Bauwerk

Bezirksalten- und Pflegeheim Gaspoltshofen
Gärtner+Neururer - Gaspoltshofen (A) - 2011

Schindeln zum Angreifen

Das Bezirksalten- und Pflegeheim Gaspoltshofen in Oberösterreich feiert sein zehnjähriges Bestehen. Gelegenheit, eine Antwort auf die Frage nach der Haltbarkeit seines Baukonzepts zu suchen: der Holz-Hybridbauweise.

29. Mai 2020 - Romana Ring
Das Bezirksalten- und Pflegeheim Gaspoltshofen ist in die Jahre gekommen. Nach den Plänen der in Vöcklabruck ansässigen Architekten Gärtner + Neururer als konstruktiver Holzbau errichtet, feiert es bald sein zehnjähriges Bestehen. Ein Jahrzehnt mag im Lebenszyklus eines Gebäudes kein allzu langer Zeitraum sein. Um die Frage nach der Haltbarkeit eines Konzepts mit Blick in die Zukunft beantworten zu können, reicht es allerdings aus.

Hinterfragen wir die Nachhaltigkeit der Anlage zunächst aus der Perspektive des Städtebaus, war es klug, einen Bauplatz im Zentrum von Gaspoltshofen zu wählen. In Zeiten der Ausgangssperre ist den Bewohnerinnen und Bewohnern wenigstens der Ausblick in das ihnen vertraute Umfeld geblieben. Auch die Teilung der fast 7000 Quadratmeter großen Nutzfläche auf drei Baukörper, die sich mit drei Obergeschoßen über einem verbindenden Sockelgeschoß erheben, hat sich als richtig erwiesen. So entspricht die Anlage ungeachtet ihrer Größe in Volumen und Ausrichtung dem Maßstab des von kleinen Wohnhäusern geprägten Umfeldes. Die mit der Gliederung erreichte Zonierung der Freiflächen in sorgfältig gestaltete Grünräume und die Entflechtung der Wege und Zugänge haben sich bewährt.

Unverwüstlich ist auch die innere Organisation des Alten- und Pflegeheims. Mit der Dreiteilung der Anlage ist es Gärtner + Neururer gelungen, unmittelbare Präsenz und kurze Wege des Pflegepersonals mit überschaubaren Strukturen für die Bewohner zu verknüpfen. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Flügel erleichtert ihnen die Orientierung im Haus, während die der jeweiligen Gruppe zugeordneten Gemeinschaftsräume eine selbstbestimmte Kontaktpflege ermöglichen. Das von Martina Schürz-Neururer entwickelte Konzept verschiedenfärbiger, jeweils zwei Zimmereingänge zusammenfassender Wandmuster verstärkt für die Bewohner das Gefühl, im Heim „daheim“ zu sein. Die Unterteilung der Zimmer in mehrere Wohngruppen und deren Betreuung durch zentral gelegene Pflegestützpunkte sind für die Alten- und Pflegeheime Oberösterreichs mittlerweile Standard geworden. Das Abbilden dieses organisatorisch und menschlich bewährten Konzepts im Auftritt nach außen wird jedoch mittlerweile als unbezahlbar eingestuft, zum städtebaulichen Schaden der kleinen Landgemeinden.

Stellen wir nun die Frage, welchen Grad an Nachhaltigkeit die Entscheidung zum Holzbau, genauer: zur Holz-Hybridbauweise, mit sich gebracht hat. Das Sockelgeschoß steckt zu einem großen Teil im Erdreich und wurde deshalb aus Stahlbeton errichtet. Dass auch die Erschließungsbereiche in den Obergeschoßen Stahlbetonkonstruktionen sind, ist den Vorbehalten der Brandschutzbehörde geschuldet, die vor zehn Jahren noch als unüberwindlich galten. Die Aufenthalts- und Wohnbereiche jedoch werden von Massivholzwänden und -decken umschlossen, von einem Baustoff also, der wie kaum ein anderer für Nachhaltigkeit steht. Zweifellos verbraucht die Verwandlung eines Baumstamms in eine wie immer geartete Holzkonstruktion geringere Ressourcen als die Herstellung einer entsprechenden Konstruktion aus Stahlbeton. Je weniger weit das Holz gereist ist, desto günstiger fällt der Vergleich aus.

