einem gewaltigen Satteldach - und in diesem Fall auch mit einer Laderampe und im übrigen partiell in so schlechtem Zustand, daß an Sanierung und Umbau von vornherein nur teilweise zu denken war. Das hat der Sache aber nicht geschadet. Im Gegenteil: Wo abgerissen und neu gebaut werden mußte, ist nun das Büro des Architekten untergebracht, und gerade dieser Bauteil stellt gemeinsam mit dem zurückgesetzten zweiten Obergeschoß, das an die Stelle des früheren Satteldaches getreten ist, jetzt auch das Besondere des Hauses dar.

Man glaubt es kaum, was da ein wenig abgerückt von der Moosstraße steht: ein scharfkantiger, aus versetzten Kuben und Quadern gebildeter Baukörper, dessen schwarzes Mauerwerk in der Sonne irritierend flimmert und glitzert. Die weißen Begrenzungsmauern zweier uneinsehbarer räumlicher Einheiten setzen sich davon ab und geben keinen Aufschluß darüber, was sich dahinter verbirgt: Mülltonnen? Geparkte Autos? Ganz oben schimmern die Blechpaneele an der Fassade des neu hinzugekommenen Obergeschoßes, das wie ein Penthouse formuliert ist.

Man kann dem Architekten Glauben schenken, wenn er berichtet, daß der Instanzenweg durch die verschiedenen Salzburger Magistratsabteilungen mühsam und langwierig gewesen ist. Und das umso mehr, als auch Anrainereinsprüche im Spiel waren.

Das gehört heutzutage zwar fast schon dazu, wenn einer bauen will, trotzdem gibt es im vorliegenden Fall einen gravierenden, möglicherweise sogar entscheidenden Unterschied zu einem herkömmlichen Baubewilligungsverfahren. Denn hier war der Architekt sein eigener Bauherr, und in dieser Eigenschaft hat er mit Zähigkeit, Entschlossenheit und Geduld all das erkämpft und erstritten, was ein fremder Auftraggeber an Ansprüchen nur allzu schnell fahren läßt, sobald er erkennt, daß es Schwierigkeiten gibt.

Wahrscheinlich ist das Projekt auf Grund dieses speziellen Umstandes so gut gelungen. Es stand jemand dahinter, der nicht nachgegeben hat. Und das ist - abgesehen vielleicht vom Bundesland Vorarlberg - eher die Ausnahme als die Regel. Das Bauen muß so schnell und unkompliziert wie möglich sein, sonst verliert der Bauherr kurzfristig vielleicht sogar Geld, und längerfristig können Bauherren meistens nicht denken.

Wimmer hat von der Substanz das beibehalten und in einer radikal umgedeuteten Version benützt, was sinnvoll war, alles andere hat er geopfert, geändert, durch Neues ersetzt. Das Haus gliedert sich jedenfalls in zwei Teile: in einen vermieteten Bereich mit eigenem Zugang, den umgebauten Bestand, wo Wohnungen und Büros untergebracht sind; und in jenen Teil, der abgebrochen und neu gebaut werden mußte. Der hat ebenfalls einen eigenen Zugang und umfaßt nun als wesentlichste Einheit, praktisch auf der Ebene des ersten Untergeschoßes und im Erdgeschoß, das Büro des Architekten, darüber liegen ebenfalls vermietete Einheiten.

Diese Bürolösung auf zwei Ebenen ist hervorragend gelungen, obwohl sie allerhand Kunstgriffe erfordert hat. Denn Wimmer hat seinen Mitarbeitern natürlich nicht zugemutet, daß sie im neuen Büro ein Kellerdasein führen müssen (was arbeitsrechtlich in Österreich auch gar nicht gestattet ist). Also hat er, um in diesem Bereich des Hauses zwei volle Geschoße unterzubringen und trotzdem nicht den Anschein von Kelleratmosphäre aufkommen zu lassen, das Gelände vor seinem Büro abgegraben. Entstanden ist vor dem nach Süden orientierten Büro, im sogenannten Untergeschoß, kein alibihafter Tageslichtgraben, sondern ein angenehmer Freiraum. Und gerade in diesen Tagen, an der Schnittstelle vom Frühjahr zum Sommer, wird sich diese Annehmlichkeit für die Mitarbeiter womöglich gewinnbringend bemerkbar machen.

Die Glasfassade des Büros schaut also nach Süden. Sie ist selbstverständlich durch automatische Jalousien „abgesichert“, man erstickt oder verbrutzelt auch bei Sonne nicht in den Arbeitsräumen. Überhaupt ist das Büro räumlich so organisiert, daß alle erdenklichen funktionellen Kriterien bestens erfüllt sind.

