Bauwerk

Werkraum Bregenzerwald
Peter Zumthor - Andelsbuch (A) - 2013
Werkraum Bregenzerwald, Pressebild: Florian Holzherr

Handwerksstolz in schwarzem Holz

Unter Dach und vom Fach: Peter Zumthors Haus für den Werkraum Bregenzerwald ist Heimat für die Werkenden und Vitrine für deren Werke.

13. Juli 2013 - Maik Novotny
Auf kaum eine austroalpine Gegend passt der Begriff Talschaft so perfekt wie auf den Bregenzerwald: keine Ortschaft, keine Landschaft, sondern ein loser Verband von Individuen. Am ehesten ähnelt diese tatkräftige Region mit ihren Streusiedlungen einem emsig summenden Bienenkorb.

Zahllose Last- und Lieferwägen sausen auf den Straßen hinaus und hinein, beladen mit Rohstoffen und Endprodukten, und vollführen auf den Parkplätzen der Kleinunternehmen rangierend ihre Schwänzeltänze, die von neuen Absatzmärkten berichten.

Der Austausch von Wissen und Waren war hier schon immer eine Spezialität. Angefangen bei den Barockbaumeistern, die von hier ausschwärmten, um Kathedralen und Klöster zu bauen und ihr Können wieder hierher mitbrachten, bis zu den Baumeistern und Architekten von heute, deren hohe Baustandards dem Ländle zu weltweiter Anerkennung verhalfen.

Ungeknechtetes Selbstbewusstsein, Vernetzung und Wissenszufuhr sind auch die Grundpfeiler des 1999 ins Leben gerufenen Werkraums Bregenzerwald, eines Zusammenschlusses von rund 80 Betrieben nach Art der mittelalterlichen Zünfte. Der Verein bemüht sich um gemeinsame Stärke und um kontinuierlichen Fortschritt. Alle drei Jahre lobt man den Wettbewerb „Handwerk+Form“ aus, in dem sich das talschaftliche Handwerk schöpferisch mit Designern von außen vereint.

Einige der preisgekrönten Stücke sind bereits zu Klassikern geworden. 35 davon kaufte das Land Vorarlberg für seine Sammlung an, 20 davon lieh sich der Werkraum wiederum zurück, weil man die Meisterwerke nicht im Lager verstauben lassen, sondern stolz herzeigen wollte.

Hatten die Mitglieder anfangs noch mit großem Aufwand für jede Preisverleihung ein zweiwöchiges Provisorium konstruiert, einigte man sich bald, dass eine dauerhafte Bleibe für Sammlung, Feste und Schauraum nötig war: das Haus Werkraum.

Das Grundstück fand man in Andelsbuch, mitten in der Talschaft, als Architekten wählte man den Schweizer Peter Zumthor, der beim Bau seines Kunsthauses in Bregenz schon beste Kontakte zu Vorarlberger Handwerkern geknüpft hatte. Der als eigensinniger, detailversessener Perfektionist weltbekannte Zumthor sollte eigentlich den Architektenwettbewerb jurieren, wollte aber stattdessen lieber gleich selbst bauen, und bekam 2008 prompt den Direktauftrag.

Einzelgänger und Kollektiv

Hier der Einzelgänger, dort das Kollektiv: Konnte das gutgehen? Als der Architekt die Bauherren wenig später in sein Graubündner Büro lud, um seinen ersten Entwurf zu präsentieren, fiel die Reaktion zunächst verhalten aus.

„Wir waren sprachlos“, erinnert sich Werkraum-Geschäftsführerin Renate Breuß. „Eine riesige Halle mit außenstehenden Betonstützen - es war sehr monumental“. Auch Rosa Gonçalves, Projektleiterin im Büro Zumthor, gibt zu: „Es sah schon ein bisschen aus wie ein Tempel. Der Grundgedanke war aber, dass das Haus nicht dasselbe aussagen soll wie sein Inhalt. Und da die Exponate vor allem aus Holz sind, haben wir das Gegenteil davon gesucht“.

