Bauwerk

Erweiterung Haus Grabher
raumhochrosen - Dornbirn (A) - 2002

Zurück in eine schwebende Zukunft

Eine Holzkiste aus dem Jahr 1963 – natürlich in Vorarlberg. Der Zahn der Zeit hatte dem Wegbereiter des neuen Wohnens schon stark zugesetzt. Heike Schlauch und Robert Fabach vom Architekturbüro raumhochrosen haben das Kleinod gefühlvoll saniert und erweitert.

4. Februar 2006 - Wojciech Czaja
Blob oder Box? Das ist eine Frage wie kalt oder warm, wie schwarz oder weiß. In einem Architektenleben – so scheint es – muss man sich eines Tages wohl oder übel für das eine oder andere entscheiden. Außer man betreibt sein Architekturbüro in Vorarlberg, denn da wird einem die Qual der Wahl abgenommen: Das Ländle ist unblobbig.

Eine von diesen vielen hölzernen Kisten, die in Vorarlberg anzutreffen sind, steht in Dornbirn. Und zwar schon seit 1963. Es handelt sich dabei um das Erstlingswerk des Roland- Rainer-Schülers Gunter Wratzfeld, um das Haus Watzenegg. Logisch strukturiert, großflächig verglast und dunkel beplankt stellt es weithin ein Musterbeispiel der „Vorarlberger Bauschule“ dar, die sich in den 60er-Jahren um neue Konzepte für eine qualitativ hochwertige und dennoch preisgünstige Wohnarchitektur bemüht hatte.

Sperriger Charme

Doch die Ästhetik der 60er- Jahre ist im Laufe der Zeit recht sperrig geworden, so richtig erschließen wollte sich einem der Charme des einstigen Kleinods trotz aller gestalterischen und funktionellen Qualität schon lange nicht mehr.

Andrea und Stefan Grabher haben sich der etwas angejährten Holzkiste mit Optimismus angenommen, über Empfehlung landete das Ehepaar, das sich beruflich selbst mit Wohnen und Einrichten befasst, schließlich beim Architekturbüro raumhochrosen. Zu den klassischen Bauherrenwünschen wie beispielsweise Erweiterung der Nutzfläche und Anpassung an den heutigen Stand der Technik gesellte sich jedoch noch ein weiterer, und zwar die originalgetreue Rekonstruktion des noch jungen, aber doch schon historischen Gebäudes.

Dialog mit der Zeit

„Die Arbeit mit vorhandener Bausubstanz bedeutet für uns vor allem Dialog“, erklären die beiden Architekten Heike Schlauch und Robert Fabach, „und zwar Dialog mit der Gestaltungswelt des vorangegangenen Planers, mit dem kulturellen Umfeld einer historischen Zeitspanne, aber auch mit dem Zeitgeist.“

Um sich zu vergegenwärtigen, was dieser theoretische Ansatz in der praktischen Handhabe heißt, sei Folgendes kurz umrissen: Sämtliche überkreative Eigenbau- und Anbau-Ausgeburten der letzten Jahrzehnte, die das ursprüngliche Konzept von 1963 eher verschleiert hatten, wurden kompromisslos entfernt. Eine Art morphologische Katharsis, denn dadurch konnte der Schwebezustand des Holzhauses wiederhergestellt werden.

Flair der Sixties

Das Obergeschoß wurde behutsam saniert, Bestandspläne und alte Fotografien standen dafür Pate. Auf diese Weise ist es gelungen, das typische Flair des 60er-Jahre- Apartments in all seinen Facetten zu behalten und – wo nötig – in seinen Urzustand zurückzuführen.

Eine freistehende Wendeltreppe, dunkler Teppichboden, helles Holz, schwarz lackierte Säumungen um die Türen. Das Bild des oben gelegenen Wohnzimmers flasht wie aus einer anderen Zeit – ein bisschen Wintersportort, ein bisschen Adolf Loos. „Wir haben uns sehr rasch und bewusst von der konventionellen Sanierungsstrategie eines demonstrativen Kontrasts entfernt“, so die Architekten. Nur so sei es möglich gewesen, den stillen Atem der originalen Ordnung nicht zu zerstören.

Im Untergeschoß dann der ultimative Clou in Form einer kleinen Betonkiste, die dem Holzbau sanft untergejubelt und sorgsam bis ganz nach hinten geschoben wurde. Die Auskragung ist groß genug, sodass der Schein des Schwebens gewahrt bleibt. Hinzu kommt die ersehnte Wohnraum- Maximierung mit zwei neuen Zimmern.

Gänzlich ins Erdreich eingeschoben, müssen die Räume mit einer einseitigen Belichtung auskommen, doch das tun sie auch. Die Stimmung ist ein wenig schummrig und erdig, nicht zuletzt durch die Belassung der Sichtbetonflächen im Innenraum. Einzig und allein zum vollflächigen Fenster schließt ein Holzpodest den Raum gemütlich ab.

Keck gedrehte Kiste Im oberen Baukörper ist die Schalung vertikal, in der unten ergänzten Betonkiste war man (auf vorarlbergische Weise halt) etwas keck und drehte die Schalungsrichtung der Holzplanken in die Waagrechte. „Die Akribie der Planung hat sich als sinnvoll erwiesen“, blicken alle Beteiligten heute zurück.

Fazit: Ein großartiges Wohnambiente im respektvollen Sinne alter Vorarlberger Architekturbaukunst, Detailverliebter Spaß fürs Auge inklusive. Im Übrigen wurden dem Haus Watzenegg schon des Öfteren raumhoch Rosen gestreut, darunter auch mit dem Bauherrenpreis 2005.

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