Bauwerk

Das Tirol Panorama
stoll.wagner+partner - Innsbruck (A) - 2011
Das Tirol Panorama, Foto: Gerhard Hagen / poolima
Das Tirol Panorama, Foto: Gerhard Hagen / poolima

Runde Sache

Am Samstag wird das Tirol Panorama eröffnet - Das Rundgemälde hat ein neues Zuhause und Innsbruck ein neues Museum

12. März 2011 - Wojciech Czaja
Es ist Samstag, Abend. Das bayerisch-französische Heer hat vor der Stadt die Zelte aufgeschlagen und macht sich bereit, Innsbruck anzugreifen. Der Kampf gilt den aufmüpfigen Tirolern, die sich partout weigern, Steuererhöhungen, Wehrpflicht und religiöse Diktion zu erdulden und weiterhin Teil des Bayerischen Königreichs zu sein. Dicke Luft.

Am nächsten Morgen ist es so weit. Unter der Führung von Marschall Lefebvre bricht die Infanterie zum Bergisel auf und metzelt nieder, was ihr in den Weg kommt. In den Abendstunden schließlich, nachdem die Schlacht ihren Höhepunkt erreicht hat, bleibt den Aggressoren keine andere Wahl als zu kapitulieren. Es mangelt an Munition und Energie.

Dank der Führerschaft von Andreas Hofer ziehen sich die Bayern bis auf weiteres wieder zurück. Die dritte Bergiselschlacht am 13. August 1809 geht in die Geschichte ein und wird rund hundert Jahre später vom Münchner Alpen- und Panoramamaler Michael Zeno Diemer auf die Leinwand übertragen. Es ist eine romantisierte und touristisch auffrisierte Momentaufnahme.

Seit heute, Samstag, hat das Innsbrucker Rundgemälde ein neues Zuhause. „Das neue Museum am Bergisel ist mit Sicherheit einer der wichtigsten Kulturbauten der letzten Jahre“ , sagt Benno Erhard, Projektleiter in der Kulturabteilung des Landes Tirol. „Es ist nicht nur ein schönes und modernes Gebäude, sondern auch die einzige Möglichkeit, das Rundgemälde, das bis vor kurzem in der alten, baufälligen Rotunde untergebracht war, nachhaltig zu sichern.“

Während die mittlerweile verwaiste Holzrotunde am Inn unter Denkmalschutz steht, bläst sich der Neubau am Bergisel zu einer inhaltlich mächtigen, aber optisch sachlich zurücknehmenden Kiste mit einem herrlichen Ausblick auf das Innsbrucker Stadtpanorama auf. Glas, Stahl, Beton - so hochwertig komponiert wie man das von der Tiroler Architektenschaft seit Jahren gewohnt ist.

„Das Wichtigste an diesem Haus ist der Aufbau“ , erklärt Architekt Philipp Stoll vom planenden Büro stoll wagner. Es konnte sich 2006 in einem EU-weiten offenen Wettbewerb unter insgesamt 74 Teilnehmern als Sieger durchsetzen. „Wir wollten den Zylinder für das Rundgemälde nicht wie einen fetten Gasometer mitten in den Park stellen, sondern haben das Volumen in eine bestehende Geländemulde integriert.“

Über der massiven, rund 30 Meter breiten Betonbüchse, die bullig in der Erde steckt, balanciert nun, mit präzisem Strich in die Landschaft skizziert, eine gläserne Vitrine mit 66 Meter Länge und 40 Meter Breite. Kein Gramm Fett zu viel.

Während man sich außen an den farbenfrohen Spiegelungen des Andreas-Hofer-Denkmals, der Bergisel-Sprungschanze von Zaha Hadid und der weiß gezuckerten Nordkette erfreut, eröffnet sich innen ein riesengroßes, luftiges Nichts. Wie angenehm: Man wird nicht schon an der Schwelle mit verrosteten Bajonetten, ausgestopften Luchsen und diversen anderen Memorabilien niedergemetzelt, sondern kann erst einmal in Ruhe tief Luft holen.

