Bauwerk

Ars Electronica Center
TREUSCH architecture - Linz (A) - 2008
Ars Electronica Center, Foto: Rupert Steiner
Ars Electronica Center, Foto: Rupert Steiner

„Ausstellungen für die ganze Stadt“

Nur kein zweites Kunsthaus Graz. Das Ars Electronica Center sei nicht nur eine Skulptur, sondern ein Apparat für die Stadt - Architekt Andreas Treusch im Gespräch

30. Dezember 2008 - Wojciech Czaja
Standard: Stress gehabt vor der Eröffnung?

Treusch: Es war eine anstrengende Zeit. Weder für die Entscheidungsträger noch für die Planenden und Ausführenden war es ein leichtes Projekt, denn der Zeitplan war sehr knapp bemessen. Schön, dass es uns gelungen ist, doch noch im Rahmen zu bleiben.

Standard: Das AEC hätte ursprünglich schon im Herbst fertig sein sollen. Warum die Verspätung?

Treusch: Herbst 2008 war der alte Stand. Doch wir haben immense Probleme mit dem Grundwasser gehabt und mussten den Zeitplan ändern. Die Baugrubensicherung und das Abpumpen des Wassers waren aufwändig, das hat mehr Zeit in Anspruch genommen als ursprünglich geplant. Dennoch: Die Eröffnung am 2. Jänner ist der perfekte Auftakt für Linz 2009.

Standard: Was kann das neue AEC, was das alte nicht konnte?

Treusch: Das neue Center ist vor allem ein städtebaulicher Schlussstein für den Bezirk Urfahr. Direkt neben der Brücke gibt es nun einen neuen Platz für die Öffentlichkeit. Nicht unwesentlich ist die Größe des Gebäudes. Wir haben die Fläche des AEC in etwa verdreifacht. Die bisherigen Säle wurden vergrößert, neue Ausstellungsflächen sind hinzugekommen. Außerdem gibt es ein Future-Lab sowie ein eigenes VR-Theater für Virtual-Reality-Aufführungen. Damit das Alte und das Neue nicht wie ein Stückelwerk aussieht, haben wir über alle Bauteile eine neue, homogene Schicht gezogen. Die Glasfassade ist damit eine Hülle, aber auch eine Kommunikationsfläche nach außen. Je nach Programmierung kann sie von Künstlern und Kuratoren für visuelle Effekte bzw. als mediale Plattform genutzt werden.

Standard: Das AEC bezeichnet sich als Interface zwischen Kunst, Technologie und Gesellschaft. Welchen Beitrag leistet die Architektur?

Treusch: Das AEC ist für mich das absolute Gegenbeispiel zum Kunsthaus Graz. Es ist nicht nur eine architektonische Skulptur, sondern auch ein Apparat für die Stadt. Ein Beispiel für das Interface: Entlang der gesamten Fassade gibt es unzählige Datenpunkte, die einzeln gesteuert bzw. angespeist werden können - mitsamt Datenquelle und elektrischem Anschluss. Wer auch immer die Fassade für mediale und künstlerische Installationen nutzen möchte, der kann das ohne weiteres tun. Die Infrastruktur ist vorhanden. Von einer derartigen Ausstellung an der Fassade profitiert nicht nur der Besucher, der eine Eintrittskarte löst, sondern jeder einzelne Passant in Sichtweite des Gebäudes.

Standard: Das Lentos war das erste Bauwerk am Donauufer mit einer Medienfassade. Das AEC, das an der Fassade ebenfalls auf Medientechnologie setzt, steht fast vis-à-vis. Dialog oder Konkurrenz?
Treusch: Beides.

Standard: Weil?

Treusch: In erster Linie ist es ein Dialog. Hier stehen sich zwei Lichtskulpturen gegenüber, die auf beiden Seiten der Donau jeweils eine Art Leuchtturm sind. Aber natürlich ist das AEC komplexer und vielschichtiger. Die Technologie am AEC ist jünger und somit auch zwangsweise besser.

Standard: Wie innovativ sind die verwendeten Materialien?

