Bauwerk

Erweiterung Lycée Français und Umbau Studio Molière
Dietmar Feichtinger Architectes - Wien (A) - 2016

Ensemble français

Neue Transparenz im Altbestand, dazu ein Neubau, betont schlicht, beides verantwortet von Dietmar Feichtinger Architectes. Wie man formal und städtebaulich die Situation an der Wiener Liechtensteinstraße verbessert: eine Nachschau im Lycée Français.

4. Februar 2017 - Franziska Leeb
Das Lycée Français de Viennenahm seinen Anfang 1946 in ein paar Klassen im Gymnasium in der Amerlingstraße, wo Kinder der französischen Besatzungssoldaten unterrichtet wurden. Ab 1947, dem Jahr der Unterzeichnung des Französisch-Österreichischen Kulturabkommens, war die Schule im Palais Lobkowitz, das bis 1979 das französische Kulturinstitut beherbergte, untergebracht. Im Jahr 1951 wurde das 1834/35 erbaute Palais Clam-Gallas an der Währinger Straße samt fünf Hektar großer Parkanlage von Frankreich unter der Bedingung gekauft, dass die Stadt Wien im östlichen, von der Liechtensteinstraße zugänglichen Teil der Gartenanlage einen Schulbau genehmigt. Das Kulturinstitut übersiedelte erst 1980 ins Palais Clam-Gallas, das 2015 von der Republik Frankreich – begleitet von heftigen Protesten – an das Emirat Katar verkauft wurde.

„Sie vermag den Vergleich mit dem alten gräflichen Palast wohl auszuhalten, ist sie doch selbst ein Palast“ zeigte sich die „Arbeiter-Zeitung“ anlässlich der Eröffnung des Lycée Français de Vienne am 8. Mai 1954 von damals Wiens modernster Schule mit „lichtdurchfluteten Räumen, die auch mit allem hygienischen Komfort ausgestattet sind“, beeindruckt. Geplant vom französischen Chefarchitekten für öffentliche Gebäude, Jacques Laurent, sowie von Karl Kupsky, Professor an der Technischen Hochschule, ist sie ein Klassiker der Wiener Nachkriegsmoderne. 1971 wurde der Schule auch das Studio Molière angegliedert. Das Theater wurde im Gebäude der ehemaligen Dietrichstein'schen Reitschule aus dem beginnenden 18. Jahrhundert, das im 19. Jahrhundert mit großen gotisierenden Spitzbogenfenstern versehen wurde, eingerichtet. Bereits 1921 hatte es als „Flieger-Kino“ – der Name bezieht sich auf den Initiator dieses Lichtspieltheaters, den kriegsinvaliden Flieger Rudolf Eder – eine kulturelle Funktion bekommen.

Für längst notwendige Verbesserungen auf dem Schulareal wurde 2011 ein Wettbewerb ausgelobt. Es galt, das über die Jahrzehnte stark in Mitleidenschaft gezogene Studio Molière zu revitalisieren und in einem Neubau Platz für zusätzliche Klassen zu schaffen. Siebzig Jahre nach Gründung des Lycée Français wurden im vergangenen Herbst die neuen Räumlichkeiten feierlich eröffnet. Dietmar Feichtinger, der seit 1994 sehr erfolgreich sein Büro in Paris führt, konnte den Wettbewerb, für den er neben weiteren vier französischen Architekturbüros mit Bezug zu Österreich, darunter Dominique Perrault und Nasrine Seraji, geladen wurde, für sich entscheiden.