Ruhe auf der Rolltreppe

Nach dem Lösen der Eintrittskarte wandert man langsam an der Glasfassade entlang. Dramatische Kulisse. Geschnitzte Holzfiguren des Südtiroler Bildhauers Willy Verginer bieten einen ersten Vorgeschmack auf 1809. Über eine winzig schmale Rolltreppe fährt man schließlich runter in den Berg. Drängeln und Überholen unmöglich, hier gemahnt die Architektur an Ruhe und Gemächlichkeit.

Eine Dauerausstellung zu den Themen Natur, Volkskunde und Religion, vor der man sich unter normalen Umständen furchtbar gruseln müsste, lädt zum Auskundschaften ein. Der Stuttgarter Ausstellungsplaner HG Merz hat es geschafft, das wahrlich undankbare Themenpotpourri interessant und witzig zu gestalten. Da hängt eine Seilbahngondel aus den Fünfzigerjahren neben einem High-Tech-Skischuh aus der Gegenwart, da liegt ein kantiger Quarz neben einer Flasche Enzianschnaps, da sitzt ein Braunbär neben einem schnuckeligen Bauernhausmodell.

„Um solche Themen kümmert man sich viel zu wenig“ , sagt HG Merz im Gespräch mit dem Standard. Und wenn, dann sei in der Regel so wenig Herzblut dabei, dass die Zusammenstellung der Exponate provisorisch und peinlich kitschig erscheine. „Hier zeigen wir alles nebeneinander. Der Besucher zappt sich durch.“

Noch eine Rolltreppe. An der untersten Stelle des Gebäudes schließlich befindet sich der Zugang in die Gemälde-Rotunde. Plötzlich weicht die sonst schlichte Farbgestaltung des Museums einem blutigen Rot, man wittert Gewalt, die Schlacht ist nicht weit.

Diemers tausend Quadratmeter großes Panoramabild hat den Umzug aus der alten Rotunde schadlos überstanden. Die Zuluft, die aus einem alten Luftschutzstollen aus dem Zweiten Weltkrieg angesaugt und über Wärmetauscher auf die gewünschte Temperatur gebracht wird, soll das Öl auf Leinen langfristig schonen.

Fahler Beigeschmack

Wenn heute Vormittag Politiker und Projektbeteiligte große Reden schwingen werden, wird ein leichter Beigeschmack nicht wegzureden sein. „Das Rundgemälde und die hölzerne Rotunde am Rennweg waren bisher eine Einheit“ , sagt Werner Jud, Landeskonservator von Tirol. „In meiner Rolle als Denkmalpfleger bin ich mit der Trennung sehr unglücklich. Wenn man über diesen Umstand jedoch hinwegsieht, ist das neue Museum gewiss eine architektonisch spannende Hülle.“

Lange währte der Kampf zwischen Bundesdenkmalamt, Kulturschaffenden und Land Tirol. Translozierung ja oder nein? Beendet wurde die Diskussion in einer wie gewohnt wenig transparenten Entscheidung von Bundesministerin Claudia Schmied, indem sie sich gegen den Antrag von Bundesdenkmalamt und Landeskonservatorat stellte. Das war der Startschuss für das neue Tirol Panorama, wie das Museum heute heißt.

Sechs bis sieben Millionen Euro Baukosten wurden bei Projektbeginn 2006 genannt. Die Schätzung war mehr als optimistisch. Die größere Dimensionierung des Baus, die Sanierung des Kaiserjägermuseums, eine zusätzliche unterirdische Verbindung, ein neues Verkehrskonzept samt Parkraumbewirtschaftung, ein ungeplanter Grundankauf und nicht zuletzt verschärfte Energieanforderungen ließen die Baukosten auf 12,8 und die Gesamtinvestitionskosten auf über 25 Millionen Euro klettern. Eine glatte Verdoppelung.

Doch dafür hat das mit architektonischen Präziosen ohnehin schon reich bestückte Innsbruck eine Sehenswürdigkeit mehr. Den bisher tatkräftigen internationalen Kapazundern wie Dominique Perrault, David Chipperfield und Zaha Hadid stehen die Innsbrucker Architekten, die nun zum Zug kommen, die Landeshauptstadt zu gestalten, um nichts nach. Aufmüpfig und kämpferisch waren sie immer schon, die Tiroler.

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