Bauwerk

Solo Pasta - Solo Vino
Giner + Wucherer - Innsbruck (A) - 2002

Südleuchte an der Nordkette

Der Weinbau kultiviert sich und ist zum Thema der Architektur aufgestiegen, Weinhandel und Gastronomie ziehen mit. Die Vinothek „solo vino“ in Innsbruck von Giner & Wucherer ist eine erste Adresse für Freunde italienischen Weins. Blicke auf einen urbanen Treffpunkt.

19. Januar 2003 - Walter Chramosta
Eine Ära partieller architektonischer Subtilität ist angebrochen: Feinheit und Finesse von Genußmitteln wirken auf einmal auf die Orte, an denen sie feilgeboten werden, zurück. Hersteller und Händ-ler landwirtschaftlicher Produkte trauen sich endlich zu, ein Ambiente bereitzustellen, das auf deren Machart und Ursprung, viel mehr aber auf die Kultur der Kundschaft aus der Stadt Bezug nimmt. Deftige Zeichen des Mediterranen und Rustikalen wie Fischernetze oder Cotto-Böden, gar Anklänge nationaler Behauptung mit wehenden Flaggen und Heldendevotionalien aus Film, Politik oder Sport sind als Hinweise auf italienische Kost und Küche nicht mehr letzter Schrei.

Giovanni Giuseppe Conte ist als Patron eine bekannte Innsbrucker Person, seine Lokale sind Innsbrucker Institutionen. Mit dem mittlerweile an vertraute Kräfte abgegebenen Restaurant „Da Peppino“ hat er weit über die Stadt hinaus einen gut behaubten Standard für italophile Kulinarik etabliert, aber dabei den üblichen „Tiroler Stil“ der Gaststube noch nicht überwunden. Das war einem ergänzenden Restaurantprojekt zum gut laufenden, nicht in der Stadtmitte gelegenen „Da Peppino“ vorbehalten. Conte wollte ein zwei-tes, zentraleres unternehmerisches und wohl auch kommunikatives Standbein, „mit modernem Gepräge, aber nicht steril“. Es sollte durch besondere Wärme der Materialien und des Lichts charakterisiert sein, ein kommunizierendes Gefäß in sich und mit der Stadt.

Knapp außerhalb der Altstadt bietet sich Conte im Jahr 2000 eine einmalige räumliche Chance für ein Speiselokal: Im Erdgeschoß des MCI, eines Nebentraktes der von den Architekten Henke und Schreieck überzeugend errichteten Sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fa- kultät (1988 bis 1999) der Universität Innsbruck, wird ihm ein Teilbereich angetragen. Die anderen Zonen dienen einer Bank, einer Buchhandlung, einigen Büros und weiterer Gastronomie. Die besondere Lage des Gebäudes zwischen Universitätsstraße und Campus läßt ein passagenartiges Lokal mit zwei Eingängen zu: einerseits von der dichten, verkehrsdurchströmten Kernstadt, andererseits von der ruhigeren Sphäre der Universität mit dem angrenzenden Hofgarten. Die „Sowi“ definiert eine Grenze zweier städtebaulicher Einheiten und ist nach einer Phase der Skepsis und vorsichtiger Aneignung nun ein integrativer Stadtteil, zu allen Tageszeiten belebt. Die Benutzer sind großteils jung oder etabliert, jedenfalls Neuem aufgeschlossen.

Dementsprechend ist der erste Bauabschnitt, das Lokal „solo pasta“, positioniert: urban, unprätentiös, sichtoffen zu Park und Straße, nicht zuletzt spezialisiert auf beste Nudelgerichte. Die Atmosphäre ist zum Produkt stimmig: Italiens Reize sind verklausuliert präsent durch eine schlichte, betont sauber gearbeitete Ausstattung in Massivholz, eine starke Farbe und viele Lichtakzente. Dem rasch einsetzenden und andauernden Erfolg des „solo pasta“ Rechnung tragend, haben nach einer Verdichtung nun etwa hundert Personen Platz, ohne den einen langgestreckten, übersichtlichen Raum zu überfordern. Die beiden Portale sind im System der Fassade zur Gänze verglast und sprechen eine Einladung aus. Das Senfgelb der Wände, geschwärzte mitteldichte Faserplatten als Deckenuntersicht, die schlichten Sitzbänke und die skulptural wie ergonomisch überzeugenden, braun lackierten Holzsessel des Schweizer Modernisten Max E. Häfeli und vor allem die unbehandelte, graubraun-wild gemaserte Kupfereiche als dominantes Material für den Schiffboden, für die Tischflächen und das Gehäuse für die Bar ergeben einen karg instrumentierten, in seiner Homogenität informellen, nichtsdestoweniger aber durch die Vielzahl interessanter Details sinnlichen Raum.

Aufwand und Erfolg des im Oktober 2000 eröffneten „solo pasta“ lassen den Bauherrn bald an Erweiterung denken. Möglich wird die fast modular konzipiert erscheinende Fortschreibung des Erfolgsrezepts aus Lage, Ware und Service durch glückliche Fügungen: Die Küche liegt an der einen, gewissermaßen „äußeren“ Längsseite des „solo pasta“, sich im Speiseraum nur durch ein Edelstahlfeld abzeichnend; an der anderen erschließen neben der Bar zwei Stichgänge die Sanitär-gruppen. Diese Entwurfsentscheidung der Architekten bildet intuitiv die Voraussetzung für die erste sinnfällige Erweiterung: Aus Stich- werden Durchgänge, an der Rückseite der Bar entsteht eine Schank samt Antipasti-Vitrine. Die Küche kann seit Dezember 2001 auch die nächste Raumschicht, die Vinothek „solo vino“, bedienen.

