Veranstaltung

x projekte der arbeitsgruppe 4
Ausstellung
x projekte der arbeitsgruppe 4, Foto: Franz Hubmann
4. März 2010 bis 31. Mai 2010
Architekturzentrum Wien - Alte Halle
Museumsplatz 1
A-1070 Wien


Veranstalter:in: Architekturzentrum Wien
Eröffnung: Mittwoch, 3. März 2010, 19:00 Uhr

Zu früh. Alles viel zu früh.

Die arbeitsgruppe 4 war die erste und legendärste Architekten-Boygroup des Landes. In einer Ausstellung im AZW lernt man die Gründe kennen.

6. März 2010 - Wojciech Czaja
Sie sind die erste Boygroup, die die österreichische Architektur je gesehen hat. Und sie schauen aus, um mit den Worten von AZW-Direktor Dietmar Steiner zu sprechen, wie Elvis Presley, Harry Potter und James Dean. Der Porsche-Wind ist Herrn Dean ins Gesicht geschrieben, verträumt der Blick, verwegen das Haar. Die Rede ist von der legendären „arbeitsgruppe 4“. Kuratiert von Sonja Pisarik und Ute Waditschatka, widmet ihr das Architekturzentrum Wien nun eine eigene Ausstellung.

Es ist das Jahr 1950, als Wilhelm Holzbauer, Johannes Spalt und Friedrich Kurrent, knackig frische Studenten an der Akademie der bildenden Künste in Wien, beschließen, sich zusammenzutun und mit vereinten Kräften in die Berufswelt aufzubrechen. Am Anfang werden sie vom mittlerweile verstorbenen Otto Leitner begleitet, der sich jedoch bald ausklinkt, um nach Deutschland auszuwandern und eigene Wege zu gehen.

„Warum wir eine Gruppe mit so einem Pseudonym gebildet haben, hat einen einfachen Grund“, sagt Friedrich Kurrent: „Wir waren alle noch nicht mit dem Studium fertig, wollten aber unbedingt schon an Architekturwettbewerben teilnehmen. Mit so einem teutonischen Kunstnamen, der nicht sofort zuordenbar ist, geht das viel leichter.“

In der Fuhrmannsgasse 4 in der Josefstadt besiedelt die arbeitsgruppe 4 ein Atelier, das nach kurzer Zeit zu einem bedeutenden Ort für die Wiener Kunst- und Kulturszene wird. Lesungen werden gehalten, Aufführungen gemacht, Feste gefeiert. Schon bald folgen die ersten Wettbewerbe, die zwar nicht den ersten Platz bescheren, aber immerhin mal den zweiten, mal den dritten, mal einen lukrativen Ankauf.

„Wir waren arme Schlucker, finanziell ist es uns am Anfang wirklich schlecht gegangen“, erinnert sich Wilhelm Holzbauer. „Josef Schmied, der Wirt ums Eck, hat uns oft wochenlang durchgefüttert. Wir haben das Billigste gegessen und nichts dazu getrunken. Sobald ein bissl Geld da war, haben wir unsere Schulden beglichen. So gesehen waren die Wettbewerbe, an denen wir teilgenommen haben, essenziell für uns. Von den vielen Preisen und Ankäufen haben wir oft ein halbes Jahr lang leben können.“

Bereits die ersten Entwürfe der arbeitsgruppe 4 sind ambitioniert, womöglich sogar zu ambitioniert. 1953 entwirft sie ein paar Varianten der sogenannten „Wohnraumschule“ (siehe Modell auf dem Foto unten), in der die Klassen - statt an einem Gang entlang gereiht - um einen großen, wohnzimmerartigen Zentralraum gruppiert sind. Das innovative und seiner Zeit weit vorausgaloppierende Projekt wird zwar als positives Beispiel in die Neufert Bauentwurfslehre aufgenommen, doch von Realisierung keine Spur.

