Bauwerk

Austria Tabakwerke
Peter Behrens, Alexander Popp - Linz (A) - 1935

Linzer Tabakfabrik ist großes Theater

Mit der Besiedelung von Bau 2 der Linzer Tabakfabrik ist es wieder Zeit, hinter die Kulissen zu schauen.

8. Februar 2014 - Lorenz Potocnik
Von außen ist kaum etwas zu sehen. Gerade einmal die neue, hofseitige Rampe zwecks barrierefreiem Zugang sowie die Lichter am Abend sind Indiz dafür, dass etwas passiert ist. Seit Sommer 2012 wurde geplant, ab März 2013 gebaut. Vorige Woche wurde feierlich eröffnet, zumindest im obersten Stock, bei den Architekten Kleboth, Lindinger und Dollnig.

Zur Erinnerung: Die heutigen Mieter (Kleboth Lindinger Dollnig, die Firma Netural und Heinz Hochstetter) sind schon sehr früh initiativ mit einem Konzept und konkreten Wünschen zur Nutzung für genau diesen Bauteil an die Entwicklungsgesellschaft herangetreten. Dabei gab es weder einen Call für die Nutzung noch einen Wettbewerb für die Planung.

Nach rund eineinhalb Jahren Gesprächen und Verhandlungen hat die Stadt Linz schließlich fünf Millionen Euro in die Hand genommen und den Bau komplett saniert (Entwurf und Planung erfolgte durch das mietende Architekturbüro), um die 3000 Quadratmeter nun langfristig an das Konsortium zu vermieten. Die Geschichte dazu wurde schon ausführlich im Februar 2013 in den OÖNachrichten beleuchtet. Heute geht es nur um das Ergebnis.

Haus im Haus

Um bauphysikalische, denkmalpflegerische und gestalterische Anforderungen unter einen Hut zu bekommen, wurde das gemacht, was schon bei der Van Nelle Fabrik in Rotterdam (Architekt Wessel de Jong) erfolgreich war: Eine nach innen verlegte zweite Glashaut, die alle nötigen klimatischen Kriterien erfüllt, ohne die denkmalgeschützte Substanz angreifen zu müssen.

Im neuen doppelten Boden wurden Elektrik und Lüftung verlegt. Heizung und Kühlung wurden in eine abgehängte Decke gepackt, die auch schallschluckende Funktion aufweist. Ein Nachteil dieser Einbauten ist, das im Inneren der Box von der originalen Substanz nur mehr wenig erlebbar bleibt.

Zu spüren bleiben nur die betonummantelten Stahlsäulen und die Außenwände mit den Fensterbändern im „Linzer Blau“, die dafür gut in Szene gesetzt sind. Ein großer Vorteil der Haus-im-Haus-Konstruktion liegt darin, die originale Substanz weitgehend unverändert belassen zu können. Bestes Beispiel dafür sind die filigranen Fenster, die von der Metallwerkstätte Pöttinger nur ertüchtigt, d.h. in ihrer Funktion wieder hergestellt wurden. Die neue innenliegende, gebogene Glasfassade lebt offensichtlich von der sorgfältigen Planung und dem Know-how der ausführenden Firma GIG aus Attnang-Puchheim.

Aber: An Details, wie den lieblos geführten Kabeltassen, der etwas angestrengten Konstruktion der Zwischenwände oder der aufwändigen Haustechnik ist ein grundsätzliches Ringen zwischen Architektur und Technik sowie Vorschriften zu spüren.

Ein behutsamer Umgang mit dem 80 Jahre jungen Meisterwerk steht im Konflikt mit standardisierten, vermeintlichen Anforderungen (eines Neubaus). Mehr Ausnahme und weniger Norm hätten dem Umbau gut getan. Der Aufwand ist spürbar hoch – eine gewisse Coolness geht ab.

Ein mittlerweile bekanntes Beispiel für eine lässige Haltung und Herangehensweise ist das Wiener Hotel Daniel (Atelier Heiss Architekten) nahe dem neuen Hauptbahnhof. In ein ehemaliges – ebenfalls denkmalgeschütztes – Bürogebäude, wurden 2011 sehr entspannt Zimmer eingebaut. Ja, es gibt vielleicht Einbußen bezüglich des Komforts im Vergleich zu einem Neubau, aber das Flair des Hotels ist dadurch und nur dadurch einzigartig.

Bauteil 2 als Studienobjekt

Insgesamt konnte in der Tabakfabrik im nun abgeschlossenen Umbau des Bauteils 2 dank des hartnäckigen Einsatzes vor allem der Architekten und des Denkmalschutzes viel erreicht werden.

Ob der Umbau als Vorbild und Prototyp für Bauteil 1 Sinn macht, bedürfte einer offenen und mutigen Diskussion. Welche Rolle bei weiteren Schritten die Stadt selbst einnehmen soll, müsste wohl Teil der Diskussion sein.

Aber auch die Vorgehensweise insgesamt, die „Auswahl“ der Mieter, die Umbaustrategie, die Vergaben, die tatsächlichen Gesamtkosten und der Zeitplan wollen plausibel und nachvollziehbar erklärt werden.

Mehr als ein Prototyp, kann der Umbau als Studienobjekt genutzt werden: An diesem Versuch kann Gelungenes und weniger Gelungenes erkannt werden. Zum Copy & Paste taugt es sicher nicht. Dafür ist jeder Bauteil der Tabakfabrik zu unterschiedlich und bedarf jeweils seiner eigenen Lösung.

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Für den Beitrag verantwortlich: Oberösterreichische Nachrichten

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