Bauwerk

Filmmuseum
Friedrich H. Mascher, Erich G. Steinmayr - Wien (A) - 2003

Ein guter Raum für Kinogeschichte(n)

Endlich wird das unter Direktor Alexander Horwath renovierte Österreichische Filmmuseum neu eröffnet: Heute gibt ein Tag der offenen Tür die Möglichkeit zu einem Streifzug durch das programmatische Spektrum. Auch die neue Bar will getestet werden.

3. Oktober 2003 - Claus Philipp
Wien - Erinnerung: Der Blick auf eine lichtbeschienene Leinwand. Dazu aus dem Off Ton- und Musikfetzen einer Filmvorführung, das Knarren von hoch- und niedergeklappten Hörsaalbänken. Reihe 13/2 nennt sich eine Soundkomposition der Musiker Anne Marie Fuerthauer und Martin Stepanik, die Filmmuseumsdirektor Alexander Horwath gestern im Rahmen einer Pressekonferenz im neu gestalteten „Unsichtbaren Kino“ in der Albertina präsentierte.

Es war, auch in Anwesenheit mehrerer Cineasten, die „im Österreichischen Filmmuseum das Sehen gelernt haben“, ein ungewöhnlich bewegender Moment. Noch einmal lud sich der Raum, der jetzt auf den neuesten Stand der Technik gebracht und mit Polsterbestuhlung ausgestattet wurde, auf: mit einer Ahnung jener rigiden, puristischen Haltung, aus der heraus Horwaths Vorgänger Peter Konlechner und Peter Kubelka ein Museum kreiert hatten, dessen einziger Ausstellungsort die Leinwand ist. Einen Hort der Konzentration vor allem auf unabhängige Bilder, Töne und deren Montagen. Einen Gegenentwurf zu Schachtel- und Popcornkinos, wie er international jahrzehntelang seinesgleichen suchte.


Behutsam energisch

Alexander Horwath ist sich denn auch sehr bewusst, welche „Kirche“ er da nun behutsam, aber doch energisch neu adaptiert hat. Ein Shop und eine Bar, Videoprojektionen gar im (nun von den Architekten Erich Gottfried Steinmayr und Friedrich H. Mascher ebenfalls neu gestalteten) Foyer: Das war lange Zeit undenkbar. Auch aus budgetären Gründen. Und wie hart Horwath seit seiner Bestellung 2001 um die notwendigen Gelder gerungen und verhandelt haben muss - man ersah es nicht nur aus seinem eher ungewohnten Schweigen zu filmpolitischen Agenden in den letzten Monaten.

Auch der Wiener SP-Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny bedankte sich bei der Präsentation dafür, dass Horwath sich durchgesetzt habe - teilweise auch gegen Widerstände im Kulturamt. VP-Kunststaatssekretär Franz Morak wiederum, wegen eines Auslandstermins verhindert, hinterließ in der Pressemappe einen Brief, in dem er die „gemeinsame Kraftanstrengung aller Subventionsgeber und Sponsoren“ würdigte.

1,9 Millionen Euro hat die gesamte Renovierung des Österreichischen Filmmuseums gekostet - ein kleiner Betrag im Vergleich mit anderen Institutionen, aber doch eine erkleckliche Summe im hierzulande meist sträflich vernachlässigten Bereich der audiovisuellen Medien.

Dafür ist jetzt des Klagens über inakzeptable Baufälligkeit und desolate Installationen ein Ende; Projektion und Ton sind jetzt, wie man so schön sagt, auf dem neuesten Stand, das „Unsichtbare Kino“ unsichtbarer denn je: Nicht nur wegen der jetzt ebenfalls konsequent in Schwarz gehaltenen Bestuhlung, sondern auch durch versetzte Notausgänge samt deren vorher störenden Signalbeleuchtung.

„Die Utopie besteht nicht darin, etwas anderes zu machen, sondern es anders zu machen. Um diesen Preis trägt sie ihre Früchte.“ Im Sinne einer behutsamen Adaption der alten Prämissen von Konlechner und Kubelka zitiert Horwath auf der Homepage des Museums den französischen Kritiker Serge Daney - und deutet damit gleichzeitig eine Ausweitung und Aktualisierung von gedanklichen Spannungsbögen an, die das Programm prägen werden. Wenn jetzt im Foyer Plakate von Dziga Vertov zwei Filmstills von Jean-Luc Godard gegenüberstehen, dann hat mit Letzterem auch ein Kino Einzug gehalten, das einst im „alten“ Filmmuseum verpönt war.


Kino: Freiraum

Aber wie sagte Kubelka einst über Horwath: „Er ist gut für das Museum, weil er für das Kino ganz und gar aufgeht.“ Eine Vorahnung dieser im Falle Horwaths manchmal sehr euphorisch vorgetragenen Passion gibt heute ab 13.00 ein Tag der offenen Tür, der mit einem festlichen Ausschnitt aus John Fords Western My Darling Clementine beginnt und (unter demselben Motto „Ins Kino/Ins Freie“) gegen Mitternacht mit Szenen aus Godards Le Mépris endet:.

Das auch dort thematisierte beständige Ringen zwischen Individuen und (Studio-) Strukturen, Handschrift und Industrie, genialen Abhängigkeiten, Independent Cinema und Underground: Horwath wird sie wohl in den nächsten Jahren ausgiebig nachvollziehen - demnächst etwa mit Retrospektiven für Michael Powell & Emeric Pressburger, Buster Keaton oder Ingmar Bergman. Und dabei dem Museum vielleicht länger erhalten bleiben als einst der Viennale. „Hier etwas aufzubauen und zu bewahren - da denkt man in anderen Zeitmaßen“, meinte der Direktor gegenüber dem STANDARD.

Besonders froh ist er jedenfalls darüber, dass der Standort in der Albertina, gleichsam im Rücken der Staatsoper, erhalten werden konnte. Überall werde das Kino und auch die Cinematheken in Peripherien abgedrängt. „Aber gerade hierzulande ist es wichtig, dass sich das Medium in der und gegen die heimische Hochkultur behauptet.“ Zum Beispiel mit einem Beitrag wie Reihe 13/2. Noch einmal knarren die alten Stühle, und man spürt: Dies war immer ein guter Raum für Geschichte(n).

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