Giovanni Giuseppe Conte hat zu seiner Ambition für die italienische Eß- und Trinkkultur während der von wachsendem Vertrauen gekennzeichneten Arbeit mit seinen zuvor noch nicht mit Gastronomieräumen hervorgetretenen Architekten Thomas Giner und Erich Wucherer aus Innsbruck auch noch architektonisch Feuer gefangen: „Beim Wein ist es so wie bei der Architektur: Das Leben ist zu kurz, um sich mit Schlechtem abzugeben. Ich habe immer von einer Vinothek geträumt, und hier erfüllen sich nun meine Träume.“ Das „solo vino“ ist ein dichter Verkaufsraum für etwa 500 erlesene Weine und delikate, typisch italienische Vorspeisen für Laufkundschaft, vor allem aber ein Raumangebot, die Weine und Antipasti in anregender Gesellschaft zu verkosten. Das bestens verkäufliche Produkt ist letztlich eine hintergründig kondensierte Italianitá, die man in Nordtirol, besser als irgendwo anders,
diffus als permanentes Südleuchten über dem Brenner spürt.

Im „solo vino“ kann man beim Eichenanfassen, beim physischen Kontakt mit einer selten eingesetzten, weil in der flächigen Wirkung meist für zu lebendig gehaltenen Holzsorte, der im Waldviertel heimischen Kupfer- eiche, Substanz und Qualität der Natur spüren; und diese Erfahrung mit den im Glas kredenzten Säften, den typischen Speisen und den in der Dichte der gastlichen Menschenpackung fast unumgänglichen Gesprächskontakten zur Wechselwirkung bringen. An sieben Eichentafeln haben siebzig Gäste Platz. Abends reicht das oft nicht aus, denn das „solo vino“ hat sich als der angesagte Treffpunkt für jene etabliert, die gutes Essen und Trinken nicht mehr von der Erfahrung eines adäquat gestalteten Raumes trennen wollen.

Giner und Wucherer schaffen mit ihrer famosen Auslegung der schon da und dort gesehenen Kombination von Weinverkauf und Speiselokal sowohl besonders lukrative als auch besonders ansprechende Wechselwirkungen. Die wiederum aus unbehandelter Kupfereiche und unterstützenden Stahl- und Glasteilen strikt regulär geformten Regalwände voller Weinflaschen sind Auslage, Lager und animierende Kulisse zugleich. Der
eigentlich auf eine etablierte Klientel ausgerichtete Weinhandel bildet mit dem auch einem jugendlichen Publikum angemessenen Nudellokal eine stark synergetische Doppelmarke. Die kleinteilige Präsenz des Weins, des Pflanzlichen, mit Hunderten Etiketten und Tausenden Flaschen, und die Präsenz großer „tierischer“ Körper, die Darbietung von Prosciutto und Parmesan im verglasten Schaulager, einem oberirdischen Keller und somit visuell direkt am Tisch, schafft maximale Sinnlichkeit.

Bemerkenswert auch die von der einschlägig bekannten Firma Halotech instrumentierte, mit gängigen Vorstellungen des grunderhellten Gastraumes brechende Lichtregie. Über den Tischen sind in kleinen, künstlich angerosteten Stahlkästen untergebrachte Halogenquellen abgehängt, die präzis zentriertes, warmes Licht auf die Speisen und Getränke, aber nicht auf die Gäste lenken. An der naturbelassenen MDF-Decke knapp angesetzte Strahler in analoger Ausführung setzen die umlaufenden, raumhohen Regalwände, somit die Flaschen, in das richtige Licht. Gerade daß der Großraum dunkel und die sieben Tische mit Licht ausgezeichnet sind, beschert dem Gastraum in jeder Besetzung
Eigenart und Intimität - die man schon von der Straße erahnen kann.

Seit September letzten Jahres ist das einseitig durch ein
anliegendes Büro gefangene „solo vino“ durch den sogenannten „Magnum-Raum“, ein 11.000 Flaschen, davon unzählige Magnumformate beinhaltendes Weinlager, in je zwei die Längsseiten begleitenden Regalen abgeschlossen. In der Mitte steht eine Tafel für 48 Personen, die für festliche Anlässe zu mieten ist. Auch hier möchte man das stimmige Ambiente unter dem Titel „solo qualitá“ zusammenfassen: Es sind die Warmschlaglichter, die Häfelisitzkörper, die Eichentische und -regale aus der sicheren Hand des Innsbrucker Tischlers Gerhard Höckner - alle auf geflammtem Eichenboden mit der Ware und den Gästen zusammenwirkend.

Wenn Conte anfangs sagte: „Ich bin ein romantischer Mensch“, dann ist den Architekten zu danken, daß sie ihm so viel „Unromantisches“, ohne jede Lieblichkeit, aber voller Feuer, abgerungen haben. Die hohe architektonische Mühewaltung ist nicht nur zu erahnen: Überzeugungskraft von Architekten und Vertrauensfähigkeit eines Bauherrn verschmelzen hier trefflich. [*]

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Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Giovanni Guiseppe Conte

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