Bauwerk

Lentos Kunstmuseum
Weber Hofer Partner - Linz (A) - 2003
Lentos Kunstmuseum, Foto: Dietmar Tollerian
Lentos Kunstmuseum, Foto: Dietmar Tollerian
Lentos Kunstmuseum, Foto: Dietmar Tollerian

Ein gläsernes Kunstschiff an der Donau

Eröffnung des „Lentos“-Museums in Linz

19. Mai 2003 - Andreas Hutter
Ein leuchtender Baukörper, der sich nachts in der Donau spiegelt und tagsüber eins wird mit der Stadt - diese Vision schwebte dem heute 53-jährigen Zürcher Architekten Jürg Weber von Weber und Hofer vor, als er sich 1998, in einem europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb für ein neues Kunstmuseum im österreichischen Linz, gegen 218 Konkurrenten durchsetzte. Fünf Jahre und 29 Monate Bauzeit später hat das 33 Millionen Euro teure «Lentos», in welchem nun die auf moderne Kunst spezialisierte Neue Galerie der 200 000 Einwohner zählenden Donaustadt eingezogen ist, die Linzer Silhouette entscheidend verändert. Es ist so klar und markant geraten wie jenes Klavierstück des US-Minimalisten Philip Glass, das bei der gestrigen Eröffnung uraufgeführt wurde. Schiffsähnlich liegt der 130 Meter lange, schlanke Betonkörper am Ufer der Donau, im Norden vom Wasser umspült, im Süden von Park umschlossen. Er wird gleichsam an der Lände festgemacht von zwei übermannshohen roten Kuben, den vorgelagerten Ausgängen der Tiefgarage. Eine übergestülpte, halbtransparente Glashaut verbindet das dreigeschossige Haus mit seiner Umgebung, ja löst es, je nach Witterung, durch Spiegelung fast darin auf. Nachts rücken Hunderte von in die Fassade integrierten Leuchten das Museum in ein besonderes Licht, je nach Anlass in wechselnden Farben.

Mit dem Lentos rückt die Stadt an die Donau heran. Im Verein mit dem Konzertpalast Brucknerhaus, dem AEC (Heimstatt des Computerkunstfestivals Ars Electronica), dem literarisch ausgerichteten Stifterhaus und der Kunstuniversität soll es eine zunehmend Gestalt annehmende Kulturmeile am Fluss formen. Urbanen Aktivitäten wird die Möglichkeit eröffnet, sich an die Donaupromenade auszuweiten, und sei es nur durch das im «West End» des Hauses eingerichtete Café mit Aussichtsterrasse. Eine weitere Funktion erfüllt der entscheidende architektonische Kniff: die in einer Länge von 60 Metern aus dem Kubus herausgeschnittene offene Vorhalle, die als Entrée dient. Sie eröffnet neue Durchsichten auf die Donau und die Hügel nördlich der Stadt.

Postkartenblicke wie diese ergeben sich auch durch wenige, präzise gesetzte Fenster im Obergeschoss, das Ausstellungen vorbehalten ist. Elf zusammen 800 Quadratmeter grosse, in Abfolge begehbare Kammern für die ständige Sammlung sowie ein 40 Meter langer und 21 Meter breiter Saal für Sonderausstellungen nutzen das Oberlicht, das durch eine der europaweit grössten Glasdecken dringt: Dieses fällt bis November auf «das Beste der Grossformate aus eigener Sammlung», wie Direktor Peter Baum erklärt. Konnten doch viele dieser sperrigen Kunstwerke in der bisher in einem Geschäftshochhaus versteckten Neuen Galerie aus Platzmangel nicht gezeigt werden: «Rouge sur blanc» von 1960 etwa, das zehn Meter lange Hauptwerk des österreichischen Avantgardisten Markus Prachensky.

Insgesamt können 250 Werke aus den letzten 150 Jahren und damit ein respektables Stück Wegs der Moderne durchwandert werden: Ensembles aus der Zeit des Jugendstils und des Expressionismus, österreichische Malerei der Zwischenkriegszeit, mitteleuropäische Kunst nach 1945, Informel und Pop-Art. Bekannte Namen fehlen dabei nicht: Je zwei Werke von Klimt und Schiele, drei von Kokoschka, weiter Bilder von Karel Appel, Andy Warhol, Keith Haring, Arnulf Rainer sind anzutreffen, aber auch Arbeiten von Alfred Kubin - mit einer Retrospektive über den visionären Zeichner wurde die Neue Galerie 1947 ins Leben gerufen. 1500 Gemälde, Skulpturen und Objekte sowie 10 000 Druckgrafiken und Fotos umfasst die Sammlung heute, deren Grundstock Bestände des Berliner Kunsthändlers Wolfgang Gurlitt (1888-1965) bildeten. Neben Österreich und Ungarn, dessen Avantgardisten hier studiert werden können, ist heute übrigens noch ein Land überdurchschnittlich darin vertreten: die Schweiz, mit Künstlern wie Daniel Spoerri, Franz Gertsch oder Gianfredo Camesi.


[Das Museum Lentos ist täglich ausser dienstags von 10 bis 18 Uhr (donnerstags 10 bis 22 Uhr) geöffnet (www.lentos.at).]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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