Das Studio Molière erhielt durch das Öffnen von drei Fassadenachsen bis unter das Gesims und das Entfernen zweier bestehender Zwischendecken ein großzügiges neues Entree mit offener Vorhalle als gedecktem Ankunfts- und Verweilort; die zurückgesetzte Verglasung des Kassen- und Garderobenbereichs bewirkt eine neue Transparenz, die das Gebäude zum öffentlichen Raum hin aufmacht und neue Durchblicke zum Dahinter eröffnet. Der Proportion der Straßenfassade, an der die Spitzbogenfenster aus dem 19. Jahrhundert nicht mehr erhalten waren, wurde damit ein guter Dienst erweisen. Daneben, in der Achse des ehemaligen Theatereinganges, wurde ein Gassenlokal mit Schaufenstern eingerichtet, das der Schule als Präsentationsraum dienen wird. Die straßenseitig angekündigte Großzügigkeit setzt sich im gartenseitigen Foyer, das sich über die großen, neu verglasten Spitzbogenfenster zum Schulgelände öffnet, fort. Der 240 Plätze fassende Theatersaal wurde von seiner düsteren Atmosphäre befreit. Ebenso wie das Gassenlokal ist er vom Foyer barrierefrei zugänglich, womit eine vielfältig nutz- und koppelbare Raumfolge hergestellt wurde. Über der Sanitärgruppe wurden eine vom neuen Hauptstiegenhaus aus zugängliche Maisonettewohnung für den Hausmeister und ein Gästezimmer eingebaut und mittels Schattenfugen und feiner Farbkontraste vom Bestand abgesetzt. Sowohl für kulturelle als auch schulische Veranstaltungen jedweder Art steht somit an diesem traditionsreichen Ort mit wechselhafter Geschichte nach Jahren des Stillstands wieder eine zeitgemäße Infrastruktur bereit.

Die erforderlichen neuen Klassenräume brachten die Architekten in einem schlichten quaderförmigen, parallel zum Studio Molière situierten Baukörper auf einer zuvor als Parkplatz genutzten Fläche exakt innerhalb des für die Neubebauung gewidmeten, recht sparsam bemessenen Volumens unter, dessen Höhe sich am Gesims des Studio Molière orientiert. Dem Untergeschoß wurde südlich ein großes Atrium mit Holzboden vorgelagert, womit die hier untergebrachten Säle für Musik und Werken nicht nur viel Licht erhalten, sondern der Unterricht auch ins Freie verlagert werden kann.

In den drei Geschoßen darüber äußern sich die Regeln des französischen Schulbaus in den zwei Eingängen, die für jedes Klassenzimmer vorgeschrieben sind, aber auch in einer mit 2,80 Metern etwas niedrigeren Raumhöhe als in Österreich. Letzteres kam den Architekten allerdings insofern entgegen, als so auch die vorgeschriebene Bauhöhe leichter einzuhalten war. Der pavillonartige Bau ist betont schlicht. Beton, Holz, Glas und in einem zartgoldenen schimmernden Ton eloxierte Aluminiumpaneele und Fensterrahmen bilden einen zurückhaltenden Hintergrund. Holzwolle-Dämmplatten an den Decken und den Wänden zum Gang sorgen für die Verbesserung der Akustik. Trotz der materiellen und farblichen Reduziertheit ist das dank rundum großzügiger Verglasung luftig wirkende Ambiente angenehm wohnlich. Dafür sorgen natürlich die Holzböden, sehr stark aber auch die Exaktheit im Detail, wie die mit den Wänden bündigen Holztüren und die generell sehr sorgfältig gefügten Flächen.

Während die dem Lycée zugewandte Westfassade mit horizontalen Fensterbändern und Fassaden aus Betonfertigteilen in aktualisierter Weise auf die Formensprache des Gebäudes aus den 1950er-Jahren Bezug nimmt, reagiert die Ostfassade vis-à-visdem Studio Molière mit gegeneinander versetzten Abfolgen von geschoßhohen Glasflächen und schlanken, teils mit Lüftungsflügeln versehenen Alupaneelen auf dessen Vertikalität. So gelang es, ein Ensemble zu schaffen, das stimmig ist und nicht nur funktionale Verbesserungen mit sich bringt, sondern auch formal und städtebaulich die Situation an der Liechtensteinstraße verbessert.

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