Bauwerk

Kolumba - Kunstmuseum des Erzbistums Köln
Peter Zumthor - Köln (D) - 2006
Kolumba - Kunstmuseum des Erzbistums Köln, Foto: Jochen Helle / ARTUR IMAGES
Kolumba - Kunstmuseum des Erzbistums Köln, Foto: Jochen Helle / ARTUR IMAGES

Trümmermadonna

Auf dem Gelände der Kolumba-Kirche in Köln lagert eine 2000-jährige Baugeschichte. In den 1970er-Jahren wurden die Schichten frei gelegt. Sie zeugen vom Wechsel von Bauen, Erweitern und Abbrechen. Nie aber waren die Eingriffe so einschneidend wie im II. Weltkrieg.

26. November 2007 - Rahel Hartmann Schweizer
Zu Tage gefördert wurden die Schichten 1974–76 durch die von Sven Seiler geleitete Ausgrabung. Sie bezeugen erste Siedlungsspuren aus dem Jungneolithikum (4300–3500 v. Chr.) . Die mehr oder weniger kontinuierliche 2000-jährige Bautätigkeit gliedert sich in die römische Phase der Insula (Wohnblock) innerhalb des durch die ehemalige Bursgasse, Minoriten-, Kolumba- und Brückenstrasse gebildeten Rechtecks – Reste von Fussbodenheizungen, Wasserbassins und Wandputz legen Zeugnis über ein Wohnviertel vornehmer Römer ab – und in die christliche Periode des Sakralraums. Die frühesten römi­schen Funde stammen aus der 1. Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. Es handelt sich um Gruben, denen Lehm entnommen wurde. Die zweite Siedlungsphase entstand um 50 n. Chr., als Köln zur «Colonia» erhoben wurde . In der mittleren Kaiserzeit (2. / 3. Jh.) wurden Fussbodenheizungen (Hypokausta) , Ende 3. / Anfang 4. Jahrhundert Färberbecken in die Häuser eingebaut . Trotz der Frankeneinfälle wurde in spätrömischer Zeit (2. Hälfte 4.  / 1. Hälfte 5. Jh.) weitergebaut.

Zum Dreh- und Angelpunkt der späteren Bebauung wurde ein römisches Haus, das im 7. / 8. Jahrhundert mit einer Apsis versehen wurde: der erste christliche Kultbau . Im 8. oder 9. Jahrhundert errichtete man neben dem umgebauten Haus eine einschiffige Kirche mit eingezogener Ostapsis, die für die folgenden Kirchen richtungsweisend war . Diese Saalkirche wurde im 11. Jahrhundert durch eine dreischiffige Anlage ersetzt . Die beiden Seitenschiffe endeten in rechteckig ummantelten Konchen (halbrunde Nischen). Die Apsis des Langhauses ragte über diese hinaus. Man erweiterte diese Kirche durch eine Verlängerung der Seitenschiffe, die nun ebenfalls mit aussen sichtbaren Apsiden abschlossen . In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts erhielt das Mittelschiff eine neue, längere Apsis . Damit hatte die querschifflose Kirche einen Staffelchor. Erst in dieser Bauphase scheint im Westen vor dem Mittelschiff eine Vorhalle errichtet worden zu sein.

Der folgende Neubau aus dem 12. / 13. Jahrhundert wurde als vierschiffige Anlage errich-tet – wobei das vierte südliche Seitenschiff wegen des Verlaufs der Brückenstrasse um zwei Joche kürzer war und nach Westen hin schmaler wurde. Die Vorhalle im Westen wurde durch einen ca. 25 m hohen Westturm ersetzt.

Der spätgotische Neubau datiert ins 16. Jahrhundert und war eine fünfschiffige Kirche mit hallenartigen Seitenschiffen. Im Osten der Seitenschiffe schlossen sich zwei Räume an, die durch je einen zentralen Pfeiler in vier Joche gegliedert waren. Diese beiden Räume wirkten wie ein Querhaus. Prägnant in Erscheinung trat die an das Seitenschiff angebaute, von Bürgermeister Godert von Wasservass gestiftete Georgskapelle (Taufkapelle). Wie beim Vorgängerbau führte die Grundstücksgrenze an der Brückenstrasse zu einem eigenwilligen Grundriss des südlichen Seitenschiffes. Das äussere Seitenschiff wurde nach Wes­ten hin schmaler, sodass unregelmässige Grundrisse entstanden.

Im Barock wurden der Haupt- und zwei Nebenaltäre eingebaut sowie die Hauptapsis erneuert. Nach den Zerstörungen des II. Weltkriegs baute Gottfried Böhm die Kapelle «Madonna in den Trümmern» (1950) und die Sakramentskapelle (1956).

Verehrung

Die Bombardements im II. Weltkrieg hatten Köln zu 90 Prozent zerstört und die Altstadt in ein Trümmerfeld verwandelt. Auch von der Kirche St. Kolumba standen nur noch Teile des Skeletts: Nord- und Südmauer, ein Turmstumpf und die Statue der stehenden Madonna mit Kind, die sich nahezu unversehrt aus Schutt und Asche erhob. Oberpfarrer Joseph Geller erkannte in ihr die Kraft des Gedenkens und verhinderte ihren Abtransport, damit «der mystische Gehalt dieses Geschehens (nicht) seines Inhalts beraubt würde».
Es herrschte Einmütigkeit, die Kirche nicht in rekonstruierender Weise wiederaufzubauen: «St. Kolumba besteht nur noch aus Mauerresten. Hier ist nur ein völliger Neubau unter Verwendung dieser Reste möglich», schrieb Dombaumeister Willy Weyres. Und Geller seinerseits war der Moderne verpflichtet, hatte er doch 1909 Peter Behrens mit dem Bau des Gesellenhauses in Neuss beauftragt. Er versuchte erst Rudolf Schwarz (1897–1961), dann Dominikus Böhm (1880–1955) zu gewinnen. Letzterer übergab die Sache seinem Sohn Gottfried. Noch nach der Grundsteinlegung am 8. Dezember 1949 modifizierte Böhm sein Projekt und gestaltete den kreisförmigen Chorabschluss in ein achtseitiges verglastes Polygon um – Ludwig Gies schuf dafür 1954 die farbigen Engelfenster. Man hat darin das Weiterwirken des Glashauses gesehen, das Bruno Taut für die Werkbundausstellung 1914 in Köln errichtete. Statt wie vorgesehen mit einem Faltdach, wurde das Oktogon mit einem Pyramidendach gedeckt. Trümmermaterial wurde gleichsam als Spolien intergriert. Böhms mystisch-dunkler Sakramentsraum, der sich nördlich an die Kapelle anschliesst, entstand 1956. Zu dessen Ausstattung entwarf Böhm einen Altar und vier raumhohe Kerzenbäume aus weiss-grau geädertem Marmor. Die Ostwand der Sakramentskapelle gestaltete der Gies-Schüler Rudolf Peer (geb. 1932) mit einem in die Basalt-Wand eingemeisselten Kreuzweg. Die seelsorgerische Betreuung der Kapelle obliegt den Franziskaner-
minoriten, deren Kloster 1956 in unmittelbarer Nachbarschaft errichtet worden war, nun aber dem Museum weichen musste. Die Mönche wurden an die Tunisstrasse umgesiedelt.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

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