Bauwerk

Lokalbahnhof Lamprechtshausen
udo heinrich architekten - Lamprechtshausen (A) - 2012

Der schönste kleine Bahnhof

Remise und Bahnhof in einem: Lamprechtshausen erhielt eine nicht nur bequeme, sondern auch bemerkenswert fein gestaltete Bahnstation. Vorbildliches aus Salzburg.

3. November 2012 - Franziska Leeb
Beim jährlichen „Bahntest“ des Verkehrsclubs Österreich wurde heuer der Wiener Westbahnhofzum „schönsten Bahnhof Österreichs“ gekürt. Der Lokalbahnhof Lamprechtshausen belegte Platz 20. Nun ist einerseits der Vergleich zwischen dem derzeit größten Bahnhof der Bundeshauptstadt und der Lokalbahnstation einer Flachgauer 3600-Einwohner-Gemeinde von Haus aus zum Hinken verurteilt und andererseits die aus architektonisch-städtebaulicher Sicht ganz und gar nicht mehr vorhandene „Schönheit“ des größeren der beiden an dieser Stelle bereits beklagt worden (Christian Kühn, 30.04.2011). Daher gilt heute die Konzentration dem kleineren Bahnhof, um ihn als vorbildliches Beispiel eines Bahnhofsgebäudes in der Provinz zu preisen.

Seit 1896 besteht die Bahnverbindung zwischen der Stadt Salzburg und dem etwa 25 Kilometer nördlich liegenden Lamprechtshausen. Dort ist Endstation. Eine ursprünglich geplante Verlängerung der Trasse nach Braunau wurde nie realisiert, definierte aber die vom Ortszentrum etwas abgelegene Lage des Bahnhofs. Mit der Einführung des Halbstundentaktes in den 1980er-Jahren wurde eine Wagenhalle errichtet, in der die Züge übernachteten. Der Bahnhof entwickelte sich zu einer wichtigen Verkehrsdrehscheibe für den nördlichen Flachgau und das Innviertel, und so war für die Betreiberin, die Salzburger Lokalbahn, die Zeit gekommen, den Bahnhofsumbau in Angriff zu nehmen.

Der Architekt, mit dem man das passende Konzept erarbeiten wollte, Udo Heinrich, hatte bereits das Vertrauen der Bauherrschaft und bekam den Auftrag dafür direkt. Er war Projektleiter im Büro des Kölner Architekten Joachim Schürmann im Zuge der Neuerrichtung der Salzburger Lokalbahnstation und der Gestaltung des Bahnhofsvorplatzes. Seit 2001 betreibt er sein eigenes Architekturbüro in Salzburg. Der neue Bahnhof sollte dem Stellenwert der Haltestelle Lamprechtshausen Rechnung tragen, ein für die Fahrgäste bequemeres und attraktiveres Ambiente bereitstellen und Synergien zwischen den Funktionen Bahnhof und Remise herstellen. Das grundsätzlichste Entwurfskriterium bestand darin, eine Bahnhofshalle zu schaffen, die zugleich die Aufgaben einer Wartehalle, eines Bahnsteiges und einer Remise übernimmt. Diese Entscheidung, alle Funktionen nicht hintereinander, sondern unter einem Dach anzuordnen, brachte eine Verringerung der Gehdistanz vom Ort zum Bahnsteig von 300 Metern Länge mit sich. Es blieb nicht allein bei einer pragmatischen, technisch und logistisch gut funktionierenden Lösung: Mit durchaus einfachen, aber über das Gewohnte hinausgehenden Maßnahmen schuf Udo Heinrich mehr als einen schön designten Bahnhof – ein angenehmes Milieu, das auf die gesamte Umgebung ausstrahlt. Anstelle der alten Halle entstand eine neue, konstruktiv schlichte Halle mit einer Länge von 105 Metern und einer Breite von 14,5 Metern. Die dünne Dachplatte aus vorgespanntem Stahlbeton ruht auf einfachen Rundstützen. Nach Süden ist die Halle verglast und einsehbar. Zusätzlich sorgen verglaste kreisförmige Oberlichten über dem Mittelbahnsteig für eine ausgezeichnete Durchflutung mit Tageslicht. An der nördlichen Längsseite liegt sie auf kiemenartig angeordneten, skulptural genickten Sichtbetonscheiben auf, die das dahinter liegende Gewerbegebiet abschotten, aber nicht ganz ausblenden. Mit einer Matrizenschalung wurde in die raue Oberfläche eine Bambus-Struktur eingearbeitet, die der Halle ein dezentes Ornament verleiht. Je eine dreieckige Deckenöffnung leitet zusätzlich Licht von oben über die begrünten Kiemen.

Ein wohldurchdachtes Kunstlichtkonzept, das den Raum zoniert und Akzente setzt, bewirkt, dass der Raum auch bei Dunkelheit als angenehm empfunden wird und der zur Remise gewordene Bahnhof noch nach Betriebsschluss nach außen leuchtet. Der Hauptzugang liegt an der östlichen Schmalseite, die Halle ist aber auch von Westen zugänglich, womit der Weg zum Bahnsteig von den Parkplätzen und den überdachten Fahrradabstellplätzen kurz gehalten wird. Diese notwendigen Parkflächen sind ebenso Teil des gestalterischen Ganzen wie der Vorplatz und der breite Gehsteigbereich, die mit Baumgruppen und Bodenleuchten akzentuiert wurden.

Im Osten wurde unter das Bahnhofsdach ein eingeschoßiger, an den Enden abgerundeter Baukörper aus rötlich gefärbtem Beton eingeschoben, der die Anlage wie ein Korken abschließt. Neben den Toiletten beherbergt er Räume für Personal und Technik. Bemerkens- und lobenswert ist, dass diegute Detail- und Oberflächenqualität auch im Inneren bis in den letzten Winkel durchgehalten wurde und so die Räumlichkeiten zu einem angenehmen Arbeits- und Aufenthaltsort für die Mitarbeiter werden.

Während anderswo Lokalbahnhöfe verwahrlosen, Nebenbahnen eingestellt werden und unwirtliche Zustände in den Stationen sowie schlechte Verbindungen Pendler von der Schiene auf die Straße zwingen, beschreitet die Salzburger Lokalbahn den umgekehrten Weg und macht den Bahnhof nicht nur zum Anreizgeber für den Umstieg auf die Bahn, sondern auch zum Inkubator der Siedlungsentwicklung in Bahnhofsnähe, was in naher Zukunft im Fokus liegen wird.

In der Fachwelt wurde dem Bahnhof mit einer Anerkennung beim Architekturpreis des Landes Salzburg sowie der Auszeichnung mit einem von sechs Bauherrenpreisen der Zentralvereinigung der Architekten bereits wiederholt Würdigung zuteil. Viel wesentlicher ist aber die Akzeptanz in der Bevölkerung, die seit Inbetriebnahme des Bahnhofs im Mai anhand der gestiegenen Fahrgastzahlen erkennbar ist.

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