Veranstaltung

WeinArchitektur
Ausstellung
22. September 2005 bis 6. Februar 2006
Architekturzentrum Wien - Alte Halle
Museumsplatz 1
Österreich


Veranstalter:in: Architekturzentrum Wien
Eröffnung: Mittwoch, 21. September 2005, 19:00 Uhr

Voll im Baurausch

Vor einiger Zeit ist die Kunst des Gärens auf die Kunst des Bauens gestoßen. Oder auch umgekehrt. Seitdem sind die beiden in ihrer Symbiose, der Weinarchitektur, jedenfalls nicht mehr zu trennen.

17. September 2005 - Wojciech Czaja
Wein ist unter den Getränken das nützlichste, unter den Arzneien die schmackhafteste, unter den Nahrungsmitteln das angenehmste", schrieb der griechische Philosoph Plutarch schon im Jahre 100 nach Christus. Noch einen Schritt weiter ging der römische Schriftsteller Plinius, als er meinte, der Nutzen des Weins könne der Kraft der Götter gleichgesetzt werden. Welch Ode an Bacchus, jener nützlichen Gottheit, die jeden guten Rausch zu rechtfertigen weiß - während sich die einen dem Vollrausch hingaben, widmeten sich die anderen bereits mit Vorliebe der Dichtkunst. Bis in etwas jüngerer Zeit Theodor Heuss einen ganz schön harten Schlussstrich zog und sagte:„Wein saufen ist Sünde, Wein trinken ist Beten. Lasset uns beten.“

Heussens Anspruch ist in die Gegenwart getragen worden, denn von der alkoholischen Komponente des Weins traut sich heute niemand mehr zu sprechen. „Wein ist nicht Alkohol, Wein ist Kultur“, lautet die allseits respektierte Maxime. Und von der Kultur zur Architektur ist es - das scheint sich ja schon herumgesprochen zu haben - nicht mehr allzu weit. In vino veritas, und in der Tat: Es gibt keinen anderen Nischenbereich der - um es einmal beim Namen zu nennen - Nahrungsmittelindustrie, der sich derart intensiv mit seiner eigenen Etikette beschäftigt. Wein trifft auf Grafik, Wein trifft auf Design, vor allem aber trifft die Kunst der Önologie auf die Kunst der Gebäudegestaltung.

Die großen Namen des Weinbaus verbünden sich mit den großen Namen der Baubranche, im Nu ist die Bauwut unter den Winzern voll entfacht. Das Bauen auf den Weingütern rund um die Welt beschert dem Begriff „Weinbau“ auf diese Weise eine neue, verbalsymbiotische Facette. Das Langenloiser Loisium (mit schwerer Zunge kaum mehr auszusprechen) ist zum Austro-Label avanciert und kann sogar mit einigen Wiener, Salzburger und Grazer Sehenswürdigkeiten mithalten. Zumindest im österreichischen Werbefenster des deutschen Privatsenders Vox, wo der funkelnde Kubus von Steven Holl prächtig die Fernsehröhre füllt. Ein New Yorker Architekt, der in Langenlois baut - das hat Seltenheitswert!

Doch entgegen den kalifornischen, französischen und sonstigen globalen Projekten der Big Names ist die önologische Architekturszene in Österreich - außerhalb von Langenlois - etwas differenzierter, etwas subtiler. Weit und breit kein Gehry, kein Calatrava, wie es andernorts mitunter der Fall sein möchte. Ein einziges Mal hat das burgenländische Weingut Esterházy sich getraut, die Grande Dame des schiefen Winkels zu einem Entwurf einzuladen. Expressiv, skulptural war die Forderung an Zaha Hadid - zum Bau ist es jedoch nicht gekommen. Stattdessen kehrte man zu den Vorzügen des Regionalen zurück und vergab den Auftrag an den lokalen Architekten Anton Mayerhofer.

Qualität still und leise statt mit großem Pomp und Paukenschlag? „Niemand, der schlanke, elegante Weine produziert, ließ sich ein protziges Château in den Weinberg stellen“, schreibt der weinerprobte Christian Sailer, „der Baustoff Psychologie erweist sich als überraschend konstruktiv.“ Und so greifen die bauwütigen Winzer in Österreich lieber auf die vornehm zurückhaltende Architektursprache zurück.