Treusch: Ich würde sagen: Die Materialien sind klassisch, aber dafür konsequent eingesetzt. Die Fassade ist eine Stahl-Glas-Konstruktion, wobei vor allem das Glas in den Vordergrund tritt. Einmal ist es durchsichtig, ein anderes Mal transluzent. Innen gibt es für die ruhenden Bereiche Sichtbeton-Oberflächen. Und in den Erschließungsbereichen haben wir lackierten Stahl verwendet. Alles, was mit Bewegung zu tun hat - also Stiegen, Brücken und Rampen -, ist in knalligem Gelb gehalten.

Standard: Warum gerade Gelb?

Treusch: Gelb ist eine vitale Farbe, vor allem rührt der Farbton aber wahrscheinlich von unseren Flughafen-Projekten her. Gelb ist die Farbe von Danger- und Watch-out-Areas. Die Farbe macht aufmerksam und neugierig. Man kann sie gar nicht übersehen. Wir wollten damit eine gewisse Aktivität ausstrahlen. Mit anderen Worten: Es tut sich was, alles ist im Fluss.

Standard: Sie könnten also damit leben, wenn das AEC in fünf Jahren völlig anders aussieht als heute?

Treusch: Eine tückische Frage! Das Gebäude ist, wie es ist. Man kann davon ausgehen, dass es in fünf Jahren nicht wesentlich anders aussehen wird. Aber Details werden sich natürlich ändern. Nicht zuletzt ist es der Bauherr und Nutzer, der das Sagen hat. Aber ich gebe ehrlich zu: Ich würde nur ungern zusehen, wenn die Betonwände mit Plakaten zugeklebt werden oder wenn die gelben Stahlelemente plötzlich umlackiert werden. Ich bin der Meinung, dass es uns gelungen ist, einen maßgeschneiderten und perfekt sitzenden Anzug fürs AEC zu entwerfen. Ich denke, dass das architektonische Angebot die richtige Funktion abdeckt und von den Nutzern eigentlich nur noch wahrgenommen und genutzt werden muss. Es wäre nicht sinnvoll, mit Gewalt nach neuen Formen und Funktionen zu suchen. Einen roten Ferrari verwenden Sie ja auch nicht für den Möbeltransport in die neue Wohnung.

Standard: Ein wichtiger Bestandteil des neuen AEC ist die öffentliche Terrasse. Warum soll das Publikum gerade hierherkommen?

Treusch: Diese Thematik haben wir mit der Stadt lange erläutert. Im Wesentlichen handelt es sich natürlich um eine Terrasse für die Öffentlichkeit. Man darf aber nicht außer Acht lassen: Faktisch ist diese Terrasse das Dach eines Gebäudes und somit Grundstücksbesitz des Ars Electronica Centers. Die Stadt hat mit dem AEC gewisse Nutzungsrechte erwirkt, und ich bin sehr froh, dass das geklappt hat. Und zur Nutzung: Auf dem Main Deck gibt es vorinstallierte Fundamente für Bühnenaufbauten, und der gesamte Platz ist mit Lkw befahrbar. Von der Statik und Infrastruktur her ist also alles für größere Veranstaltungen ausgelegt. Ich nehme an, dass sich früher oder später auch ein Kino unter Sternen ansiedeln wird. Ansonsten ist das einfach nur eine Aussichtsterrasse für die Stadt - mitsamt Ostermarkt- und Kirtag-Potenzial.

Standard: Und im Winter?

Treusch: Im Winter wird es Punschstände geben. Die kommen ganz von allein, ohne dass man sich darum bemühen muss.

Standard: Das AEC ist das erste Bauwerk, das im Kulturhauptstadt-Jahr eröffnet wird. Welche Bedeutung hat der Status „Europäische Kulturhauptstadt“ für Sie?

Treusch: Für uns war es eine große Herausforderung, fertigzuwerden. Insofern bin ich glücklich, dass das Kulturjahr nun endlich beginnen kann. Ich freue mich, dass ich mit meinem Team einen großen Beitrag für Linz09 liefern konnte. Und was das sonstige kulturelle Angebot betrifft, bin ich schon sehr neugierig.

Standard: Welche persönliche Erwartung hegen Sie an Linz09?

Treusch: Es waren teilweise sehr mutige Schritte, die hier gesetzt wurden. Daher würde ich mir wünschen, dass sich die finanziellen und intellektuellen Anstrengungen für die Stadt und für die Region in jeder Hinsicht gelohnt haben.

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