Bauwerk

Eiermuseum Bertoni
gaupenraub+/- - Winden am See (A) - 2010
Eiermuseum Bertoni, Foto: gaupenraub+/-
Eiermuseum Bertoni, Foto: gaupenraub+/-

Immer unter Spannung

Eiermuseum am Neusiedlersee

Ein Ei ist rund. Zumindest, wenn man es von oben betrachtet. Das heißt aber noch lange nicht, dass ein Eiermuseum auch auf einem runden Grundriss beruhen muss. Das Museum für die Eiersammlung des Wander Bertoni jedenfalls ist quadratisch. Und das ist gut so.

15. Dezember 2010 - Anne Isopp
Seit seinem zwanzigsten Lebensjahr sammelt der österreichische Künstler Eier. An die 4.000 Stück hat er inzwischen beisammen: große und kleine, steinerne, gläserne, metallene und solche aus Porzellan. Nicht in Kartons wollten er und seine Frau Waltraud die Sammlung ihren Nachkommen überlassen, sondern in einem würdigen Rahmen. So entstand die Idee zum Eiermuseum.

Die Architekten gaupenraub haben viel Zeit investiert, um dem Ort, den Wünschen des Bauherrn sowie den Ausstellungsobjekten gerecht zu werden. Allein der Ort, an dem das Eiermuseum steht, ist etwas Besonderes: 1965 erwarb Wander Bertoni inmitten von Weingärten in Winden am Neusiedlersee eine leer stehende Wassermühle mit angrenzendem Wohnhaus und Scheune. Nach und nach restaurierte und adaptierte er liebevoll alle Gebäude. 2001 ließ er sich von dem befreundeten Architekten Johannes Spalt einen Ausstellungspavillon gleich neben seiner Werkstatt errichten. Kurz darauf entstand die Idee, auch für die Eiersammlung ein Gebäude zu schaffen. Der inzwischen verstorbene Johannes Spalt zeichnete damals auf einer Papierserviette auf, welche Art von Gebäude er sich vorstellte: einen runden, zweigeschossigen Pavillon.

Er schlug Wander Bertoni vor, die Aufgabe seinen ehemaligen Schülern Alexander Hagner und Ulrike Schartner vom Wiener Büro gaupenraub zu übertragen. Diese befreiten sich ziemlich schnell von der Skizze ihres Lehrers und konnten den Bauherrn von einer eigenständigen, für den Ort und die Aufgabe adäquaten architektonischen Lösung überzeugen. Der Neubau ist nun quadratisch und zweigeschossig. Das Erdgeschoss ist vollkommen verglast und fungiert als Vitrine. Zwei schräg gestellte Stahlstützen und eine Stahltreppe sowie in der Fassadenebene angeordnete Zugstangen tragen das Obergeschoss samt Dach. Dieses ist fensterlos, in den oberen Ausstellungsraum dringt indirektes Licht lediglich über die Schrägverglasung, die die Erdgeschossfassade mit dem weit auskragenden Dachaufsatz verbindet.

Wo sonst Schwingungen in einer Deckenkonstruktion normal sind, waren diese hier aufgrund der fragilen Ausstellungsobjekte absolut unerwünscht. Wenn man aber eine quadratische Decke auf drei Stützen oder eben wie hier auf zwei Stützen und eine Treppe stellt, dann gibt es immer mindestens eine Ecke, die weit auskragt. Um auch diese nun frei von Schwingungen zu bekommen, hätte man die tragende Konstruktion um einiges dicker machen oder doch auf Außenstützen zurückgreifen müssen. Beides aber wollten die Architekten auf keinen Fall. Die Lösung, die sie mit Peter Bauer vom Statikbüro werkraum wien entwickelten, erscheint im Nachhinein simpel, doch steckt ein intensiver Planungsprozess dahinter: Die gesamte Stahlkonstruktion ist vorverformt und wird erst mithilfe von Zugstangen in der Fassadenebene in die horizontale Lage gebracht. Die Konstruktion steht damit immer unter der zu erwartenden Maximallast, und wer darauf geht, entlastet das Gebäude. Auf der Suche nach einer materialgerechten Konstruktion mit zugleich schlanken Querschnitten führte der Weg die beteiligten Planer nicht nur zu einer Mischkonstruktion aus Holz und Stahl, sondern auch zur Vorspannung: Deren Vorteil ist, so Bauer, dass man die Materialquerschnitte ausnutzen kann und eine hundertprozentige Materialminimierung bei gleichzeitig geringstmöglichen Verformungen hat. Doch Vorspannung bedeutet eben auch immer einen großen Planungsaufwand.

Die Stahlkonstruktion wurde an jedem Punkt etwas überhöht errichtet und mithilfe der Stahlstangen in die richtige Position gebracht. Die Dachkonstruktion aus Holz bringt bei gleichzeitig geringem Gewicht die nötige Randaussteifung der Plattform in das System. Die Architekten und der Statiker wollten diese zuerst als Fachwerk errichten, doch dem hinzugezogenen Zimmermann war die Vorstellung, eine Fachwerkkonstruktion vorzuverformen, nicht geheuer. Denn diese hätte nicht nur vertikal entsprechend der Stahlplattform vorverformt, son- dern auch leicht versetzt aufgestellt werden müssen, da sich die Decke unter Vorspannung auch horizontal verdreht. Deshalb schlug er eine Brettsperrholzkonstruktion für die Dachschrägen vor und eine klassische Sparrenkonstruktion als Abschluss.

„Wenn man einem Gebäude zuhören und darauf eingehen will, was es braucht, dann heißt das auch, dass man bereit ist, sehr viel mehr Planungszeit hineinzustecken“, sagt Peter Bauer. „Das unterscheidet dieses Konzept von einem traditionellen Weg, bei dem man Abkürzungen gehen kann, weil man es schon öfters gemacht hat.“ Der Aufwand hat sich gelohnt: Einen besseren Aufbewahrungsort für seine Objekte als dieses präzise geformte Schmuckkästchen kann man sich als Sammler gar nicht wünschen.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: zuschnitt

Ansprechpartner:in für diese Seite: Kurt Zweifelzweifel[at]proholz.at

Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Waltraud Bertoni
Wander Bertoni

Tragwerksplanung

Fotografie