Im Alten- und Pflegeheim Gaspoltshofen finden sich etwa 2000 Kubikmeter verbauten Holzes. Da in Österreich etwa 30 Millionen Kubikmeter Holz im Jahr nachwachsen, ist das Ausgangsmaterial für das Heim in etwas mehr als einer halben Stunde entstanden, und das möglicherweise sogar in der Nachbarschaft. Die ausführende Firma jedenfalls liegt keine zwölf Kilometer von Gaspoltshofen entfernt.

Die Tatsache, dass jeder Baum, dessen Holz verbaut und nicht verbrannt wird, einem neuen Baum Platz macht, der wiederum – sofern Klimawandel und Borkenkäfer nicht dazwischenfahren – die gleiche Menge CO2 speichern wird, trägt ebenfalls zum „grünen“ Image des Baustoffes Holz bei. Wie haltbar aber ist das Material? Grundsätzlich hat Holz im Zusammenspiel von Druck- und Zugfestigkeit, Gewicht und Wärmeleitfähigkeit bessere Werte als jeder andere Baustoff. Auch sein Brandverhalten kann zu einem Vorteil werden: Holz schmilzt nicht und tropft nicht, Holzkonstruktionen versagen nicht plötzlich, ihre Tragfähigkeit bleibt berechenbar. Doch nicht nur Feuer, auch Feuchtigkeit, Pilze, tierische Schädlinge und die UV-Strahlung können dem Holz zusetzen. Um die Lebensdauer eines Holzgebäudes ohne den Einsatz giftiger Substanzen zu verlängern, muss man etwas von konstruktivem Holzschutz verstehen. Auf diesem Gebiet stellen mitunter jahrhundertealte traditionell errichtete Holzbauten ein Wissensarchiv unschätzbaren Wertes dar.

Sie weisen uns den Weg zu einer Wertschätzung des Gebauten, ohne die „Nachhaltigkeit“ eine leere Worthülse bleibt. Sie führen uns zu einer Haltung, die dem Glaubenssatz einer vom Konsum getriebenen Gesellschaft – „Neu ist schön“ – widerspricht; die akzeptiert, dass Zeit das Aussehen der Dinge verändert; die Reparatur der Zerstörung vorzieht; die weiß, dass man auch an das Ende denken muss. Hinsichtlich der Errichtungskosten kann eine hinterlüftete Holzfassade mit einem verputzten Vollwärmeschutz nicht konkurrieren. Bürdet man die Kosten für die dereinstige Entsorgung aber nicht einfach nachfolgenden Generationen auf, ist eine Konstruktion aus sauber trennbaren Elementen auch aus Kostengründen den fest zu Sondermüll verklebten Schichten vorzuziehen.

Gerade die sichtbare Veränderung des Holzes unter dem Einfluss von Sonneneinstrahlung, Temperatur oder Luftfeuchtigkeit spricht unsere Sinne ebenso an wie seine gewachsenen Unregelmäßigkeiten. Mit konisch ausgeformten, hellfarbig ausgekleideten Fensterleibungen setzen Gärtner + Neururer die Verwitterung des Holzes als Gestaltungsmittel ein. Auch im Inneren des Hauses nutzen sie die sinnliche Wirkung des Holzes mit Bedacht: für Menschen, die das Riechen und Berühren einer mit Holzschindeln belegten Wand, das langsame Wandern des Blicks über die Maserung einer Holzdecke mit dem Leben verbinden, auch wenn dieses zu einem großen Teil bereits hinter ihnen liegen mag.

Die Architekten Gärtner + Neururer haben zwanzig Altenheime, alle als Gewinner vorgeschalteter Architekturwettbewerbe, geplant. Auf diese Aufgabe fokussiert ist das Büro dennoch nicht. Auch als Holzbauspezialisten möchte es sich nicht bezeichnen, obwohl es vor Kurzem in Kufstein eine Krankenpflegeschule aus Holz fertiggestellt hat und hofft, den zuletzt gewonnenen Wettbewerb, das Gemeindezentrum in Sankt Aegidi, ebenfalls aus Holz zu bauen. Wird der Holzbau den Klimawandel stoppen, die Welt retten können? Wenn er mehr bietet als eine sparsame CO2-Bilanz, wenn er Ort und Nutzer wichtig nimmt, kurzum: wenn Architektur im Spiel ist, wird der Versuch jedenfalls von Nutzen sein.

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