Bauwerk

Theaterpodium Grotekerkplein
Atelier Kempe Thill - Rotterdam (NL) - 2009
Theaterpodium Grotekerkplein, Foto: Ulrich Schwarz
Theaterpodium Grotekerkplein, Foto: Ulrich Schwarz

Urbaner Aktivator.

31. Oktober 2011 - newroom
Aktivator im Vakuum der Stadt
Der Grotekerkplein liegt zwischen der gotischen Kathedrale Sint Laurens und dem Kanal Delftsevaart, und entstand erst nach dem zweiten Weltkrieg im Zuge des modernistischen Wiederaufbaus des beinahe vollständig zerstörten Zentrums. Trotz seiner sehr zentralen Lage spielt der Platz kaum eine Rolle innerhalb städtischen Lebens, da ihn keine Einkaufsstraßen mit dem öffentlichen Raum verbinden und nur wenige Einrichtungen auf den Platz selbst orientiert sind. Vielmehr wird er geprägt durch eine Vielzahl von Gebäuderückseiten, wodurch er auch räumlich nicht sehr ansprechend wirkt. Es entstand daher die Idee den Platz durch den Bau eines kleinen Theaterpavillons sowohl programmatisch als auch stadträumlich zu beleben, um das unangenehme Vakuum innerhalb des Stadtkörpers zu füllen. Der Rotary Club Rotterdam nahm hierzu die Initiative und organisierte im Herbst 2004 einen eingeladenen Architektenwettbewerb, bei dem Atelier Kempe Thill als Sieger hervor ging.

Abgrenzung und Transparenz: Stadtraumobjekt
Das realisierte Theaterpodium interpretiert die umschriebene Aufgabe konsequent und überraschend als stadträumliche Operation. Die vorgefundene Situation wird direkt zum Ausgangspunkt genommen und durch einen gezielten kraftvollen Eingriff verbessert. Platz und Kanal werden dabei durch einen 40 m langen Baukörper konsequent voneinander getrennt, um ihre jeweilige räumliche Lesbarkeit zu verbessern. Die Westseite des Platzes wird beinahe vollständig durch das Podium abgeschlossen. Hierdurch wird der Platz stärker gefasst, erhält er ein Pendant zur Sint Laurenskerk und einen intimeren Charakter. Das Podium folgt dabei der Bebauungslinie entlang der Kanalzone. Hierdurch wird auch die Delftsevaart als wichtiger Stadtraum betont. Der Baukörper wird dabei als transparenter und offener Körper entworfen. Hierdurch bleibt die Sichtverbindung zwischen Platz und Wasser erhalten und wird räumliche Enge vermieden. Das entstehende Resultat ist ein Objekt, das sich als räumlicher Aktivator innerhalb der Stadt präsentiert. Es definiert Räume, eröffnet aber Sichtbezüge zwischen ihnen und fungiert gleichzeitig als beruhigender optischer Filter der sehr heterogenen Rotterdamer Stadtlandschaft. Das Objekt ist dabei farblich sehr zurückhaltend gestaltet, um seine räumliche Wirkung zu maximieren.

Programmatische Freiheit: Das Podium als Rahmen
Das Theaterpodium ist als große Stadtbühne konzipiert. Auf einer 50cm hohen Grundplatte stehen zwei 5 m hohe Servicegebäude. Zwischen beiden Volumen spannt ein Dach mit 30 m freier Überspannung. Es entsteht ein offener Rahmen, der als Bühnenraum dient. Dieser Raum öffnet sich zu Platz und Wasser und ist beidseitig bespielbar. Auch können Vorstellungen veranstaltet werden, bei denen das Publikum selbst auf der Bühne sitzt.
Das südliche Servicegebäude nimmt den 70 m langen Bühnenvorhang auf. Mit diesem kann abhängig vom stattfindenden Ereignis die Größe der Bühne nach Belieben reguliert werden oder auf der Bühne selbst ein Vorhangraum realisiert werden. Die Leichtigkeit und Zeitlichkeit der Veranstaltungen wird dabei durch die Wirkung des beweglichen Textils unterstrichen.
Das nördliche Servicegebäude wird hauptsächlich durch die Künstler genutzt. Hier befinden sich WC, Umkleideraum und Lager. Die vorhandene Teeküche kann auch zum Betreiben eines kleinen Cafe’s verwendet werden.
Das realisierte Gebäude entzieht sich einer eindeutigen programmatischen Codierung und typologischer Zuordnung. Es präsentiert sich bewusst als Objekt konfrontierender Leere, dass Fragen aufruft und unerwartete Nutzungen provozieren möchte. Jegliche funktionalistische Festlegung und vordergründige Symbolik wird dabei vermieden. Als einladendes monumentales Dach besitzt der Bau eine starke Ikonographie, die gleichzeitig jedoch sehr zurückhaltend ist. Ein ruhiger und würdevoller Rahmen für ein inspiriertes Zusammenkommen der Rotterdammer Stadtbevölkerung entsteht.

Materialisierung: Maximale Robustheit und Verfeinerung
Der Stadtraum wird besonders in Rotterdam sehr aggressiv benutzt. Eine robuste Materialisierung ist zwingend notwendig, daher wurde das Podium in Sichtbeton und Edelstahl realisiert. Bei der Detailierung wurde eine absolute Reduktion angestrebt, um das Objekt möglichst verfeinert und monumental erscheinen zu lassen.
Die Konstruktion besteht aus Sichtbeton, der durch einen Titanoxidzuschlag nahezu vollkommen weiß ist. Beim Dach handelt es sich um eine vorgespannte Konstruktion, hierdurch ist die Platte mit einer Dicke von 50cm am Rand und 75cm in der Mitte ungewöhnlich schlank dimensioniert. Schalungsnähte wurden durch den Einsatz von sehr großen Schalungsplatten (10 m x 2,5 m) auf ein absolutes Minimum reduziert. Alle technischen Installationen – wie Aufhangbolzen, Elektroleitungen und die Vorhangschiene - wurden in die Konstruktion integriert. Die Betonoberfläche wurde mit einem Antigraphiticoating versiegelt.
Die Servicevolumen wurden mit einem vorgehängten Edelstahlgewebe verkleidet. Die Bahnen sind dabei mit 5 m ungewöhnlich breit. Die Ecken wurden mit einem Edelstahlstreifen verstärkt. Hinter dem Gewebe befindet sich ein LED Lichtbalken, der die Servicevolumen abends von Innen heraus beleuchtet, hierdurch wird das Podium in den Abendstunden zum überraschenden Lichtobjekt. Die Servicevolumen werden über jeweils zwei 5 m hohe Edelstahltüren erschlossen. Wie auch bei den meisten anderen Bauteilen handelt es sich hierbei, um eine Spezialanfertigung. (Text der Architekten)

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