Beton als Material war den „Wäldern“ dann aber doch zu weit vom eigenen Handwerk entfernt. Schließlich wollte man das eigene Haus auch mit eigenem Können bauen. Es wurde emsig zwischen Vorarlberg und Graubünden hin und her gefahren, Stück für Stück näherte man sich an. Vorige Woche wurde das Haus schließlich nach knapp eineinhalb Jahren Bauzeit feierlich eröffnet.

Dem Prinzip, den Exponaten optisch nicht in die Quere zu kommen, blieb der Architekt treu, auch wenn die betonierte Tempeloptik aufgegeben wurde. Von außen besehen, scheint es nicht viel mehr zu sein als ein länglicher Glaskasten mit einer breit ausladenden Dachkrempe. Viel mehr soll es auch nicht sein: Ein 72,6 mal 20,8 Meter großes und 1,80 Meter hohes Dach, unter dem sich Werkende versammeln, und eine Vitrine, hinter der sie ihre Werke ausstellen.

Das Dach wurde aus Holzträgern gefertigt, die im quadratischen Raster angeordnet sind und auf hölzernen, ganz leicht gekrümmten Pendelstützen und auf drei Betonkernen ruhen.

Dach und Stützen wurden schwarz gestrichen, der Beton dunkel lasiert und geölt, was dem Raum zusammen mit dem schwarzen geschliffenen Betonboden eine noble, fast immaterielle Dezenz verleiht. „Beim Juwelier liegen die Schmuckstücke in der Vitrine auch auf schwarzem Samt“, erklärt Projektleiterin Gonçalves die Farbwahl.

Noble Dezenz

Glaskasten, breites schwarzes Dach auf dünnen Stützen: Der Besucher hat ein Déjà vu und denkt an Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie in Berlin, eine Assoziation, die man im Büro Zumthor nicht zum ersten Mal hört. „Die Ähnlichkeit ist uns bewusst“, lacht Rosa Gonçalves. „Aber sie hat sich eher zufällig ergeben“. Dennoch fühle sich Zumthor vom Mies-Vergleich natürlich geehrt.

Doch anders als beim industrieaffinen Mies stand beim Haus Werkraum auch im Bauprozess das Handwerk im Vordergrund. Die Farbe mischte ein Werkraum-Maler selbst, Tischler waren gleich mehrere zugange. Die Gewerke wurden intern ausgeschrieben, insgesamt waren mehr als 40 der 80 Vereinsmitglieder am Bau beteiligt. Eine Woche nach der Eröffnung liegen schon einige Schmuckstücke in der Vitrine: Maßgefertigte Betten und Küchenschränke, Pölster und Rodel, um eine Stütze schlängelt sich eine hölzerne Kirchenkanzel.

„Ein idealer Ort für unsere Handwerker, um sich mit Kunden zu treffen und Hemmschwellen zu überwinden“, freut sich Renate Breuß über den offenen Raum mit edlem Werkstattcharakter. Eine Noblesse, die auch ihren Preis hat: Die anfangs kalkulierten 2,7 Millionen Euro Baukosten wurden um eine Million überschritten. Teils, so Renate Breuß, wegen der zuerst nicht geplanten Unterkellerung, teils wegen der hohen Qualitätsstandards. Finanziert wurde der Bau durch EU, Region, Gemeinde, Sponsoren und die Vereinsmitglieder selbst. Für 500.000 Euro sucht man zurzeit noch Sponsoren.

Wo der Perfektionismus eines Zumthor und der Stolz einer kollektiven Handwerkerzunft zusammenkommen, ist das vielleicht unvermeidbar. Sollte die überdachte Vitrine für noch mehr geschäftiges Gesumme im Bregenzerwälder Bienenstock sorgen, dürfte auch das nur eine vorübergehende Sorge sein.

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