Bauwerk

Haus 47°40´48´´N / 13°8´12´´E
maria flöckner und hermann schnöll - Adnet (A) - 2006

Das kleine Schwarze für zu Hause

Vier Wände? Von wegen. Die Architekten Flöckner & Schnöll schlugen ein Wohnen im Glashaus vor und hüllten das ungewöhnliche Ein-familienhaus in einen schwarzen Vorhang.

18. August 2007 - Wojciech Czaja
Ein schwarzer Vorhang weht im Wind. Einmal zuckt er poetisch und gibt den Blick aufs Salzachtal frei, einmal peitscht er mit großer Wucht gegen die Glasfassade. Dass es sich bei dem flachen Beton-Sandwich tatsächlich um ein Einfamilienhaus handelt, glauben nur die Wenigsten. „Wildfremde Leute stehen plötzlich auf der Terrasse und drücken sich die Nase an der Glasscheibe platt“, sagt Maria Flöckner vom Architekturbüro Flöckner & Schnöll.

Manche halten das Haus für ein Aussichtsrestaurant, einmal sei es sogar vorgekommen, dass Mountainbiker stehen blieben, um sich in der coolen Hütte mit Red Bull und Jausensnack zu stärken. Vergeblich. Und auch die Salzburger Kühe sind sich nicht so sicher. Ungeniert treten die gefleckten Wiederkäuer bis an die Hauskante vor und stecken ihren Kopf durch den schwarzen Vorhang, der die Terrasse in kühlen Schatten hüllt.

Mit dem Polyethylen-Vorhang wollte man den Bauherren eine Reverenz erweisen. Schließlich sind Friedrich und Heike - so viel darf verraten werden - in der Kunststoffbranche tätig und haben ein Faible für das Material. Für gewöhnlich ist das Gewebe grün und kommt auf Baustellen- gerüsten zum Einsatz. Hier wurde das grobe Netz schwarz eingefärbt und hüllt das Haus in ein dunkles Geheimnis, als wäre es ein zerknittertes Kleid von Issey Miyake.

„Man glaubt es kaum, aber bis vor wenigen Monaten haben wir sehr traditionell in einem Salzburger Altbau gewohnt“, erzählen die Bauherren, „ein paar Monate der Eingewöhnungsphase hat es dann freilich gebraucht.“ Doch um nichts in der Welt sei man heute noch bereit, das schwarze Glashaus gegen irgendein anderes zu tauschen. Schließlich habe man sich mit dem neuen Refugium einen lang gehegten Traum erfüllt: Man wohnt ohne Wände - und weitestgehend auch ohne Räume. Fast nahtlos geht ein Bereich in den anderen über, nur über geschickt versteckte Schiebetüren lässt sich nachts einmal ein Schlafzimmer, einmal ein Bad vom alles umfassenden Wohnbereich trennen.

Schwarzes Loch?

Gewohnt wird im ganzen Haus auf schwarzem Boden, zwischen schwarzen Wänden und größtenteils in schwarzen Möbeln. Doch auf die homogene Bodenfläche ist man besonders stolz: Der fein geschliffene Asphalt - gewärmt wird er mittels Fußbodenheizung - ist mit vielen kleinen, grünlichen Diabas-Steinen versehen. Das macht die Oberfläche wohnlich und edel. Eine rohe Straßenatmosphäre kommt daher gar nicht erst auf. Auch nicht unter der rohen Decke aus Sichtbeton.

Doch warum wohnt man völlig ohne Farben? Architekt Hermann Schnöll erklärt: „Vor dem Haus breitet sich eine wunderbare Natur in den kräftigsten Farben aus, die man sich nur vorstellen kann. Aus diesem Grund haben wir die Innenräume bewusst farblos gehalten.“ Die umliegenden Wiesen und Gebirgsketten kommen dadurch noch besser zur Geltung. Ganz zur Freude der Bauherrin: Sie kann vom hügeligen Ausblick nicht genug kriegen. Denn im norddeutschen Lande, aus dem sie stammt, da ist die Erde flach wie ein Brett.

Zur farblichen Auffrischung tragen nicht zuletzt auch die hauseigenen Autos bei - sie sind Teil des Wohnkonzepts. Durch eine riesige Trennwand aus Glas kann man unentwegt vom Wohnzimmer in die Garage blicken. Hier ein Audi, da ein Volkswagen, getoppt wird der farbenfrohe Fuhrpark von einem knallgelben Porsche. Auto und Bewohner können sich auf diese Weise gegenseitig fesche Blicke zuwerfen, den ganzen lieben Tag. „Die Bauherren haben sich für ein offenes Wohnkonzept entschieden“, so die Architekten, „und das haben sie dann auch konsequent durchgezogen.“

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