Veranstaltung

Josef Frank
Ausstellung
Josef Frank © Svenskt Tenn, Stockholm, Schweden
16. Dezember 2015 bis 12. Juni 2016
MAK-Ausstellungshalle
Stubenring 5
A-1010 Wien


Veranstalter:in: MAK
Eröffnung: Dienstag, 15. Dezember 2015, 19:00 Uhr

Mit dem Zufall planen

Über totalitären Glauben, Anti-Methodologie, Sharawaggi und Hundertwasser: Hermann Czech im Gespräch anlässlich der aktuellen Josef-Frank-Ausstellung im Wiener MAK.

9. Januar 2016 - Christian Kühn
Hermann Czech, die von Ihnen mitkuratierte Ausstellung über Josef Frank im MAK läuft unter dem Titel „Against Design“. Das erinnertan Paul Feyerabends Buch „Against Method“, das auf Deutsch „Wider den Methodenzwang“ heißt.

Das passt gut; Feyerabend hat bei der Titelsuche auch eine Rolle gespielt. Frank hat ja erklärt: „Man kann alles verwenden, was man verwenden kann.“ Insofern ist er unter dem Titel gut zu verorten. Das Konzept der Ausstellung ist, Franks gedanklichen Hintergrund im Vergleich mit parallelen und analogen Positionen darzustellen, von Alberti bis Rem Koolhaas. Dem kommt der Ausstellungsraum entgegen: ein großes U, das eine Chronologie von Werken und Motivationen Franks enthält – von den frühen Wohnungseinrichtungen über die Möbel und Einfamilienhäuser, die Arbeiten für die Stadt Wien im Siedlungs- und Wohnungsbau bis hin zu den Möbel- und Stoffentwürfen für Svenskt Tenn – und parallel dazu ein innerer schmaler Umgang, der Frank eine Auswahl von Referenzen gegenüberstellt. Das unterscheidet die Ausstellung auch von der, die Johannes Spalt und ich 1981 im MAK gezeigt haben. Da war Franks Werk selbst ja noch kaum aufgearbeitet, und es waren noch nicht so viele Bewegungen populär, die solche Vergleiche gerechtfertigt hätten. Heute ist das anders, es gibt eine Tendenz zur Anti-Methodologie, eine gewisse Lässigkeit. Sogar das Wort Styling heißt nicht mehr, dass alles zusammenpassen muss.

Sie haben im vergangenen Jahr im Hauptgebäude der Universität Wien die Gestaltung einer Ausstellung über den Wiener Kreis betreut, bei der – wie im MAK – die vorgefundene räumliche Struktur zum Vorteil der inhaltlichen verwendet wurde. Es gibt da einige Überschneidungen mit Josef Frank, etwa über die Person Otto Neuraths und die Siedlerbewegung. War Frank von der „wissenschaftlichen Weltauffassung“ des Wiener Kreises beeinflusst?

Frank hat vom Wiener Kreis vor allem die Einsicht mitgenommen, dass jede Dogmatisierung verfehlt ist. Er hat sich ja immer gegen jede Form des Totalitarismus gestellt, ästhetisch wie politisch. Wir hatten ursprünglich vor, dem politischen Frank in der Ausstellung einen eigenen Abschnitt zu widmen, aber dazu braucht es noch mehr Forschung. Für Frank hatten schon kunstgewerbliche Reformversuche einen Nahbezug zum Militarismus. Beim Forum Alpbach 1947 sagte er: „Ich bin der Ansicht, dass jeder, der den Wunsch hat, sein Hinterteil auf einem Rechteck auszuruhen, im Grunde seiner Seele einen totalitären Glauben hat.“

Aus demselben Jahr stammt auch Franks Entwurf für den Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York, ein Alternativvorschlag zum später realisierten Projekt, das eine Kommission unter Beteiligung von Le Corbusier und Oscar Niemeyer entworfen hatte, eine perfekte, völlig rationale Scheibe als Symbol für eine von der Vernunft regierte, einheitliche Welt. Frank schlägt dagegen mehrere unterschiedlich hohe, mit Ornamenten verzierte Türme vor, die durch zarte Brücken verbunden sind. Aus der Distanz von 60 Jahren betrachtet, entspricht diese Idee eher der Wirklichkeit. Diese Türme sind dabei nicht irrational, aber sie wirken trotzdem so, als wären sie bis zu einem gewissen Grad zufällig entstanden. Frank hat dafür Ende der 1950er-Jahre ja auch einen Begriff geprägt: Akzidentismus.