Der Besucher betritt diesen Bereich des Hauses durch den separaten Eingang und kommt in eine Raumschicht, die ausschließlich den Besuchern gewidmet ist. Vom Besprechungszimmer über die Teeküche bis zu den Naßräumen ist alles da, was den möglichen Auftraggeber davon abhalten könnte, ins Herz des Büros vorzudringen und die Projekte, die dort in Arbeit sind, allzu neugierig in Augenschein zu nehmen. Daß ein Architekt nicht unbedingt begeistert ist, wenn potentielle Bauherren Projekte zu Gesicht bekommen, die erst im Entwicklungsstadium sind, ist verständlich. Dieser kritischen Zwangslage entzieht sich Wimmer mit seiner Raumstruktur unangestrengt und bravourös.

Hinter dieser Besucher-Raumschicht sind verschiedene Arbeitsbereiche situiert, darunter auch der Arbeitsraum des Architekten: Er ist allerdings nicht repräsentativ angelegt - die Repräsentation findet eben tatsächlich in der räumlichen Schicht davor statt - , sondern besteht aus einem unglaublich großen Arbeitstisch, that's it.

Von dieser Erdgeschoßebene wendelt sich eine - übrigens sehr schön detaillierte - Treppe hinunter ins ehemalige Untergeschoß. Das hat unter den Bürobereichen darüber normale Raumhöhe, aber auf einer beachtlichen Raumtiefe bis zur Glasfassade ist es dann zweigeschoßig. Das ist zum einen für das Raumklima dieses südseitig orientierten Bauteils nicht unwichtig, es vermittelt andererseits aber auch eine räumliche Großzügigkeit, die man dankbar zur Kenntnis nimmt.

Wimmer hat im adaptierten Altbau Wohnungen und Büros untergebracht. Auch da beherrschen fließende Grundrisse die Szene, sofern das unter der Vorgabe der Verwert- sprich: Vermietbarkeit eben möglich war. Und es sind im Grunde simple Maßnahmen, die für atmosphärische Frische sorgen. Die Erschließung, das Stiegenhaus, hat zum Beispiel einen neuen Bodenbelag und unterschiedliche, unifarbene Wandanstriche erhalten, mehr nicht. Mehr Aufwand ist in Wirklichkeit gar nicht angebracht. Schließlich bewegt man sich durch ein ganz normales Haus, in dem Büro- und Wohnnutzungen gemischt sind, das aber nicht den Ansprüchen eines öffentlichen Gebäudes genügen muß.

Insofern war Luxus hier also nicht angesagt. Es ging vielmehr um eine ökonomische und zweckmäßige Lösung, die aber - und das ist der Punkt - in formaler Hinsicht auf einem Niveau angesiedelt ist, das nicht hochgeschraubten materiellen, sondern explizit ideellen Ansprüchen so weit wie eben machbar genügt.

Apropos ideell: Wimmer konnte es sich nicht verkneifen, etwas bei diesem Projekt zu realisieren, was der Bauherr herkömmlichen Zuschnitts so gut wie immer rigoros verweigert. Er hat - wie soll man sagen: sinnlose?, nutzlose?, jedenfalls unverwertbare - Freibereiche geschaffen. Sie verbergen sich hinter den eingangs erwähnten weißen Umfassungsmauern und schließen nicht Mülltonnen oder Parkplätze ein, sondern im einen Fall die „natürliche“ Skulptur eines 30jährigen Nußbaumes, im andern die „künstliche“ eines von Francis Valentiny geschaffenen Bronzekopfes, der auf einem Podest plaziert ist.

Es sind zwei Höfe, mit denen man nichts anfangen kann; außer eintreten, sich hinsetzen und möglicherweise nachdenken - oder auch nur schauen. Der Nußbaum wächst inmitten eines mit Steinen ausgelegten Hofes, der Sockel mit der Skulptur wächst aus einer Wasserfläche heraus. Wie wichtig und außergewöhnlich es doch ist, wenn man räumlich einmal auf etwas trifft, was auf keinen vordergründigen, wie pragmatisch auch immer angelegten Zweck ausgerichtet ist! In diesen unseren Zeiten haben wir auf solche Möglichkeiten - und auf deren Qualitäten - fast schon vergessen.

Eine letzte Anmerkung betrifft den schwarzen Putz des Mauerwerks. Der war für die Anrainer natürlich ein Schock. Aber er hat mit der Umgebung etwas zu tun: Denn dort gibt es nicht nur alte Scheunen und Stadel in Holz, das im Lauf der Jahrzehnte eine fast schwarze Färbung angenommen hat, dort wird auch Torf gestochen - siehe Adresse: Moosstraße - , und der ist bekanntlich auch annähernd schwarz. Wimmer hat diese Schwärze allerdings gebrochen, oder soll man sagen: ins Irreale umgedeutet? Überhöht? Er hat dem Putz Glimmer beigemengt, und deswegen flimmert und schimmert und glitzert das Haus jetzt so. Aber ganz ehrlich: Es steht ihm zu.

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