Bauwerk

Kindergarten Bad Säckingen-Straße
Treberspurg & Partner Architekten - Purkersdorf (A) - 2016
Kindergarten Bad Säckingen-Straße, Foto: Christoph Treberspurg
Kindergarten Bad Säckingen-Straße, Foto: Christoph Treberspurg
14. Februar 2018 - ORTE
Purkersdorf ist eine typische Gemeinde im Speckgürtel von Wien und für junge Familien ein ziemlich idealer Wohnort. Hier gibt es nur knapp zehntausend Einwohner, viel Grün, Schulen und Kindergärten. Sogar ein kleines Bächlein, die Gablitz, fließt durch. 1989 hatten die Architekten Georg Reinberg und Martin Treberspurg auf einem Hang in der Purkersdorfer Wintergasse mit befreundeten Familien ihr Ideal von ökologischem, gemeinschaftsorientiertem Wohnen umgesetzt: Beide Architekten sind Pioniere im umweltbewussten Bauen. Sie entwickelten ein der Sonne zugewandtes Hanghaus, dessen sechs mehrgeschoßige
Wohneinheiten mit Dachterrasse, Wintergarten und eigenem Freiraum sich um einen riesigen Gemeinschaftshof orientieren. Christoph Treberspurg, der Sohn des Architekten, ist dort aufgewachsen. „Es war toll“, erinnert er sich an seine Kindheit im Grünen. Treberspurg hat an der Angewandten bei Greg Lynn Architektur studiert und unter anderem bei the next ENTERprise architects und Wolfgang Tschapeller gearbeitet. Nun will er im Büro seines Vaters die Tradition des umweltbewussten Bauens in einer neuen Formensprache weiterführen.

Purkersdorf wächst

Der Kindergarten in der Bad Säckingen-Straße liegt in einem schönen Park. Das Oktogon, an das die Gruppenräume andocken, war bereits einmal von Pfeil Architekten erweitert worden, aber immer noch zu klein. Es brauchte zwei weitere Gruppen. Im Westen grenzt das grüne Kindergartenareal an ein Portiershaus aus dem Jahr 1914: Es hat ein ausladendes Krüppelwalmdach und eine Fassade, auf die braunes Holz in Fachwerksmanier appliziert wurde. Der Eingang liegt an einem kleinen Portikus mit exakt einer Säule am südöstlichen Eck, die Rückseite des Hauses aber steht direkt auf der Regulierungsmauer des Gablitz-Baches, dessen Flussbett drei Meter tiefer verläuft. Der alte Bestand sollte saniert und um zwei Kindergartengruppen inklusive aller Nebenräume erweitert werden. Keine leichte Aufgabe: Denn direkt gegenüber an der Bad Säckingen-Straße stehen im Nordosten zwei siebengeschoßige Wohnbauten aus den 1970ern, die das Grundstück fast komplett verschatten.

Möglichst viel Sonne

„Mir war wichtig, dass die Kinder die direkte Sonnenstrahlung bekommen. Außerdem sollten sie erleben können, wie die Zeit vergeht und im Lauf des Tages die Schatten wandern“, sagt Christoph Treberspurg, der im Team mit Bernhard Kollmann, Wolfgang Csenar und Leonie Armeanu den Zubau plante. „Wir sind also mit dem Kindergarten so weit wie möglich aus dem Schatten herausgerückt.“ Ausgangspunkt der Planung waren Schattenstudien und Simulationen des Sonneneinfalls. Dort, wo am meisten Sonne auf das Grundstück fällt, wurden an den Hochpunkten der Dächer in 5,30 Meter Höhe Oberlichter gesetzt, um die sich eine freie Dachform entwickelt. Sie bildet gleichermaßen eine Dachlandschaft, die quasi-organisch um zwei Seiten der alten Villa mäandert. Sie ist deutlich niedriger, dockt dezent eingeschoßig mit einem gläsernen Windfang neben dem alten Portikus an und entwickelt sich dann in Richtung Norden und Freiraum zu mehr Höhe und Volumen. Außen wurde der Kindergarten zur Gänze mit vorgegrauten Lärchenlatten verkleidet, er passt also sowohl zur Villa als auch in den Garten. Wer näherkommt, wird kleine, feine Unterschiede erkennen: Die Dichtungsbahn, auf der hinter der Holzlattung das Wasser abrinnen kann, ohne den Rest der Konstruktion zu gefährden, ist auf der „öffentlichen“ Seite beim Eingang orange, auf der Gartenseite im Norden grün und an der Außenseite im Nordwesten rot. Dieser Kunstgriff lässt jede Seite ein wenig anders erscheinen. Leider war das Kostenkorsett recht eng: Daher bekam die Rückseite am Fluss einfach eine Vollwärmeschutzfassade und die frei geformte Dachlandschaft mit ihren Hochpunkten und Graten konnte nicht begrünt werden.

