Bauwerk

Wohnanlage Samer Mösl
sps architekten - Salzburg (A) - 2006
Wohnanlage Samer Mösl, Pressebild: Hertha Hurnaus

Passivhaussiedlung

Jurytext Österreichischer Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit 2010

26. Mai 2010 - newroom
Die Besichtigung an Ort und Stelle erwies sich wieder einmal als Korrektiv zu allen Einschätzungen, die von Abbildungen, von zweidimensionalen Plänen oder Renderings ausgehen. Was auf Fotos noch sperrig und mäßig „interessant“ gewirkt haben mochte, entpuppte sich vor Ort als vollkommen stimmiges Milieu, als Transformation einer „ortlosen“ Stadtperipherie in ein formal unprätentiöses Wohnquartier - vom Baukörper bis in alle Details innovativ durchdacht. Dies ist umso bemerkenswerter, als es sich nicht um Luxuswohnungen, sondern um alltäglichen, geförderten Sozialmietwohnungsbau mit seinen bekannten Limits handelt, mit „Einweisungen“ aus den Vormerklisten der Stadtgemeinde. Die drei Trakte antworten auf nachbarliche Richtungen, in ihrer leichten Auffächerung und gestuften Länge auch auf das umgebende Grünland; der westlich angrenzende Bach samt Ufervegetation wirkt optisch und als Kleinklima in die Siedlung herein; der Individualverkehr ist an der richtigen Seite konzentriert, die Bebauung auch in Nord-Süd-Richtung für die Anrainer durch die Stiegenhäuser quer „durchgängig“. Für ein Passivhaus in Holztechnologie ungewöhnlich die gleichwertig mit raumhohen Fenstertüren gegebene Ausformung der Längsfassaden, noch dazu angenehm aufgelockert durch leichtes Versetzen der Fensterachsen und –typen in der mittleren Etage gegenüber EG und 2.OG. Da die Trakte längs in SW/NO-Richtung stehen, sind beide Fassaden im Tagesverlauf von der Sonne bestrahlt, können bei allen Öffnungen passive Gewinne erzielt werden, und sind die Wohnungen auf beide Freibereiche hin geöffnet. Speziell im Weg- und Gartenraum zwischen den Trakten fällt die übliche Asymmetrie in Vorder- und Hinterseiten weg und entsteht eine funktionale und stimmungsmäßige Aufwertung dieser halböffentlichen Bereiche.

Die Wohnungsgrundrisse sind weiters so konzipiert, dass sie - mit den Küchen im Kernbereich- winkelig die Stiegenhäuser umgreifen und mit Schiebetüren einfach so zu richten sind, dass sich eine Transparenz von Außenwand zu Außenwand öffnet. Wichtiges Pendant dieser Quer-Rhythmisierung und -gliederung der Trakte sind schließlich die vertikalen „Klüfte“ der an beiden Längsseiten ebenfalls ums Stiegenhaus herum versetzten Balkon-Loggien: gut bemessene, halb geschützte, halb extrovertierte Freisitze für die Etagenwohnungen. Die ebenerdigen Wohnungen haben Vorgärten, sehr angenehm genutzt, möbliert, gepflegt; die Tiefgarage ist natürlich belüftet, erhält auch Oberlicht aus den weiß verputzten Quadern, die entlang der Wege die Frei- und Gartenräume gliedern.

Architekt und Holzbaufirma realisierten hier als Generalunternehmer mit Kostengarantie ein schlüssiges Ensemble mit vielen erst auf den zweiten Blick sichtbaren, doch elementaren Innovationen, die für die Berechnung der Geschossflächenzahlen, für brandschutz- und holzbauliche Richtlinien künftiger Wohnanlagen weitere Spielräume erarbeitet und gewonnen haben.


Nachhaltigkeit:
Wird zahlreichen Kritikerinnen und Kritikern Glauben geschenkt, dann stößt Nachhaltigkeit im sozialen Wohnbau auf wirtschaftliche und oft auch soziokulturelle Grenzen. Mehrkosten bei der Ausstattung mit zukunftsorientierter Gebäudetechnologie sind demnach gepaart mit der Ablehnung durch die Bewohnerschaft - vor allem dann, wenn im sozialen Wohnbau der MigrantInnenanteil hoch ist. Die Wohnhausanlage Samer Mösl tritt eindrucksvoll gegen beide Vorurteile an.

Realisiert wurde unter Einhaltung aller Fördergrenzen eine Wohnanlage in Passivhausqualität und Holzbauweise. Alle Wohnungen verfügen entweder über einen Eigengarten oder über direkt den Wohnungen zugewiesene Terrassen und Loggien. Die Dächer sind begrünt und beherbergen im zentralen von drei Bauteilen eine 200 Quadratmeter große Solaranlage für die Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung. Alle Wohnungen verfügen über eigene Kalt- und Warmwasserzähler, Waschmaschinen und Geschirrspüler besitzen Warmwasseranschluss. In einer eigenen Zisterne wird Regenwasser für die Bewässerung der Grünbereiche gesammelt. In der Tiefgarage sind für alle Bewohnerinnen und Bewohner Stellplätze für Fahrräder vorhanden. Die verwendeten Materialien sind zur Gänze HFKW-frei und bis auf die Elektroleitungen PVC-frei. Bitumenvoranstriche, -anstriche und –kleber sind lösemittelfrei, alle Bodenbeläge, Holzwerkstoffe und Anstriche sind emissionsarm.

Energieverbrauchsmonitoring wurde ebenso umgesetzt wie die qualitätssichernde Messung von Schallschutz und Innenraumluftqualität nach Baufertigstellung. Schon die Fülle dieser Qualitätsmerkmale macht deutlich, dass die Wohnanlage Samer Mösl in energietechnischer und umweltbezogener Hinsicht nahezu keine Wünsche offen lässt.

Aus der Sicht der Jury ist aber auch besonders hervor zu heben, dass sich die Bewohnerschaft zu einem hohem Anteil aus Personen mit Migrationshintergrund zusammen setzt. Durch die gelungene Umsetzung dieses ehrgeizigen Wohnbauprojekts unter Einbeziehung seiner Bewohnerinnen und Bewohner ist ein weiterer Beweis dafür gegeben, dass nachhaltiges Bauen und soziokultureller Anspruch mit hohem Qualitätsanspruch kein Widerspruch sind, sondern einander ergänzen können. (Jurytext: Otto Kapfinger, Robert Lechner)

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