Veranstaltung

IN BETWEEN. architekturbild
Ausstellung
IN BETWEEN. architekturbild © Joachim Hildebrand, architekturbild 2011
7. Mai 2011 bis 19. Juni 2011
Deutsches Architekturmuseum
Schaumainkai 43
D-60596 Frankfurt / Main


Veranstalter:in: Deutsches Architekturmuseum (DAM)
Eröffnung: Freitag, 6. Mai 2011, 19:00 Uhr

Stadt im Bild

Gestern, Freitag, wurde der Europäische Architekturfotografie-Preis 2011 vergeben. Eine Stadtbetrachtung durch das dritte Auge.

7. Mai 2011 - Wojciech Czaja
„Die Fotografie ist der Todfeind der Malerei, sie ist die Zuflucht aller gescheiterten Maler, der Unbegabten und Faulen“, sagte einst der französische Schriftsteller Charles Baudelaire. Ja sogar der passionierte Maler und Fotograf Henri Cartier-Bresson, verstorben 2004, banalisierte die Lichtmalerei durch die Linse, als er meinte: „Viele wollen daraus eine Kunst machen, aber wir sind einfach nur Handwerker, die ihre Arbeit gut machen müssen.“

Dass weitaus mehr dahinter steckt, beweist der Europäische Architekturfotografie-Preis, der gestern Abend, Freitag, im Deutschen Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt am Main bereits zum neunten Mal vergeben wurde. Motto des diesjährigen Wettbewerbs: „Dazwischen, in between.“ „Besonders tragisch in der Riege der Fotokunst ist das Schicksal der Architekturfotografie“, sagt Wilfried Dechau, Vorsitzender und Gründer des Vereins architekturbild e.v. „In der Regel wird sie von Architekten und Redaktionen als reine Dokumentation ihrer Bauwerke in Auftrag gegeben.“

Das oberste Gebot dabei lautet: Menschen verboten. Unendliche Leere. Eine Litanei der rechten Winkel. Die Architekturmagazine sind voll davon. Dechau: „Dass ein Architekturfoto auch eine künstlerische Auseinandersetzung mit der gebauten Umwelt sein kann, wird leider allzu oft vergessen.“

Fenster, Eisenstäbe, abgeschlagener Putz an der Wänden. Großstadt pur. Und dazwischen immer wieder abgeblätterte, grüne Farbe, die um die Aufmerksamkeit der Autofahrer und Passanten hascht: Bäume, Sträucher, Wiesenglück. Ein Staccato verzweifelter Wiederbelebungsversuche.

„Südkorea ist voll von diesen Naturabbildungen“, sagt der deutsche Fotograf Nils Clauss. Der 35-Jährige, der seit 2005 in Seoul lebt, ging unter 269 Teilnehmern als Sieger hervor. „Als ich hierhergezogen bin, waren die Städte noch deutlich grüner. Doch je größer die Siedlungsgebiete werden und je mehr die unbebaute Landschaft rundherum schrumpft, desto größer wird die Sehnsucht nach den verschwundenen ländlichen Räumen. Das merkt man vor allem an den vielen grünen Wandmalereien in der Stadt.“

Es ist dieser nostalgische Blick der Bewohner und Stadtplaner, aufgepinselt auf Mauern und Fassaden, der Clauss zu seinem Fotoprojekt Urban Nature animierte. „Am schlimmsten ist die Situation im Korridor zwischen den beiden größten Städten des Landes, Seoul und Busan“, erklärt der Fotograf. „Auf einer Länge von rund 300 Kilometern reiht sich eine Stadt an die andere, und obwohl wir uns hier mitten in einer grünen und hügeligen Landschaft befinden, ist von der umliegenden Natur kaum etwas zu sehen.“

In den Sechzigerjahren hatte Seoul rund 2,5 Millionen Einwohner. Seit damals bemüht sich die Regierung darum, die Landflucht einzudämmen. Dezentralisierung lautet das Schlagwort. Vergeblich. Mittlerweile ist die Metropolitanregion Seoul auf mehr als zehn Millionen angewachsen. Damit ist das einer der größten Ballungsräume der Erde.

„Mit der weiteren Verstädterung Südkoreas wird die Sehnsucht nach Natur noch weiter steigen“, ist Nils Clauss überzeugt. „Ich kann mir vorstellen, dass die Darstellungen an den Hausfassaden und Mauern entlang der Straßen in Zukunft vermehrt zu finden sein werden.“

Die Katastrophe vor der Linse

Von einem solchen Boom kann Detroit nur träumen. „Der Verfall der Stadt hat bereits in den Fünfzigerjahren begonnen“, sagt der Berliner Fotograf Dawin Meckel (34). Mit seiner Arbeit Down Town hat er beim Architekturfotografie-Preis den 2. Platz belegt (ex aequo mit dem Schweizer Paul Duri Degonda). „Doch seit der Ölkrise und seit der letzten Finanzmarktkrise bietet sich in Detroit ein Bild der Zerstörung wie noch nie.“

Zwischen 1950 und 2000 ist die Bevölkerung, einst 1,9 Millionen Einwohner, um 50 Prozent geschrumpft. Heute hat die ehemalige Automobil-City rund 720.000 Einwohner, Tendenz weiterhin fallend. „Die meisten Häuser in der Downtown sind vernagelt und stehen leer, aus den Asphaltritzen wächst Gras, und manchmal ist weit und breit niemand zu sehen“, so Meckel. Der Zustand der Stadt ist erschreckend, die Stimmung ist bedrückend. Für die Linse jedoch sind die Motive perfekt.

„Detroit ist eine Stadt im Dazwischen“, erklärt Meckel. „Bis heute ist ihr der Sprung von der einstigen Wirtschaftsmetropole zur US-amerikanischen Durchschnittsstadt noch nicht geglückt.“ Ein rigoroses Umdenken sei unausweichlich: „Detroit wird sich neu erfinden müssen. Die Industrie hat hier keine Zukunft. Nun liegt es an den Bewohnern, nicht länger beim Verfall zuzusehen, sondern die bestehenden Flächenressourcen und Chancen möglichst intelligent zu nutzen.“ Wer weiß, vielleicht wird Detroit eines Tages jene grüne Stadt werden, von der Seoul nur träumen kann?

Wie sagte doch Henri Cartier-Bresson? „Fotografieren, das ist eine Art zu schreien, sich zu befreien ... Es ist eine Art zu leben.“

[ Die Ausstellung „Europäischer Architekturfotografie-Preis 2011“ ist im DAM in Frankfurt/Main bis 19. Juni zu sehen. Zur Ausstellung ist ein gleichnamiger Katalog erschienen (avedition Verlag, Ludwigsburg 2011), € 24,80. ]

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