Räume mit Charakter

Dafür macht ihre Geometrie auch in den Gruppenräumen einiges her: Die schrägen, mit weißen, akustisch wirksamen Gipskartondecken verkleideten, spitz zulaufenden Zwickelflächen lenken die Sonnenstrahlen weiter ins Innere und reflektieren sie hell. An trüben Tagen spenden runde Lampen Licht. Mit hohen, über Eck verglasten Fenstern öffnen sich beide Räume zu je zwei Himmelsrichtungen zum Garten. Auf einer umlaufenden Bank können die Kinder hier am Fenster sitzen und hinausschauen. Außerdem gibt es in jedem Raum ein zweites, langes Panoramafensterband in kindgerechter Höhe. Beide Gruppenräume sind etwas anders orientiert, leicht unterschiedlich proportioniert und haben ihr Oberlicht an einer anderen Position. Dadurch hat jede ihren eigenen Charakter. Von beiden kann man durch Innenfenster und gläserne Türen auch in den großen Bewegungsraum in der Mitte, zum Kinderklo und dem Ruheraum sehen.
Die Haupt- und Nebenräume für jede Gruppe sind wie kleine Trakte V-förmig gegeneinander verschwenkt: Gemeinsam fassen sie einen großen, frei geformten Bewegungsraum ein, in dem ein sonnengelber, fußbodenbeheizter Linoleumboden die profunde Basis für kindlichen Bewegungsdrang und gute Laune bildet. Er öffnet sich mit einer raumhohen Glasfassade zur Terrasse am Garten. Von hier kann man auf den Spielplatz und bis zum Park mit dem alten Kindergarten blicken. Die Glasfassade verläuft mit einem leichten Knick nach innen, sodass sich das Dach behutsam über die Öffnung neigen und einen witterungsgeschützten Freibereich an Terrasse und Garten ausbilden kann. Er liegt im Norden, was auch Vorteile hat. „Dadurch sitzen die Kinder im Schatten und schauen in die Sonne“, so Christoph Treberspurg. Der offene, zentrale Raum zwischen den Gruppen ist eine ausgedehnte Bewegungs- und Kommunikationszone erster Güte: Im Westen buchtet sie sich zu einer tiefen, kleinen Ruhenische aus, von der
man auf türkisem Teppichboden liegend zum Bach hinunter sieht. Daneben ist im Altbau noch ein Bewegungsraum mit Sportbelag, wo sich die Kids wirklich austoben können. Seine Tür mündet in den großen Raum in der Mitte, der sich im Süden bis zum Windfang am Eingang erstreckt: Hier betritt man den Zubau und hat gleich alles im Blick. Beim Besuch der Autorin waren Gruppen aus dem alten Kindergarten zu Gast. Gemeinsam probten alle Lieder für die Eröffnungsfeier. (Text: Isabella Marboe, publiziert in morgen 6/2016)

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Für den Beitrag verantwortlich: ORTE architekturnetzwerk niederösterreich

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