In burgenländischen Jois etwa hat das Architekturbüro gerner°gerner dem Weinbauern Leo Hillinger sein neues Reich geschaffen. Die Weine heißen Hill, stets chronologisch durchnummeriert, die Adresse lautet ebenfalls Hill, und zum perfekten Brandname gesellt sich nun auch noch das dazugehörige Haus. Eine expressive Schuhschachtel ragt aus dem Hang heraus, im riesigen Panoramafenster wird die Landschaft des Leithagebirges gerahmt. Innen ist alles ebenso transparent, selbst der industrialisierte Pro-

duktionsablauf. „Blick auf Barrique“,lautet das heiße Motto der Stunde, überall Glas, überall wird Neugier geweckt, im gleichen Moment gleich wieder gestillt.

Auch das - sehr ähnlich klingende - Büro g2 plus ist in seiner Arbeit ganz der „edelsten Verkörperung des Naturgeistes“ verfallen, wie Friedrich Hebbel einst den göttlichen Trunk so schön umschrieben hatte. Und weil man sich von der Rebe halt nur so schwer trennen kann, haben die beiden Planer die Weinstöcke im Grassnitzberger Weingut Polz symptomatisch bin ins Innere fortgesetzt. Architektin Martina Grabensteiner: „Es ist schön zu sehen, dass die Leute diese Stöcke wie einen normalen Weinstock behandeln, im Herbst werden sie zugeschnitten und gelesen. Wunderbar!“ Einziger - durchaus verkraftbarer - Wermutstropfen: „Eiswein kann daraus keiner werden.“ Als Ergänzung zum Rudiment des gedeckten Weingartens ist die eigentliche zweite Haut des Weines in den großzügigen Glasfassaden zum Einsatz gekommen: Gestapelte grüne Glasflaschen filtern den Blick einmal mehr, einmal weniger.

Ein ähnlich poetisches Spiel mit Flaschen ziert den Degustationsraum im Weinkulturhaus Gols, für die Gestaltung zeichnen Eberstaller & Co verantwortlich, ein Designerpaar mit ebenfalls sehr rebensaftbehaftetem uvre. Ganz benommen werden die degustierenden Hobby-Sommeliers darin herumstehen, vor lauter Flaschen den Wein nicht mehr sehen. Stark herangezoomt richtet sich die Kamera auf den Flaschenhals, mit Blick mitten hinein in den Rohstoff berauschender Freude. Schlicht und einfach ist das großformatige Foto als diffuse Lichtquelle verwendet worden.

Zu den vielen feinen und zarten Konzepten gesellt sich dann doch noch die monumentale Variante der Weinarchitektur. Vielleicht ist die ewig lange Natursteinmauer, die den Reifekeller Arachon in Horitschon nach einer Seite abschließt, eine Art Weindenkmal? Die beiden Architekten Wilhelm Holzbauer und Dieter Irresberger haben die minutiös geschlichtete Steinmauer in der Mitte ein bisschen emporgestemmt, erst hinter der flachen und weiten Öffnung erspäht man das eigentliche Gebäude, in dem der ersehnte Tropfen vor sich hinreift.

„Kam der Kunde früher mit dem Opel Kadett und packte die Dopplerflaschen in den Kofferraum, so kommt er heute im schwarzen Porsche und schlichtet die Sechserkartons auf den Rücksitz“, erklärt AZW-Direktor Dietmar Steiner. Also doch Lifestyle-Faktor Wein? Was früher ein geschmackvoller und stets nobler Zweig der Landwirtschaft war, hat heute an neuen Aspekten dazugewonnen. Die Tradition ist geblieben, doch zu ihr gesellen sich neue technische Standards. Die Zeit der alten Weinkeller und Weinpressen ist damit endgültig vorbei. Der Sparte Architektur ist es (nicht zuletzt dank der engagierten Winzer) gelungen, auf diesen Wandel mit unverwechselbaren Charakterzügen zu reagieren.

„Im Wein birgt sich viel“, schrieb der Lyriker Georg Britting: „Spiel, Schwermut und Lust.“ Und Letztere hat unverkennbar ihre Spuren in der architektonischen Ausformulierung hinterlassen.

[ Ein Glaserl Vernissage-Wein gefällig? Kommenden Mittwoch um 19.00 Uhr wird die Ausstellung „WeinArchitektur. Vom Keller zum Kult“ eröffnet. Architekturzentrum Wien, Museumsplatz 1, 1070 Wien. Zu sehen bis 6. Februar 2006. ]

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