Bauwerk

Primarschulhaus
Giorla & Trautmann - Conthey (CH) - 2002

Schöne neue Schule

Ein Neubau von Giorla & Trautmann in Conthey

6. Dezember 2002 - Olivier Aebischer
Die Sentenz Senecas «Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir» gilt zweifellos auch für Architekten. Die beiden Walliser Jean Gérard Giorla und Mona Trautmann haben fürs Leben gelernt und für die Gemeinde Conthey im Unterwallis eine neue Primarschule gebaut. Jenen Ort also, in dem das institutionalisierte Lernen fürs Leben seinen Anfang nimmt. Den Wechsel vom unbekümmerten Spiel in den Alltag des Unterrichts empfinden gewiss nicht alle Kinder als «cool». Die rund 220 Schulkinder von Conthey besuchen nun die Schule in einem Haus, das durch seine strenge Linienführung besticht und einen mit den «coolen» Materialien Beton, Stahl und Glas empfängt. Dennoch ist dieser Empfang alles andere als kühl, vielmehr warm, herzlich - und sogar etwas verspielt.

Den Kontrast zwischen Strenge und Spiel bewirken zwei bunte Kuben (grün und orange), die - schräg gestellt - entlang der ebenfalls schräg verlaufenden, nach Osten orientierten Glasfront des Hauptgebäudes angeordnet und teilweise in dessen zweigeschossige Eingangshalle eingeschoben sind. In der oberen Etage dieser beiden Baukörper befinden sich Räume für den Werkunterricht, in der unteren aber Lehrer-, Sanitäts- und Materialzimmer. Auf den Kuben und auf sechs schlanken Rundpfeilern ruht das grosse Vordach des Schulhauses. An dessen nach Westen orientierter Längsseite befinden sich auf zwei Etagen je sechs Klassenzimmer, die mit ihrer roten, zur Eingangshalle und zur Galerie sich öffnenden Innenfassade für einen weiteren Kontrast sorgen. Gegen Süden wird der elegante Bau durch die Turnhalle abgeschlossen, deren Spielfläche ins Untergeschoss zu liegen kam, wodurch die einheitliche Dachhöhe eingehalten werden konnte.

Das als «fünfte Fassade» funktionierende Flachdach ist die eigentliche Pointe des in der Talebene gelegenen Schulhauses, auf das man von den höher am Hang gelegenen Dorfteilen hinunterblickt. Das Dach ist als ein 20 Zentimeter tiefes Wasserbassin ausgebildet, aus dem sich neun Oberlichter erheben. Fast überflüssig zu sagen, dass sich das Wasser neben den saisonal erwünschten thermischen Effekten auch günstig auf die Lichtverhältnisse auswirkt. Wie die kaleidoskopartigen Licht- und Schattenspiele an der Decke zustande kommen, werden die Schüler dereinst wohl im Physikunterricht erfahren.

Für Giorla & Trautmann ist der Neubau von Conthey bereits die fünfte realisierte Arbeit im Bereich des Schulhausbaus. Neben Erweiterungen in Grône und Siders ist vor allem «Trakt IV» in Zermatt zu erwähnen, wo sie 1994 etwa dasselbe Programm wie in Conthey umzusetzen hatten. Allerdings stand in Zermatt mit einem Grundstück von 1300 Quadratmetern viermal weniger Fläche zur Verfügung, was eine Lösung auf sechs Etagen erforderlich machte. Die Turnhalle befindet sich dort ganz im Untergeschoss, der Pausenplatz hingegen auf dem Dach.

Für die Erweiterung und den Umbau des Rilke-Museums im Haus Pancrace de Courten in Sierre wurden Giorla & Trautmann 1995 von der Stiftung Henri et Marcelle Gaspoz ausgezeichnet. Die beiden haben zudem mit ihren Bauten einen Teil des Stadtkerns von Siders geprägt: Begibt man sich vom Bahnhof in Richtung Zentrum, trifft man auf das 1991 fertiggestellte Wohn- und Geschäftsgebäude «La Terrasse», zwischen dessen beiden Türmen sich der Mont Bonvin erhebt. Der Bahnhof selbst, ein tief gehaltener Backsteinriegel aus dem Jahre 1996, stammt ebenfalls von Giorla & Trautmann, deren Büro sich ausserdem in diesem Bau befindet.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Akteure

Architektur