Veranstaltung

12. Architektur-Biennale Venedig 2010
Ausstellung
29. August 2010 bis 21. November 2010
Giardini della Biennale, Arsenale
I-30124 Venedig


Veranstalter:in: Biennale di Venezia

Füllhorn für Potemkin'sche Dörfer

Architekturpolitik im Dienste verschwenderischer Selbstdarsteller?

Otto Kapfinger beklagt angesichts des kostspieligen Österreich-Auftritts in Venedig das förderungspolitische Missverhältnis zwischen Architekturinitiativen und „Staats-Kunst-Elite“.

4. September 2010 - Otto Kapfinger
Dietmar Steiner ist für seine offenen, klaren Worte zum österreichischen Architekturauftritt in Venedig und zum Status der dafür verantwortlichen Kultur-Architekturpolitik. zu danken. Owen Moss ist ein sympathischer Zeitgenosse und hat interessante Sachen in den USA gebaut, agiert aber als hochsubventionierter Kommissär des Österreich-Beitrags erschreckend durchschaubar und inhaltlich völlig irrelevant als Marionette einer Selbstdarstellung der Noever-Prix-Clique.

Die Kosten dafür sollen zwischen 620.000 und 700.000 Euro betragen - was wohl gering ist, bedenkt man die Summen, die der Staat in konventionelle Festspiel-, Theater- und Opernproduktionen einbringt -, was aber im krassen Missverhältnis zu dem steht, was Bund und Länder aktuell an inländischen Architekturinitiativen zu fördern bereit sind.

Zwei Beispiele zum Vergleich: Für den demnächst erscheinenden neuen Architekturführer Salzburg, der über 600 ambitionierte Bauten in Stadt und Land aufgrund von ausführlichen Recherchen an Ort und Stelle dokumentiert und eine umfassende Bestandsanalyse der regionalen Baukultur der letzten drei, vier Jahrzehnte liefert, gibt das Kulturbudget des Bundes lächerliche 20.000 Euro als Subvention (das Land nicht viel mehr); in der Reihe „Architektur im Ringturm“ konnte ich kürzlich mit Adolph Stiller eine Ausstellung samt Katalog zum Thema „Form&Energy“ kuratieren - als Start für eine von einschlägigen Bundes-Kulturstellen (mit)getragene Staffette von Ausstellungen im Ausland; Gezeigt werden siebzig neue Bauten aus allen Bundesländern, die modellhaft Aspekte von Nachhaltigkeit, Energie-Effizienz und baukünstlerischer Qualität verbinden; in Aussicht gestellte (!) Bundesförderung dafür: 67.000 Euro netto - kaum ein Zehntel der Biennale-Kosten!

Venedig diesmal erinnert einmal mehr an den Hang von Staats-Kunst-Eliten, ihr Füllhorn in Potemkin'sche Dörfer zu schütten, während substanzielle Kulturarbeit zunehmend mit Almosen abgespeist, auf Prekariate reduziert wird.
[ Otto Kapfinger, Jg. 1949, ist freiberuflicher Architekturpublizist, Ausstellungsmacher und wissenschaftlicher Berater des Architekturzentrums Wien. ]

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