Bauwerk

obdo - Wohnbau Oberdorfstraße
pool Architektur - Wien (A) - 2007

Der Sprung über die Norm

Auch im knappen Budget des sozialen Wohnbaus kann räumliche Großzügigkeit stecken. Die pool-Architekten realisierten ein Haus, in dem sogar die durchgesteckten Einheiten überm Wohnraum einen Freudensprung auf fast drei Meter machen.

23. Februar 2008 - Isabella Marboe
Der soziale Wohnbau ist ein hartes, erneuerungsresistentes Pflaster. Hier trifft die Verantwortung für die Lebensqualität der Mieter auf knappe Budgets und klar definierte Richtlinien der Wohnbauträger. Was zählt, ist die maximale Nutzfläche.

Anders bei den pool-Architekten: Wenn sie entwerfen, geht es ums Ganze. Schräge Rampen, Wände, Decken und Terrassenlandschaften prägen ihre Bauten, in denen sich das Innen mit dem Außen verschränkt. Ihrer Liebe zu Innovation blieben sie auch im sozialen Wohnbau treu - und so kam die Oberdorfstraße zu einem Haus, in dem die Loggien an der Fassade springen, weil es dahinter Räume von fast drei Meter Höhe gibt. So etwas ist im sozialen Wohnbau nicht alltäglich.

Wie war das möglich? Wirklich spannend wird es immer über der Traufkante. Denn das Volumen, das sich dort unter der vorgeschriebenen 45-Grad-Neigung einschreiben lässt, birgt für Architekten die meisten Gestaltungsmöglichkeiten. „Die Bauordnung stellt es frei, den Giebel zu drehen“, erläutert Axel Linemayr von pool. Dieser innovative Kunstgriff brachte auf dem langen, schmalen Eckgrund das wesentliche Mehr an nutzbarer Fläche.

Sonne in jedem Raum

Nun begann die Knochenarbeit: das zähe Ringen um die optimalen Grundrisse. „Wir sind beim Entwurf von den Wohnungen ausgegangen. Sie sollten nach Süden orientiert sein und kaum Zimmer aufweisen, die nur von Norden belichtet sind“, so Linemayr, „wir wollten daher möglichst viele Einheiten durchstecken.“ Um die Südsonne ungehindert bis zur stillen Hofseite strömen zu lassen, entschied sich pool für fließende Räume und für die kostengünstige Schottenbauweise.

Das war noch nicht alles. Die große Wohnungstiefe wollte man mit mehr Höhe kompensieren, und so wurde in bester Loos'scher Raumplan-Tradition ein komplexes System entwickelt, das unterschiedliche Raumhöhen miteinander kombiniert. In den Wohnküchen beträgt sie üppige 2,80 Meter, während sie in den einzelnen Zimmern die üblichen 2,50 Meter aufweist.

Auch viel Luft und Sonne braucht der Mensch. Also wurden vor die offenen, raumhoch verglasten Wohnräume im Süden Loggien aus Sichtbetonfertigteilen gehängt. Um den Mietern im geförderten Rahmen noch ein Stück Balkon zuzuschlagen, sind sie seitlich perforiert. So entstand ein 58 Meter langer Baukörper mit einem prägnanten Eck, der etliche raffinierte Höhensprünge macht. „Es war eine richtige Detailtüftelei“, geben die Architekten zu, „die Baufirma war stark gefordert.“

Um noch mehr Wohnraum zu gewinnen, wurden quer über die Nordseite einige Erker verstreut. So kam das Haus an der Kreuzung im Osten zu seinem urbanen Auftritt. Hier liegen das gelbe Foyer, ein Gemeinschaftsraum sowie die Einfahrt zur Tiefgarage. Dem Hof zeigt die Garageneinfahrt ihre leutselige Seite: Sie ist außen als Lattenrost gestaltet, einen Spielplatz gibt es auch.

Ganz oben fluchten zwei gestaffelte Dachgeschoße mit Terrassen himmelwärts. Sie schaffen im Süden viel Platz an der Sonne und treppen sich dann von sechs auf vier Geschoße hinab. Hier endet das Loos'sche Regiment. Dafür gibt es Maisonetten, deren gelbe Laubengänge auf der Nordseite für Abwechslung sorgen. Auf einer Höhe mit dem Nachbarn endet das Haus im Westen mit einer Gemeinschaftsterrasse am Dach.

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