Bauwerk

Museum Liaunig
querkraft architekten - Neuhaus (A) - 2008
Museum Liaunig, Foto: Lisa Rastl
Museum Liaunig, Foto: Lisa Rastl

Kunst in der Röhre

Minimaler Aufwand, maximale Wirkung: das Liaunig-Museum in Neuhaus, Kärnten. Ein bezwingend einfaches Stück Architektur, perfekt geeignet für die Präsentation von Kunst.

24. August 2008 - Liesbeth Waechter-Böhm
Eine Landmark am Rand von Kärnten, nicht weit von der Grenze zu Slowenien, das ist das Museum des Industriellen Herbert W. Liaunig in Neuhaus/Suha geworden. Es spielt diskret mit der Landschaft, inszeniert seinen Auftritt aber doch. Odile Decq, sogenannte französische Stararchitektin und Siegerin des ersten internationalen Wettbewerbes, den Liaunig ausgeschrieben hatte, präsentierte ihr Projekt mit annähernd diesen Worten.

Seither ist viel Wasser die Drau hinuntergeflossen. Das Projekt musste nicht zuletzt, aber nicht nur aus Kostengründen abgesagt werden. 2006 folgte ein zweiter Wettbewerb, diesmal nicht international, sondern österreichisch. Und die Jury wählte aus den sechs geladenen Büros (Artec, Jabornegg/Palffy, Caramel, Krischanitz, Domenig/Wallner) die Wiener Architektengruppe Querkraft aus. Querkraft, das sind drei Architekten: Jakob Dunkl, Gerd Erhartt, der das Liaunig-Museum im Wesentlichen verantwortet, und Peter Sapp.

Was die Architekten von Querkraft immer schon auszeichnet: Sie sind allesamt streitbare Geister für innovative Konzepte, aber auch für Preis-Leistungs-orientierte Architektur, ihnen ist die Form wohl ein Anliegen, aber nicht das einzige.

Damit können wir den Kreis zur geknickten, gefalteten Baukörper-Landschaft der Odile Decq schließen. Was sie damals, nach ihrem Wettbewerbssieg, zur Presse sagte, gilt für den Bau von Querkraft mindestens genauso. Und doch schaut er so völlig anders aus. Das Gebäude ist schon bei der Anfahrt ein Erlebnis. Von Lavamünd führt eine Bundesstraße direkt vorbei. Irgendwann kommt man um eine Kurve – und schaut. Denn da kragt völlig unvermutet eine Art Röhre mit viereckigem Querschnitt immerhin 40 Meter über einen Steilhang hinaus und sendet ihre Signale.

Wenn schon, dann ein Zeichen

Natürlich haben sich die Architekten bei diesem Entwurf von vornherein gesagt: Wenn einer schon ein Privatmuseum errichtet, dann sollte man mit diesem Bau auch ein Zeichen setzen. Und das ist ihnen zweifellos gelungen. Dabei wurde aber die vorgegebene Situation – ein Hochplateau mit sehr steil abfallenden, teilweise dicht bewaldeten Hängen – kaum verändert, modelliert. Gerd Erhartt betont, dass der Erdaushub auf dem Plateau so sorgsam verteilt wurde, dass man keine Veränderung merkt.

In der Ausschreibung zum Wettbewerb ging es im ersten Abschnitt ausschließlich um die Kosten. Noch bevor überhaupt von der Nutzung des Gebäudes die Rede war. Das ist eine klare Ansage – eine verständliche noch dazu, wenn einer sein eigenes Geld in ein Gebäude investiert, das seine private Sammlung zumindest teilweise der Öffentlichkeit zugänglich macht. Natürlich hat Liaunig ursprünglich zum Land Kärnten Kontakt aufgenommen. Es gab eine Zusage, dass das Land einen Wechselausstellungsbereich samt Infrastruktur errichtet und die anteiligen Betriebskosten übernimmt. In diesem Fall wäre das Museum uneingeschränkt öffentlich zugänglich gewesen. Aber wir sind in Haider-Land. Und da schmolz nach einem Personalwechsel an entscheidender Stelle das Interesse an einem so speziellen Ort für Kunst ganz schnell dahin.

