Bauwerk

Roche-Turm, Hauptsitz
Herzog & de Meuron - Basel (CH) - 2015
Roche-Turm, Hauptsitz, Foto: Hans H. Münchhalfen / ARTUR IMAGES
Roche-Turm, Hauptsitz, Foto: Hans H. Münchhalfen / ARTUR IMAGES

Fallbeil in der Trickkiste

Rémy Zauggs Zusammenarbeit mit Herzog & de Meuron für Roche

21. Mai 2002 - Urs Steiner
Was macht bloss aus dem neuen, neunstöckigen Glaskasten auf dem Basler Industrieareal von Roche ein Gebäude mit magischer Ausstrahlung? Eine Wirkung, der man sich selbst beim Vorbeifahren auf der Autobahn nicht entziehen kann? Der Bau protzt weder mit monumentalen Gesten, noch turnt er spastische Kapriolen. Scheinbar unbeteiligt steht er am Rande des architektonisch und städtebaulich bedeutenden Firmengeländes von Otto Rudolf Salvisberg. Selbst im Vergleich zu anderen Projekten seiner Architekten Herzog & de Meuron springt das Spektakuläre des im Jahre 2000 fertiggestellten Forschungsgebäudes den flüchtigen Betrachter nicht an.

Der Bau mag das Bild einer Laterne mit wechselndem Charakter evozieren: Bei starkem Sonnenschein ähnelt er mit seinen ausgefahrenen Stoffstoren einer Noguchi-Leuchte, nachts einem schimmernden Kristallkörper. Sein eigentliches Geheimnis aber besteht aus einer blauen Wand, einer Brandmauer im Innern, die der Künstler Rémy Zaugg zusammen mit den Architekten zum expressiven Kern des Projektes erhoben hat. Die blaue Wand strahlt nachts kilometerweit aus dem Glaskasten heraus und wirkt, als hätte ein riesenhafter Zauberer ein blaues Fallbeil durch seine transluzide Trickkiste gestossen. - In einer exemplarischen Fallstudie zeichnen jetzt die Architekten, der Bauherr und der Künstler die Entstehungsgeschichte einer Kooperation nach, die mit einem banalen Auftrag für Kunst am Bau begann und in einem Gemeinschaftswerk gipfelte, bei dem sich Architektur und Kunst gegenseitig durchdringen, sich gegenseitig bedingen.

Rémy Zaugg erklärt in einem Tagebuch die Genese des Werks: Wie eine architektonische Konzeption eine bestimmte Art der künstlerischen Intervention erzwang und über Rückkoppelungen schliesslich wiederum Auswirkungen auf die Architektur hatte. Das schmale, mit zahlreichen Farbfotos, Plänen und Skizzen ausgestattete Buch beweist, dass richtig verstandene Kunst am Bau niemals appliziert werden kann, sondern nur gelingt, wenn zwischen Architekt und Künstler so etwas herrscht wie kongenialer Respekt vor der Kompetenz des anderen.


[Eine Architektur von Herzog & de Meuron, eine Wandmalerei von Rémy Zaugg, ein Werk für Roche Basel. Hrsg. Rémy Zaugg. Birkhäuser-Verlag, Basel 2001. 125 S., Fr. 52.-.]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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