Abgesehen von dieser politisch visionären Bildhaftigkeit ist das UN-Projekt eines der Bezugsthemen zu Rem Koolhaas: nämlich die Auflösung der klassischen Hochhaustypologie. – „Akzidentismus“ ist Franks halb ironische Zusammenfassung seiner lebenslangen skeptischen und antidogmatischen Haltung. Mit dem „wie zufällig Entstandenen“ umschreibt er nichts anderes als den komplexen Begriff der künstlerischen Qualität. Es geht um scheinbare Absichtslosigkeit, wobei das Interessante ist, wie man das macht. Dafür gibt es kein Rezept. Ich stelle immer die Analogie mit der Gartenkunst her, dass man nämlich etwas betreibt, bei dem man sich klar ist, das Ergebnis nicht voll unter Kontrolle zu haben. Im Entwurf muss man bereit sein, das einzubeziehen.

Wie stark ist Frank dabei von der asiatischen Kultur beeinflusst? Er hat ja 1910/11 die Einrichtung für das Ostasiatische Museum in Köln entworfen, damals das europäische Zentrum für Sinologie.

Ostasien war natürlich ein zentraler Einfluss, der ja auch schon für die englische Gartenkunst wichtig war. Der chinesische Begriff des Sharawaggi – für scheinbar absichtslose, höhere Harmonie in der Unregelmäßigkeit – war in England schon im 18.Jahrhundert bekannt. Das hat letztlich auch mit Partizipation als einem externen, nicht kontrollierbaren Einfluss zu tun, aber eben nicht in dem unpräzisen Sinn, dass man sich als Architekt zurückzieht und alles Ästhetische den Nutzern anheimstellt – das ist gar nicht möglich. Vielmehr muss das Entwurfsdenken breit genug sein, auch Unvereinbares aufzunehmen; allerdings ist das kein leidensfreier Prozess.

Gibt es da eine Verwandtschaft mit Hundertwasser, stellenweise auch ästhetisch? Manche Stoffe Franks und auch fantastische Entwürfe wie das Giraffenhaus mit Kaminen, die an Giraffenhälse erinnern, sind doch hart an der Grenze zum Kitsch.

Frank hat selbst behauptet: „Jedes großeKunstwerk muss an der Grenze des Kitsches stehen.“ Bei Hundertwasser – ich spreche vom späten, „architektonischen“ Hundertwasser – ist das allerdings unfreiwilliger Kitsch, er simuliert Eingriffe des Nutzers. Bei Frank ist es die bewusste Verwendung solcher Elemente, so wie Rem Koolhaas kein Problem hat, sich aus dem „Trash“ des „Junkspace“ zu bedienen. Wenn Frank übrigens sagt, dass man sich an zufällig entstandenen Orten wohler fühlt als im „designten“ Raum, dann ist das „Zufällige“ ja durchaus aus Absichten entstanden, von einzelnen oder sogar vielen Leuten, aus Motivationen, die später aber nicht mehr nachvollziehbar sind und insofern etwas Fremdes darstellen, was eine gewisse Beruhigung ergibt. Frank sagt anlässlich seiner Wohnung in Wien, die teilweise von Dachschrägen geformt war, dass sie eben dadurch „angenehm und unpersönlich“ wirkt. Das ist ein eigenartiger Gegensatz – wieso ist etwas zugleich angenehm und unpersönlich? Weil man zwar nicht weiß, warum etwas so aussieht, aber es offensichtlich doch einen Grund, eine Substanz hat.

Sie haben 1970 über Adolf Loos geschrieben, dass sein „Kampf gegen das Ornament nicht zu verstehen [ist] als Kampf für die glatte Fläche, sondern gegen jede Form, die nicht Gedanke ist – und sei es eine glatte Fläche.“ Ist das nicht eine Überforderung der Architektur, dass jede Form Gedanke sein muss?

Ich habe im gleichen Text auch die Fähigkeit gefordert, „zu individualisieren, konkret und nicht abstrakt zu denken“. Gott sei Dank muss die Architektur kein philosophisches System aufstellen, sondern sie muss in bestimmten Situationen intervenieren, und zwar dringend. (Früher hätte man gesagt, sie muss „Probleme lösen“.) Es nützt die abstrakte Theorie nichts, wenn die Intervention nicht gelingt. Der „Gedanke“, den ich meine, ist nicht abstrakt, sondern: Denken zum Entwurf. Wenn man Qualität nur von Form ableiten wollte und dauernd Formen im Kopf haben müsste, dann hätte man es ja beim Entwurf noch schwerer. Wenn ich dagegen – ein unter Umständen tragfähiges Gedankenbeispiel – beim Bauen ein Industrieprodukt verwende, weil es da ist (und die Haftungsfragen damit geklärt sind), dann kann ich das Grübeln über Form aufgeben, weil das Produkt eh schon eine Form hat. Also das ist fallweise sogar leichter fürs Entwerfen.

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