Kampf gegen das Unsoziale

Auch der Gemeindebau für die Stadt Wien, der in Floridsdorf entstehen soll, geht in die Annalen des Wollens und Nichtdürfens ein. „Wir haben uns die Zähne ausgebissen, aber es ist uns einfach nicht gelungen, den unsozialen sozialen Wohnbau zu verbessern“, sagt Kurrent. „Das ist umso ärgerlicher, wenn man bedenkt, wie viele tausend Stunden wir in dieses Projekt investiert haben.“

Und Holzbauer ergänzt: „Der Entwurf war hervorragend, doch die Politiker waren leider noch nicht so weit. Anstatt dass sie sich für innovative Wohnkonzepte interessieren, haben sie uns immer mehr eingeschränkt, bis irgendwann einmal von unserem Entwurf nichts mehr übrig war. Am Ende war es nur noch ein Zusammenfügen von standardisierten Grundrissen wie in einem Puzzle-Spiel. Uns blieb nichts anderes übrig, als den Auftrag zurückzulegen.“

Holzbauer sitzt ruhig im Fauteuil. Kurrent hält sich, ruhig und kontemplativ wie vor 60 Jahren, mit der Hand das Kinn, holt tief Luft und schleudert plötzlich mit einer ruckartigen Handbewegung grantige Wortfetzen in den Raum: „Zu früh! Alles, was Sie da sehen, viel zu früh! Dabei hat unsere Arbeit unglaublich viel Potenzial gehabt. Wenn wir in diesem Sinne weitergemacht hätten, dann hätte man sich die ganze Postmoderne und den ganzen Dekonstruktivismus erspart. Aber wir waren zu früh.“

Und dann das erste realisierte Projekt: Im August 1956 wird in Salzburg-Parsch die Pfarrkirche Zum kostbaren Blut eingeweiht. Holzbauer, Kurrent und Spalt, die ohne Leitner längst schon als die „3/4ler“ gelten, bauen einen alten Bauernhof zu einer luftigen Hallenkirche um.

„Wir waren ein Fremdkörper“

Etliche Jahre vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil, in dem die Liturgie endlich reformiert werden soll, kommen die 3/4ler dem Lauf der Zeit abermals zuvor und schaffen das Unmögliche: offener Grundriss, Altar in der Mitte des Raumes, bauliche Applikationen von zutiefst skeptisch beobachteten Zeitgenossen wie etwa Josef Mikl, Fritz Wotruba und Oskar Kokoschka.

Die Anerkennung unter Architekten ist groß, die Anfeindung in der Bevölkerung noch viel größer: „Sogar das Ornat des Priesters wurde surrealistisch“, äußert sich das Salzburger Volksblatt spöttisch zu Mikls Messgewand-Entwurf. „Wir waren für die damalige Architektur eben Fremdkörper“, sagt Johannes Spalt, „und umgekehrt war es genauso.“

Rund hundert Projekte wickelt die arbeitsgruppe 4 in den 20 Jahren ihres Bestehens ab, doch gerade mal jedes fünfte davon wird auch wirklich realisiert. Schlüsselbauwerk der 3/4ler ist nach eigener Auskunft das Seelsorgezentrum in Steyr-Ennsleiten (siehe großes Foto). Während der Pfarrhof mit Pfarrsaal 1961 fertiggestellt wird, gelangt die Kirche nach vielen Planänderungen und Verzögerungen erst in den Jahren 1968 bis 1970 zur Ausführung.

Obwohl der konstruktive Aufbau des Gebäudes mittels X-Stützen und horizontaler Balken sehr einfach ist, besticht die Kirche vor allem durch diese sichtbaren statischen Elemente. „Ursprünglich wollten wir die Kirche mit Industrieglas aus Profilit einhausen“, sagt Kurrent im Gespräch mit dem Standard. „Aufgrund der Bauphysik mussten wir den ästhetischen Anspruch jedoch hinter ganz normalen geschlossenen Wänden zurückstecken.“

Realität der Fachzwänge. Auch sie zu früh. Viel zu früh.

[ „x projekte der arbeitsgruppe 4. Holzbauer, Kurrent, Spalt, 1950-1970“ im Architekturzentrum Wien. Zu sehen bis 31. Mai 2010. Parallel zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Diskussionen und Exkursionen. ]

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