Nun ist Liaunig ein gewiefter Geschäftsmann mit der Fähigkeit zum Vorausblick. In der Wettbewerbsausschreibung war ein wichtiger Punkt, dass die beiden Bauabschnitte, das Privatmuseum und der Wechselausstellungs- beziehungsweise Veranstaltungsbereich des Landes, auch getrennt errichtet werden können. Im Projekt von Querkraft war das problemlos der Fall. Die „Bruchstelle“ bemerkt man überhaupt nicht.

Der Eingang sitzt diskret im Hang, nicht sonderlich inszeniert. Man kommt in ein sehr angenehm dimensioniertes Foyer. Und dann sieht man schon: diesen wunderbaren Weg hinauf zur Ausstellungshalle. Der ist leicht perspektivisch angelegt und saugt den Besucher unmerklich weiter, vorbei an dem, was Liaunig vorläufig „deponiert“ hat: Hier hängt auf Ausziehwänden all das, was nicht ausgestellt werden kann. Bei über 2000 Sammlungsobjekten kommt da einiges zusammen. Davon erhascht man zumindest einen punktuellen Eindruck. Und der kann wechseln, weil es so einfach ist, immer wieder eine andere Wand herauszuziehen, immer wieder ein anderes Werk ins Licht eines Spots zu rücken.

Die Sammlung ist großartig. Sie vermittelt einen überzeugenden Überblick über die österreichische Kunst seit 1950, enthält aber auch statementhafte Beiträge internationaler Provenienz. Man weiß nicht, wo man das in so konzentrierter Form sonst noch sehen könnte. In der Österreichischen Galerie im Belvedere sicher nicht. Und Essl hat aus seinem Museum ja doch eher eine Ausstellungshalle gemacht.

Ein Schlüsselgedanke der Architekten war jedenfalls, dass sie das Depot – sie nennen es einen „Weinkeller der Kunst“ – als spannende und lebendige Zugangsinszenierung gelöst haben. Man geht vorbei, im bewusst spärlichen Kunstlicht, und landet in der lichtdurchfluteten Ausstellungshalle. Da gibt es Tageslicht. Da geht es auch auf Terrassen, die einen wunderbaren Ausblick bieten, nicht zuletzt auf das Drautal.

Der Bau – und das spricht sehr für Querkraft – holt aus einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Wirkung heraus. Die eigentliche Ausstellungsröhre ist 160 Meter lang, sieben Meter hoch und 13 Meter tief. Genau genommen besteht sie aus einem betonierten U, über das eine Haut aus Paraschalen – pulverbeschichtetes Stahlblech mit Glasstreifen, die in der Decke eingelassen sind – gestülpt ist. Die Lösung ist simpel und industriell: Lagerhallen werden auf diese Weise errichtet. Aber hier erscheint sie geadelt. Sie ist richtig schön.

Nabelschnur mit Lichtdecke

Und sie ermöglicht natürlich, dass das Haus im beheizten Bereich heutigen Anforderungen entsprechend gedämmt ist. Man darf sich keine Illusionen machen: Liaunig stehen seine Kunstwerke näher als die Besucher. Im Winter werden sie schon mal eine dicke Jacke überziehen müssen, wenn sie dieSammlung besichtigen wollen. Das Museumwird in diesem Fall nicht überheizt. Der Bauherr trägt ja auch die Betriebskosten selbst.

Übrigens präsentiert Liaunig nicht nur seine Kunstsammlung, sondern in einem eigenen, durch eine Art „Nabelschnur“ – einen schmalen Gang mit einer wunderbaren Lichtdecke von Brigitte Kowanz – angedockten Raum auch seine Goldsammlung der afrikanischen Akan. Ein höchst sehenswertes Kontrastprogramm zum übrigen Museumsinhalt. Die Möglichkeit solcher unterirdischen Annexe, die mittels Nabelschnur ans Hauptgebäude angedockt werden, stellt für die Zukunft ein wichtiges Entwicklungspotenzial dar. So ließe sich immer noch eine Wechselausstellungshalle unterbringen, aber auch kleinere Bereiche, etwa für weitere spezielle Sammlungsteile.

Es ist das erste Museum, das Querkraft gebaut haben. Sein Konzept ist bezwingend einfach. Und doch artikuliert das Haus eine sehr starke architektonisches Aussage. Und was es nahezu perfekt macht: Für die Präsentation von Kunst in all ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen scheint es wirklich bestens geeignet.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at